Die guten Helden haben den irischen Autor Eoin Colfer noch nie fasziniert. Sein Artemis Fowl, das Kind mit dem Verstand eines Erwachsenen, ist ein durchtriebener Meisterdieb und ein unausstehliches Universalgenie.
"Wenn Artemis Fowl ein guter Mensch wird, dann ist alles vorbei. Wenn er sich für nur 20 Sekunden wie eine freundliche Person verhält und jemandem hilft, dann muss ich alles beenden. Wenn er ein netter Junge ist, ist das das Ende."
Aber noch ist es nicht soweit. Zwar schlägt sich Artemis Fowl von Abenteuer zu Abenteuer immer mehr auf die gute Seite - und doch holt ihn seine dunkle Vergangenheit immer wieder ein. Viel Zeit ist seit der ersten Begegnung zwischen Artemis und dem hochentwickelten, magisch begabten Erdvolk vergangen.
Mittlerweile ist Artemis mit der eifrigen, ziemlich unabhängig denkenden Polizei-Elfe Holly Short und dem kreativen Zentauren Foaly, eine Hommage an den Erfinder Q in den James Bond-Filmen, fast freundschaftlich verbunden. Einst lebten die Menschen und das kleine Volk zusammen, doch dann trennten sich ihre Wege. Die irischen Mythen- und Märchenwelten faszinieren Eoin Colfer seit Kindertagen.
"Viele Jahre habe ich mich gefragt, was kann ich in dieses Genre einbringen - und dann habe ich mich für die Technologie entschieden. Ich wollte die alte Mythologie nicht modernisieren, sondern etwas Originelles entwickeln. In einem Satz zusammengefasst, was ist neu: Leprechauns, das kleine Volk und Computer."
Immer neue magische und irdische Figuren tauchen in den unterschiedlichen Artemis-Bänden auf. Trotz genauer geografischer Verortung und globaler Weite agiert das Superhirn allerdings in einer geschlossenen, eigenen Welt, in deren Grenzen sich der Leser schnell zurechtfindet.
"Mit jedem Buch von Artemis Fowl versuche ich etwas Neues einzubringen, eine originäre Geschichte. In diesem Buch geht es mir um aussterbende Tierarten. In jedem meiner Bücher bisher gibt es eine kleine Ökobotschaft, aber in diesem spielt es eine größere Rolle. Ich habe über aussterbende Arten gelesen. Wir werden in den nächsten 50 Jahren die Hälfte unserer Arten auf der Welt verlieren. Davon wollte ich in einer Abenteuergeschichte erzählen, Kinder informieren, aber nicht belehren."
Als Angeline, Artemis Mutter, auf geheimnisvolle Weise innerhalb von 24 Stunden schwer erkrankt, entdeckt ihr Sohn gemeinsam mit Foaly die Ursache. Angeline hat sich mit der Funkenpest, einer Seuche der Unterirdischen, infiziert. Die geniale Erfinderin Opal Koboi, die ihre Entdeckungen für kriminelle Machenschaften nutze, erfand einst ein Gegenmittel, weiß Foaly zu berichten.
"Opal Koboi fand das Heilmittel in der Gehirnflüssigkeit des Seidensifaka, einer Lemurenart aus Madagaskar." - "Ich hab es gewusst", stöhnte Artemis. "Ich hab gewusst, dass sich das irgendwann rächt." - "Unglücklicherweise ist der Seidensifaka mittlerweile ausgestorben. Das letzte Exemplar starb vor knapp acht Jahren." Artemis Blick war zerfressen von Schuldgefühlen. "Ich weiß, ich habe es getötet."
Der damals zehnjährige Artemis hatte diesen Lemur an eine Gruppe von sardistischen Superreichen verkauft, die sich als die Extentionisten bezeichnen. Sie halten ihre eigene Spezies für die Krone der Schöpfung und jedes Tier, das ihnen für die Menschheit wertlos erscheint, verurteilen sie zum Tod. Durch sein schlechtes Gewissen angetrieben, erpresst Artemis, der jetzt 14 Jahre alt ist, die Elfe Holly und lässt sie in dem Glauben, sie hätte seine Mutter mit Magie angesteckt. Gegen alle Prinzipien und gesetzlich festgelegten Vorschriften des Erdvolkes überwinden Artemis und die besorgte Holly das problematische Zeitparadox, um das wertvolle Tier dem jüngeren Artemis abzujagen und in die Gegenwart zu holen.
Reisen durch die Zeit, ein alter Menschheitstraum, ist ein bewährter Baustein in der fantastischen Literatur. Autoren setzen sich und ihre Protagonisten fast immer unter Druck, denn zu einem bestimmten Zeitpunkt muss eine falsche Entscheidung verhindert werden. Auch Eoin Colfer folgt diesem gängigen Muster:
"Ich nutze dieses Zeitreisethema, besonders in den letzten zwei Büchern. Um ehrlich zu sein, es sind vielleicht zu viele Zeitreisen. In diesem Buch aber war es ein wichtiges erzählerisches Mittel, damit Artemis sein jüngeres Ich treffen kann. Für Artemis jedoch ist es etwas intensiver, denn er muss seine Fehler direkt sehen."
Artemis gab sich nicht geschlagen, noch lange nicht. Und er war fest entschlossen, sich seinem jüngeren Ich erneut in den Weg zu stellen, und zwar so bald wie möglich. Wenn überhaupt hatte ihn die selbstgefällige Rede seines Gegenübers darin nur bestärkt. Erinnere dich an das Gefühl? dachte Artemis. Ich hasse mich. Von ganzem Herzen.
Artemis hat im Gegensatz zu seinem jüngeren Ich tatsächlich Skrupel - und das ist eine Erkenntnis, die der Vierzehnjährige erstmal verkraften muss.
"Es hat richtig Spaß gemacht, diese beiden Persönlichkeiten gegeneinander auszuspielen. Es gefiel mir auch, dass ich über einen äußerst widerwärtigen Jungen schreiben konnte. Es ist sehr schwer, das zu tun, ohne gemein zu sein. Denn es gibt diese sarkastisch überheblichen Zehnjährigen - und es gibt viele Kinder, die so sind. Aber wir schreiben nicht über diese arroganten Kinder. In der Literatur sind wir freundlicher und wir zeigen sie nicht oft, aber in diesem Fall hatte ich freien Raum."
Jede Komplikation während der Zeitreise kann Auswirkungen auf die Zukunft haben. Der ältere Artemis verändert sich nur äußerlich im Zeittunnel, Holly dagegen verjüngt sich und benimmt sich leicht pubertär.
"Es ist furchtbar schwer, Zeitreisen benötigen so viele Details. Man muss wirklich so viel nachdenken, Zeichnungen an die Wand malen, Diagramme und fragen, was hat er hier gemacht und was dann - es ist sehr, sehr kompliziert und sehr schwierig. Ich bin fertig damit, ich bleibe ab jetzt in der Gegenwart."
Hinter der ziemlich komplizierten Konstruktion des Handlungsverlaufs, in der Holly nun zum wiederholten Mal entführt wird, verbirgt sich letztendlich die uralte Geschichte vom Kampf um die Weltherrschaft. Die Extentionisten und letztendlich auch der ahnungslose Artemis sind unfreiwillige Handlanger der größenwahnsinnigen Opal Koboi, die die Macht über die Zeit unterirdisch an sich reißen will. Dreh- und Angelpunkt bleibt die Verfolgungsjagd nach dem letzten Lemur in allen Zeitebenen. Eoin Colfer treibt seine spannungsgeladene Handlung mit markigen Sprüchen und Artemis sarkastischen Nebenbemerkungen, rasant voran.
"Ich denke, da ist ein Element Parodie in Artemis Fowl. Am Anfang war es fast eine Genreparodie, wo ich an die Welt von James Bond dachte und alles in eine Märchenwelt wechselte. Die Urquelle der Parodie war für mich eine alte amerikanische Fernsehserie 'Hill Street Blues', die erste sehr realistische Polizeiserie. Und ich habe mir immer starke, harte Polizisten mit all ihren Problemen vorgestellt, die als kleine Leute mit Elfenohren ihre Arbeit machen. Das war der Anfang der Parodie, aber dann hat alles ein Eigenleben bekommen und war fast nicht mehr parodistisch, es hat etwas Authentisches bekommen und ich habe die Parodie dann vergessen und habe nur mit den Charakteren weitergearbeitet."
In den gespreizten, stellenweise auch komischen Dialogen schimmert ab und zu die Fantasyparodie noch durch. Im strategisch ausgeklügelten Kampf zwischen Gut und Böse auf Leben und Tod reiht Eoin Colfer dann aber einen Höhepunkt an den anderen. Rasante Sprünge, schnelle Ortswechsel, hektische Verfolgungsjagden und Action pur wie in Videogames sind eindeutig seine Stärke. Auf der Strecke bleiben seine Hauptfiguren, die wie austauschbare Stereotypen wirken und sich irgendwie mit allen greifbaren magischen Finessen durch den Handlungsdschungel bis zum guten Ende hindurchschleusen müssen.
Eoin Colfer: Artemis Fowl - Das Zeitparadox
List Verlag, 352 Seiten, 19,90 Euro
Eoin Colfer: Artemis Fowl - Das Zeitpardox
HörbuchHamburg, Gelesen von Rufus Beck,
fünf CDs, 24,95 Euro
"Wenn Artemis Fowl ein guter Mensch wird, dann ist alles vorbei. Wenn er sich für nur 20 Sekunden wie eine freundliche Person verhält und jemandem hilft, dann muss ich alles beenden. Wenn er ein netter Junge ist, ist das das Ende."
Aber noch ist es nicht soweit. Zwar schlägt sich Artemis Fowl von Abenteuer zu Abenteuer immer mehr auf die gute Seite - und doch holt ihn seine dunkle Vergangenheit immer wieder ein. Viel Zeit ist seit der ersten Begegnung zwischen Artemis und dem hochentwickelten, magisch begabten Erdvolk vergangen.
Mittlerweile ist Artemis mit der eifrigen, ziemlich unabhängig denkenden Polizei-Elfe Holly Short und dem kreativen Zentauren Foaly, eine Hommage an den Erfinder Q in den James Bond-Filmen, fast freundschaftlich verbunden. Einst lebten die Menschen und das kleine Volk zusammen, doch dann trennten sich ihre Wege. Die irischen Mythen- und Märchenwelten faszinieren Eoin Colfer seit Kindertagen.
"Viele Jahre habe ich mich gefragt, was kann ich in dieses Genre einbringen - und dann habe ich mich für die Technologie entschieden. Ich wollte die alte Mythologie nicht modernisieren, sondern etwas Originelles entwickeln. In einem Satz zusammengefasst, was ist neu: Leprechauns, das kleine Volk und Computer."
Immer neue magische und irdische Figuren tauchen in den unterschiedlichen Artemis-Bänden auf. Trotz genauer geografischer Verortung und globaler Weite agiert das Superhirn allerdings in einer geschlossenen, eigenen Welt, in deren Grenzen sich der Leser schnell zurechtfindet.
"Mit jedem Buch von Artemis Fowl versuche ich etwas Neues einzubringen, eine originäre Geschichte. In diesem Buch geht es mir um aussterbende Tierarten. In jedem meiner Bücher bisher gibt es eine kleine Ökobotschaft, aber in diesem spielt es eine größere Rolle. Ich habe über aussterbende Arten gelesen. Wir werden in den nächsten 50 Jahren die Hälfte unserer Arten auf der Welt verlieren. Davon wollte ich in einer Abenteuergeschichte erzählen, Kinder informieren, aber nicht belehren."
Als Angeline, Artemis Mutter, auf geheimnisvolle Weise innerhalb von 24 Stunden schwer erkrankt, entdeckt ihr Sohn gemeinsam mit Foaly die Ursache. Angeline hat sich mit der Funkenpest, einer Seuche der Unterirdischen, infiziert. Die geniale Erfinderin Opal Koboi, die ihre Entdeckungen für kriminelle Machenschaften nutze, erfand einst ein Gegenmittel, weiß Foaly zu berichten.
"Opal Koboi fand das Heilmittel in der Gehirnflüssigkeit des Seidensifaka, einer Lemurenart aus Madagaskar." - "Ich hab es gewusst", stöhnte Artemis. "Ich hab gewusst, dass sich das irgendwann rächt." - "Unglücklicherweise ist der Seidensifaka mittlerweile ausgestorben. Das letzte Exemplar starb vor knapp acht Jahren." Artemis Blick war zerfressen von Schuldgefühlen. "Ich weiß, ich habe es getötet."
Der damals zehnjährige Artemis hatte diesen Lemur an eine Gruppe von sardistischen Superreichen verkauft, die sich als die Extentionisten bezeichnen. Sie halten ihre eigene Spezies für die Krone der Schöpfung und jedes Tier, das ihnen für die Menschheit wertlos erscheint, verurteilen sie zum Tod. Durch sein schlechtes Gewissen angetrieben, erpresst Artemis, der jetzt 14 Jahre alt ist, die Elfe Holly und lässt sie in dem Glauben, sie hätte seine Mutter mit Magie angesteckt. Gegen alle Prinzipien und gesetzlich festgelegten Vorschriften des Erdvolkes überwinden Artemis und die besorgte Holly das problematische Zeitparadox, um das wertvolle Tier dem jüngeren Artemis abzujagen und in die Gegenwart zu holen.
Reisen durch die Zeit, ein alter Menschheitstraum, ist ein bewährter Baustein in der fantastischen Literatur. Autoren setzen sich und ihre Protagonisten fast immer unter Druck, denn zu einem bestimmten Zeitpunkt muss eine falsche Entscheidung verhindert werden. Auch Eoin Colfer folgt diesem gängigen Muster:
"Ich nutze dieses Zeitreisethema, besonders in den letzten zwei Büchern. Um ehrlich zu sein, es sind vielleicht zu viele Zeitreisen. In diesem Buch aber war es ein wichtiges erzählerisches Mittel, damit Artemis sein jüngeres Ich treffen kann. Für Artemis jedoch ist es etwas intensiver, denn er muss seine Fehler direkt sehen."
Artemis gab sich nicht geschlagen, noch lange nicht. Und er war fest entschlossen, sich seinem jüngeren Ich erneut in den Weg zu stellen, und zwar so bald wie möglich. Wenn überhaupt hatte ihn die selbstgefällige Rede seines Gegenübers darin nur bestärkt. Erinnere dich an das Gefühl? dachte Artemis. Ich hasse mich. Von ganzem Herzen.
Artemis hat im Gegensatz zu seinem jüngeren Ich tatsächlich Skrupel - und das ist eine Erkenntnis, die der Vierzehnjährige erstmal verkraften muss.
"Es hat richtig Spaß gemacht, diese beiden Persönlichkeiten gegeneinander auszuspielen. Es gefiel mir auch, dass ich über einen äußerst widerwärtigen Jungen schreiben konnte. Es ist sehr schwer, das zu tun, ohne gemein zu sein. Denn es gibt diese sarkastisch überheblichen Zehnjährigen - und es gibt viele Kinder, die so sind. Aber wir schreiben nicht über diese arroganten Kinder. In der Literatur sind wir freundlicher und wir zeigen sie nicht oft, aber in diesem Fall hatte ich freien Raum."
Jede Komplikation während der Zeitreise kann Auswirkungen auf die Zukunft haben. Der ältere Artemis verändert sich nur äußerlich im Zeittunnel, Holly dagegen verjüngt sich und benimmt sich leicht pubertär.
"Es ist furchtbar schwer, Zeitreisen benötigen so viele Details. Man muss wirklich so viel nachdenken, Zeichnungen an die Wand malen, Diagramme und fragen, was hat er hier gemacht und was dann - es ist sehr, sehr kompliziert und sehr schwierig. Ich bin fertig damit, ich bleibe ab jetzt in der Gegenwart."
Hinter der ziemlich komplizierten Konstruktion des Handlungsverlaufs, in der Holly nun zum wiederholten Mal entführt wird, verbirgt sich letztendlich die uralte Geschichte vom Kampf um die Weltherrschaft. Die Extentionisten und letztendlich auch der ahnungslose Artemis sind unfreiwillige Handlanger der größenwahnsinnigen Opal Koboi, die die Macht über die Zeit unterirdisch an sich reißen will. Dreh- und Angelpunkt bleibt die Verfolgungsjagd nach dem letzten Lemur in allen Zeitebenen. Eoin Colfer treibt seine spannungsgeladene Handlung mit markigen Sprüchen und Artemis sarkastischen Nebenbemerkungen, rasant voran.
"Ich denke, da ist ein Element Parodie in Artemis Fowl. Am Anfang war es fast eine Genreparodie, wo ich an die Welt von James Bond dachte und alles in eine Märchenwelt wechselte. Die Urquelle der Parodie war für mich eine alte amerikanische Fernsehserie 'Hill Street Blues', die erste sehr realistische Polizeiserie. Und ich habe mir immer starke, harte Polizisten mit all ihren Problemen vorgestellt, die als kleine Leute mit Elfenohren ihre Arbeit machen. Das war der Anfang der Parodie, aber dann hat alles ein Eigenleben bekommen und war fast nicht mehr parodistisch, es hat etwas Authentisches bekommen und ich habe die Parodie dann vergessen und habe nur mit den Charakteren weitergearbeitet."
In den gespreizten, stellenweise auch komischen Dialogen schimmert ab und zu die Fantasyparodie noch durch. Im strategisch ausgeklügelten Kampf zwischen Gut und Böse auf Leben und Tod reiht Eoin Colfer dann aber einen Höhepunkt an den anderen. Rasante Sprünge, schnelle Ortswechsel, hektische Verfolgungsjagden und Action pur wie in Videogames sind eindeutig seine Stärke. Auf der Strecke bleiben seine Hauptfiguren, die wie austauschbare Stereotypen wirken und sich irgendwie mit allen greifbaren magischen Finessen durch den Handlungsdschungel bis zum guten Ende hindurchschleusen müssen.
Eoin Colfer: Artemis Fowl - Das Zeitparadox
List Verlag, 352 Seiten, 19,90 Euro
Eoin Colfer: Artemis Fowl - Das Zeitpardox
HörbuchHamburg, Gelesen von Rufus Beck,
fünf CDs, 24,95 Euro