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Artefakt oder Abdruck des Lebens?

Geologie. - Im herben Südwesten Grönlands beendete jetzt ein Team aus dänischen, kanadischen und englischen Geologen ihre Kartierungsmission an ein der ältesten bekannten Steinformationen, der Isua-Region. Die dort vorkommenden Sedimentgesteine werden auf ein Alter von bis zu 3,8 Milliarden Jahre datiert und reichen damit in der Erdgeschichte weiter zurück als irgendein anderes Gestein. Die in dem so genannten Turbidit-Gestein aufgefundenen Spuren von Leben aus jener grauen Vorzeit könnten sich jedoch als gewaltiger Irrtum erweisen.

    Das etwa 150 Kilometer von der grönländischen Hauptstadt Nuuk im Südwesten des Landes gelegene Isua gilt unter Geologen als ein Reiseziel mit ausgesprochenen Attraktionen. Wer die Reise in diese abgelegene Wildnis auf sich nimmt, um den Boden zu untersuchen, wird mit einem Blick in die älteste Vergangenheit belohnt: Rund 3,7 bis 3,8 Milliarden Jahre alt sind die Meeressedimente sowie das Lavagestein, die in Isua anzutreffen sind. Für besondere Überraschung sorgte eine bestimmte Form von Sediment, der Turbidit. Dieser marine Gemengestein entsteht immer dann, wenn Material an unterseeischen Hängen beispielsweise bei Seebeben abrutscht. Die verschiedenen Körnungen, von unterschiedlichen Kiesel- und Sandstufen bis hin zum feinen Ton, setzen sich dann am flachen Meeresgrund nach ihrer jeweiligen Schwere wieder ab und werden so quasi sortiert, ähnlich wie bei einer Zentrifugation - so vermuteten die Geologen zumindest bisher.

    Im Isua-Turbidit wurden überdies Graphitpartikel gefunden, deren Zusammensetzung an Kohlenstoffisotopen darauf hinzuweisen schienen, dass sie sich als Überbleibsel urzeitlicher Organismen auf dem Meeresboden ansammelten und in dem Sediment fixiert wurden. Somit schien auch das Alter des Lebens zumindest bis vor rund 3,8 Milliarden Jahre zurückzureichen. Diese Annahme kommt jetzt allerdings ins Wanken, denn möglicherweise handelt es sich bei dem Turbidit gar nicht um ein oberflächlich angesammeltes Sediment, sondern - dies legen neue Analysen der Geologen nahe - tatsächlich um ein so genanntes hochmetamorphes Gestein. Dann aber wäre der Turbidit so gravierenden gesteinsbildenden Prozessen, wie enormen Temperaturen und Drücken oder aggressiven chemische Lösungen, unterzogen worden, dass das auf Leben hindeutende Isotopenverhältnis des Kohlenstoffs auch durch andere Ursachen als Organismen entstanden sein könnte. Eine unzweifelhafte Zuordnung der Graphitspuren zu lebenden Organismen wäre damit unmöglich und die Aussagen über das älteste Leben möglicherweise falsch.

    Dementsprechend muss die Geschichte des Turbidits neu aufgerollt werden. Die multinationale Forschergruppe wird jetzt versuchen herauszufinden, ob es sich einwandfrei um ein metamorphes Gestein oder möglicherweise doch um ein Sediment handelt. Wird dabei der erstere Befund erhärtet, so bleibt die Frage, wie die für Leben charakteristischen Isotopenspuren nachträglich in den Turbidit gelangten oder ob es sich dabei um einen Artefakt infolge viel späterer tektonischer Gesteinsveränderungen handelt.

    [Quelle: Dagmar Röhrlich]