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Artenforschung im Amazonas
Auf Humboldts Spuren

Deutsche Forscher entdecken im Urwald von Peru noch immer neue Arten. Doch anders als ihr Vorbild Alexander von Humboldt vor 250 Jahren arbeiten sie gegen die Zeit. Im Amazonasgebiet schreitet die Zerstörung des Lebensraums zu schnell voran.

Von Ivo Marusczyk | 14.09.2019
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Regenwald im peruanischen Schutzgebiet Panguana. Hier leben mehr Tierarten als in ganz Deutschland – dabei ist das Gebiet nur 14 Quadratkilometer groß (imago images / Nature Picture Library / Konrad Wothe)
Der Amazonas-Regenwald brennt, Holzfäller und Goldschürfer dringen in den Urwald ein, Rinderweiden und Palmöl-Plantagen breiten sich aus. Das geschieht nicht nur in Brasilien, sondern auch in Nachbarländern wie Peru, auch wenn dort kein rechtsradikaler Präsident rücksichtslos die Interessen der Agrarindustrie vertritt.
Im Schutzgebiet von Panguana leben mehr Tierarten als in ganz Deutschland – dabei ist das Gebiet der Forschungsstation im Urwald von Peru nur 14 Quadratkilometer groß. Hier setzen deutsche Biologen bis heute die Arbeit des Universalgelehrten Alexander von Humboldt fort, der am 14. September 250 Jahre alt geworden wäre. Doch mittlerweile arbeiten die Forscher gegen die Zeit. Sie wissen nicht, ob sie die Vielfalt des Lebens noch erfassen können, solange der Wald halbwegs intakt ist.
Ein Porträt des Universalgelehrten Alexander Freiherr von Humboldt
Der Universalgelehrte Alexander Freiherr von Humboldt, der als Naturforscher auch den Amazonas bereiste. (Imago / Ken Walsch)
Verheerende Brände
Eine dichte Rauchglocke hängt über Pucallpa. Rund um die Urwaldstadt schwelen und kokeln hunderte kleine Feuer. Rauchsäulen färben den Himmel aschgrau, verschleiern die Sonne, füllen die Luft mit Ruß und mit schwerem Brandgeruch. Pucallpa ist der wichtigste Verkehrsknoten im peruanischen Teil des Amazonasgebiets. Rund um die Großstadt sind die Wälder längst abgeholzt, es geht also nicht um Brandrodungen. Aber in weiten Teilen der Tropen ist es üblich, Felder nach der Ernte abzufackeln. Also, Laub und trockene Pflanzenreste zu verbrennen. Auch Weideland wird abgebrannt, um zu verhindern, dass die Wiesen wieder verbuschen und zuwachsen. Solche kleinen Feuer greifen aber oft auf intakte Wälder über und sind deswegen auch Auslöser der verheerenden Brände im ganzen Amazonasgebiet in diesem Jahr.
"Wir sagen schon seit 25 Jahren, dass die Waldbrände ein Krebsgeschwür sind, der Tod jeder Wiederaufforstung. Sie entstehen oft durch das Abbrennen von Feldern. Das Ergebnis sind dann "grüne Wüsten", Weiden mit wertlosen Süßgräsern. Wegen dieser Brände scheitern fast alle Aufforstungsprojekte", sagt Raúl Tello.
Modellprojekt "Bio Kuka"
Er betreibt am Stadtrand von Pucallpa das Modellprojekt "Bio Kuka". Es soll zeigen, dass man den Wald gar nicht roden muss. Man könne zum Beispiel Kakao auch im Schatten der Urwaldriesen pflanzen, statt die hohen Bäume zu fällen. Tello will auch aufzeigen, wie aus Weideflächen wieder Wald werden kann. Doch an solche Ideen glauben im Amazonasgebiet nur wenige Menschen. Die meisten setzen hier weiter auf eine Landwirtschaft, die den Regenwald aus dem Weg räumt. Große Viehweiden und seit einigen Jahren auch Palmöl-Plantagen. Dabei warnen Fachleute, dass die Palmen den Boden auslaugen. Bald werden die Bauern sich neue Felder suchen müssen – sie werden also wieder Wald roden.
"60 Prozent der Fläche Perus liegt in der Amazonasregion. Die Region Ucayali hier wird sehr stark von Holzfällern bedrängt, die nur ganz bestimmte Hölzer nach Belieben aus dem Wald holen. Außerdem kommen viele Siedler, Bauern aus den Bergregionen hier herunter und dringen in die Primärwälder ein. Denn dort sind die Böden zunächst noch fruchtbar", sagt Raúl Tello.
Forschungsstation Panguana
Um den ursprünglichen Regenwald zu finden, muss man von Pucallpa aus weiter ins Hinterland fahren. Zum Beispiel den Rio Pachitea hinauf, einen der Quellflüsse des Amazonas. Auch hier sind die Veränderungen deutlich. Straßen haben die Flüsse schon als Verkehrsadern des Urwaldgebiets abgelöst und auf beiden Seiten der neuen Straße Richtung Süden ist der Wald schon abgeholzt. Aber noch gibt es Waldinseln, wie das Gebiet der Forschungsstation Panguana. Dorthin kommt man nur mit dem Boot oder zu Fuß.
Doch für Biologen lohnt sich der Weg. Seit 50 Jahren untersuchen deutsche Forscher hier in Panguana die Artenvielfalt des Regenwalds und sind dabei auf einen Hot Spot der Biodiversität gestoßen:
"Es ist wirklich fantastisch, wie viel Arten hier vorkommen, eigentlich von jeder Tiergruppe", sagt Juliane Diller.
Ihre Eltern haben Panguana vor mehr als 50 Jahren begründet, bis heute setzt sie deren Arbeit fort. Diller ist stellvertretende Direktorin der Zoologischen Staatssammlung in München, kehrt aber jedes Jahr zumindest für ein paar Wochen in den Urwald in ihrem Geburtsland Peru zurück.
"Die Fledermäuse, die habe ich ja selber untersucht. Insgesamt haben wir 56 Arten gefunden. In ganz Europa gibt es gerade einmal 27. Das ist unglaublich. Und es ist auch die Vielfalt, nicht nur von Arten so erstaunlich, sondern auch die Vielfalt in der Ökologie, in der Biologie dieser Tiere. Denn die ernähren sich nicht nur von Insekten wie bei uns eigentlich alle, sondern die fressen auch Früchte. Es gibt auch fischende Fledermäuse, es gibt drei Arten, die Blut lecken und darunter die echte Vampirfledermaus. Dann gibt es welche, die Frösche fangen oder sogar kleine Vögel oder andere Fledermäuse – das sind die größten Arten. Und es gibt welche, die Früchte fressen oder Nektar lecken und saugen. Also, das ist ausgesprochen vielschichtig und natürlich sehr spannend für einen Biologen."
Drei Vampirfledermäuse schauen in die Kamera.
Panguana zeichnet sich durch einen besonderen Artenreichtum aus. 56 Arten von Fledermäusen wurden bereits nachgewiesen, wie z.B. die Vampirfledermaus. ( imago | Westend61)
"Vieles wird bis dahin auch schon wieder ausgestorben sein"
Dabei ist das Gelände der Forschungsstation heute gerade einmal 14 Quadratkilometer groß. Biologen entdecken aber hier nicht nur Fledermäuse. Auf einer Fläche, die etwa viermal dem Englischen Garten in München entspricht, leben mehr Vogelarten als in ganz Deutschland.
"Da haben wir in etwa so jetzt, nachdem auch vieles Neues noch gefunden worden ist, etwa 380 Arten. Und bei uns gibt es, ich glaube, so etwa 320 Brutvogelarten in ganz Deutschland. Ameisen sind auch noch ein gutes Beispiel. Wir haben über 520 Arten, das ist die höchste Biodiversität weltweit. Und so geht’s weiter. Das sind wirklich also unglaubliche Mengen. Und wir haben so vieles noch gar nicht entdeckt. Und es wird noch Generationen dauern, bis wir das dann auf die Reihe bringen, wenn es überhaupt machbar ist. Und vieles wird bis dahin auch schon wieder ausgestorben sein, von dem wir noch gar nichts gewusst haben."
Humboldts Erben
Die Biologen in Panguana treten in große Fußstapfen. Einer der ersten Forscher, der die Tierwelt in den Urwäldern Südamerikas untersuchte, war schließlich Alexander von Humboldt vor gut 200 Jahren. Mit Stift und Feder zeichnete er die unbekannten Tiere, die ihm begegneten. Auch die Eltern von Juliane Diller arbeiteten noch mit Zeichnungen. Heute verwenden Humboldts Erben dagegen Digitalkameras oder gar DNA-Analysen, um die Vielfalt zu erfassen, zu zählen und zu ordnen. So wie Julio Monzón. Der Peruaner stammt aus der Nähe von Panguana, schreibt seine Doktorarbeit aber an der Uni Freiburg. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit zieht er los, um die Fallen zu leeren, die er am Waldrand und mitten im Wald aufgestellt hat:
Oh…hier haben wir vier Stück, ja? Fünf Stück! Die leben. Jetzt habe ich schon zwei Arten…drei…also, jedes Individuum hier ist eine andere Art.
Der Doktorand erforscht Schmetterlinge, genauer, eine Unterfamilie der Nachtfalter. Sie heißen Bärenspinner, weil ihre Raupen dicht behaart sind. Bärenspinner sind aus Sicht der Biologen besonders interessant, weil sie nicht nur bestimmte Futterpflanzen brauchen, sondern zusätzlich eine zweite Pflanzenart, die bestimmte chemische Stoffe enthält, die so genannten Pyrrolizidinalkaloide oder kurz "PA". PA ist ein Gift. Die Bärenspinner nehmen dieses Gift auf und nutzen es ihrerseits, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Und weil sie zwei völlig verschiedene Pflanzen brauchen, dürften diese Schmetterlinge ihrem jeweiligen Lebensraum besonders treu sein, erklärt der Biologe auf dem Weg zu seinen Falter-Fallen. In solchen Fallen werden normalerweise alle angelockten Insekten betäubt oder getötet. Monzón hat aus Drahtgeflecht mit verschiedenen Maschengrößen eigens Fallen konstruiert, die nur die Nachtfalter festhalten, während andere, kleinere Insekten entkommen können.
"Allein bei den Bärenspinnern, die Familie, die ich erforsche, haben wir momentan über 400 Arten, allein in diesem kleinen Gebiet. Das ist eine Lichtfalle, und die Falle drum herum, die habe ich selber gebaut. Wenn es dunkel ist, machen wir das Licht, und die fliegen dann durch den Trichter rein. Also, das ist ein Sammelbehälter mit einer Art Filter. Die großen bleiben in dem kleinen Kern und die mittleren gehen in die andere Schicht. und die ganz winzigen können ja wegfliegen. Meine Falter sind ja nicht so winzig, deshalb ist das ja egal."
Ein Jahr im Urwald
Fast ein Jahr verbringt der Doktorand in der Forschungsstation, um seine Nachtfalter zu fangen, zu bestimmen und zu erfassen. Ein Jahr im Urwald, fernab von der Zivilisation. Was mittlerweile etwas bequemer ist, als zu Humboldts Zeiten. In Panguana gibt es immerhin feste Häuser, Solarstrom, fließendes Wasser und schnelles Internet. Was sich dagegen nicht geändert hat, das ist die Blutgier der Mückenschwärme, die im Urwald über neugierige Forscher herfallen. Darüber hat schon Humboldt in seinen Tagebüchern bitter geklagt. Und noch etwas verbindet den Pionier von damals mit seinen Nachfolgern heute: nämlich die Begeisterung, wenn man sie auf ihr Forschungsobjekt anspricht:
"Einige meinen, das sei die tollste Arbeit der Welt, weil die Bärenspinner sind nicht nur interessant wegen ihrer Ökologie, sondern weil sie auch ziemlich gut aussehen, also richtig hübsch sind. Sie sind bunt, einige sehen ähnlich aus wie Wespen, also die machen Mimikry mit Wespen. Manche haben tolle Farben, also schillernd blau und rot. Wenn jemand die Möglichkeit hat, sich die anzuschauen, auch im Internet, also die Fotos, versteht er, was für eine Schönheit dahinter steckt."
Die Dämmerung ist kurz in den Tropen – es ist dunkel geworden. Julio Monzón geht tiefer in den Wald zur nächsten Falle. An einigen Standorten werden die Falter von Licht angelockt, an anderen von PA-Ködern, also genau jener giftigen Substanz, nach der die Bärenspinner gezielt suchen. Selbst im kleinen Lichtkegel seiner Stirnlampe erkennt der Biologe inzwischen, welcher Nachtschwärmer ihm hier in die Falle gegangen ist.
"Okay. Eins, zwei, drei… Diniamena! Das ist die häufigste Art – schön, mit so einem roten Busch am Hintern. Durchsichtige Flügel. Das ist Cintrichiura. Und hier andere Art, das ist Trichiura. Die hier ist goldfarben, deswegen heißt sie Trichiura aurifera. Ich habe da ein Tütchen für jede Falle. Also jetzt für die Trockenzeit ist das keine schlechte Ausbeute."
Arbeit für Generationen von Biologen
Ob Fledermäuse, Vögel, Frösche oder Nachtfalter: Die Artenvielfalt in diesem Regenwald ist so groß, dass er noch Arbeit für Generationen von Biologen bereit hält. Julio Monzón bestimmt die Arten noch klassisch, indem er seine Bärenspinner mit Fotos vergleicht und so eine Art Schmetterlingskatalog erstellt. In Zukunft wird man die Arten wohl nicht mehr einzeln beschreiben, sondern das Erbgut untersuchen und einfach anhand der DNA bestimmen, wie viele unterschiedliche Tiere, Pflanzen, Pilze oder Bakterien einen Lebensraum besiedeln. Seit kurzem erst arbeiten Biologen hier in Panguana auch mit "Fogging" – dabei werden die Baumkronen eingenebelt und die Forscher sammeln die Tiere auf, die aus dem Geäst fallen.
"Je mehr wir erfahren oder wissen über einen Urwald, wissen wir, dass wir nur am Anfang sind wurde Vor 50 Jahren wurde Panguana gegründet und das Ziel war, das Ökosystem im Regenwald in fünf Jahren zu erforschen. 50 Jahre später wissen wir nur, dass wir erst am Anfang ist von der Erforschung des Regenwalds", so Monzón.
Ein grüner Makifrosch mit knallorangen Flanken und orange-schwarz gestreiften Oberschenkeln auf dem Blatt einer Heliconia (Bananengewächs) im tropischen Regenwald im Manu-Biosphären-Reservat in Peru (undatiertes WWF-Foto). Der nur fünf Zentimeter lange, nachtaktive Frosch lebt in Mittel- und Südamerika. Er ist nicht vom Aussterben bedroht. Doch damit bildet er in seiner Verwandtschaft die Ausnahme. Denn weltweit schreitet das Amphibiensterben voran, erklärt der World Wide Fund for Nature (WWF). Klimawandel, Lebensraumverlust und Chemikalien machen den kleinen Lebewesen zu schaffen. 167 Amphibien-Arten stehen auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN, Tendenz steigend. Foto: WWF/Andre Bärtschi dpa (Red. Hinweis: Veröffentlichung nur mit Urheberangabe WWF) | Verwendung weltweit
Grüner Makifrosch im tropischen Regenwald in Peru (WWF/Andre_Bärtschi)
Doch die Forscher wissen, dass die Zeit gegen sie arbeitet. Der größte Teil von Panguana ist zwar als Schutzgebiet anerkannt und das Sira-Gebirge, ein Stück weiter östlich, steht auch unter strengem Naturschutz. Doch die Bedrohung des Regenwalds ist auch hier längst spürbar. Vor 50 Jahren lag die Station noch abgelegen mitten im Urwald – heute ist die Gegend an das Straßennetz angeschlossen und viele Waldgebiete in der Umgebung wurden längst abgeholzt Panguana ist zu einer Insel geworden. Nachdenklich sagt Julio Monzón auf dem Rückweg von seiner Abendrunde:
"Heutzutage, wenn man eine Arbeit hier macht, ist es wahrscheinlich das letzte Mal dass man so eine Arbeit machen wird, weil irgendwann ist das, was wir hier jetzt haben im Regenwald nicht mehr so wie es ist."
Goldwäscher verwüsten ganze Landstiche
Die Bedrohung rückt immer näher. Vom Fluss her ist nachts ein leises Motorengeräusch zu hören: Die Pumpen der Goldschürfer. Auf der Suche nach Gold wühlen sie den Flussgrund auf, sie hinterlassen regelrechte Kraterlandschaften mitten im Urwald. Und sie vergiften die Flüsse durch den Einsatz von Quecksilber. Auch Juliane Diller sagt, das Eindringen der Goldschürfer in die Urwaldgebiete mache ihr große Sorgen:
"Also unmittelbar in Panguana ist es natürlich die Goldwäscherei, vor allem, dadurch, dass da immer größere Goldwäscherfirmen, meisten aus dem Ausland, die seit mindestens 15 Jahren illegal in Peru Gold waschen. Und in den Departementen Cusco und Madre de Dios schon ganze Landstriche verwüstet haben. Die haben leider auch in unserer Region angefangen zu arbeiten. Und es ist nicht möglich, die aus dem Land zu verweisen. Das ist also ganz, ganz schwierig gegen solche Leute anzugehen. Die Familien, die dort leben, haben gar keine Handhabe und müssen das einfach dulden. Das ist ganz schwierig."
Sept. 5, 2013 - Huanuco, PERU - MARINA DE GUERRA, EN OPERATIVO LLAMADO SIRA, DESTRUYE 30 DRAGAS Y 14 MOTORES DE LA MINERIA INFORMAL UBICADAS EN EL CAUCE DEL RIO PACHITEA, DITRITO DE PUERTO INCA, HUANUCO..NO SE REPORTARON ENFRENTAMIENTOS. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAp94 Sept 5 2013 HUANUCO Peru Marina de Guerra en operativo Llamado Sira 30 Dragas y 14 motores de La Mineria Informal ubicadas en El Cauce Del Rio de Puerto Inca HUANUCO No SE REPORTARON enfrentamientos PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY ZUMAp94
Abbau von Rohstoffen in einer illegalen Mine im Gebiet des Rio Pachitea in Peru (imago stock&people)
In einigen Teilen des peruanischen Amazonasgebiets gilt schon der Notstand, weil die Flüsse stark mit Quecksilber belastet sind. Die Fische sind längst nicht mehr essbar, dabei waren sie die wichtigste Nahrungsgrundlage im Amazonas-Tiefland. Das gilt leider auch für den Río Yuyapichis, den Fluss, der direkt an Panguana vorbei fließt. Der Verwalter der Forschungsstation sagt, er habe schon mit bloßem Auge Quecksilbertropfen auf dem Grund des Flusses gesehen, so viel Schwermetall sei hier ins Wasser gelangt. Carlos Vásquez Módena war schon beim Aufbau der Station dabei – hier nennen ihn alle nur "Moro". Er beobachtet besorgt, wie sich die Natur in den letzten Jahren verändert. Auch wenn die Biologen in Panguana immer neue Arten entdecken, Moro sagt, es seien auch schon viele Tierarten verschwunden, vor allem Vögel, aber auch Säugetiere, zum Beispiel die Pekaris, eine südamerikanische Wildschwein-Art:
"Hier kam zum Beispiel jedes Jahr eine Rotte Pekaris her. Die sind seit vier Jahren weg. Es gab auch eine Art Truthähne, die kommen auch nicht mehr. Und im Fluss sind auch schon viele Fischarten verschwunden. Weil Goldsucher hier angefangen haben, zu schürfen, dadurch wurde der Fluss trüb und verschmutzt und das vertragen diese Fische nicht. Jetzt sehe ich sie nicht mehr."
"Es wird wärmer"
Seit mehr als 50 Jahren lebt und arbeitet Moro in Panguana. Gutmütiges Lachfalten haben sich in sein Gesicht gegraben. Doch inzwischen sind auch Sorgenfalten dazu gekommen. Er sagt, selbst das Klima habe sich schon verändert. Der Unterschied zwischen Regenzeit und Trockenzeit sei nicht mehr so wie früher. Und das Wetter sei extremer geworden, seit immer mehr Wald abgeholzt werde.
"Es wird immer wärmer. Und gleichzeitig war es nachts nie so kühl wie jetzt. Das gab es früher überhaupt nicht, dafür wird es tagsüber immer heißer. Man könnte glauben, dass hier alles zur Wüste wird. Das ist jedenfalls meine Befürchtung."
Die Veränderungen, die Moro in Panguana feststellt, folgen den großen Umwälzungen, die das ganze Amazonasgebiet betreffen. In Peru ziehen immer mehr Menschen aus den kargen Hochland-Provinzen hinunter ins bewaldete Tiefland. Die üppige Vegetation dort scheint fruchtbare Böden zu versprechen, dabei ist die Humusschicht im Urwald in Wahrheit extrem dünn. Aus verschiedenen Gründen dringen Menschen in die Urwaldgebiete ein und versuchen hier ihr Auskommen zu finden. Was rund um die leicht erreichbare Großstadt Pucallpa schon vor längerer Zeit begonnen hat, passiert jetzt auch hier, im Tal des Rio Pachitea.
"Als die Station 1968 gegründet wurde war hier alles bewaldet. Aber seitdem wurde enorm abgeholzt. Auf Satellitenfotos sieht man, dass wir fast eine Insel sind. Das liegt in erster Linie an den Viehzüchtern, die sich hier immer weiter ausbreiten. Das ist ein großes Problem. Außerdem gibt es illegale Goldsucher und darüber hinaus wird auch viel Koka angebaut. Und zuletzt kam jetzt noch der Anbau von Ölpalmen dazu. Das breitet sich gerade sehr stark aus. Dabei habe ich Zweifel, ob sich das lohnt. In 30, 40 Jahren bleibt dann nur eine Wüste, weil diese Palmen sehr viel Wasser brauchen. Keine Ahnung, wie das endet, so Moro."
In den Waldgebieten ist der Staat kaum präsent
Dabei ist die Gesetzeslage in Peru eigentlich klar. Anders als im benachbarten Brasilien, wo Präsident Jair Bolsonaro die Parole ausgegeben hat, das Amazonasgebiet ohne Rücksicht auf Verluste auszubeuten und alle Reichtümer der Region zu nutzen, ist die Politik in Peru darauf ausgerichtet, den Regenwald zu schützen und zu erhalten. Doch in den riesigen Waldgebieten ist der Staat kaum präsent. Die Kontrollen sind zu schwach. Und an manchen Stellen sieht der Staat sich tatsächlich einer Übermacht gegenüber, zum Beispiel, wenn es darum geht, Goldsucher zu vertreiben.
"Na, zum Glück ist es in Peru anders. Dort beachtet man doch von der Regierung her, von der Politik her, doch mehr den Naturschutz und die Umweltgesetze. Der Arm des Gesetzes reicht natürlich nicht immer in die Provinz. Das ist ein oft großes Problem. Aber letztlich endlich sind die Gesetze sehr gut und der jetzige Präsident Vizcarra, der hat sich in diesem Zusammenhang sehr positiv geäußert. Ansonsten ist man in Peru entsetzt über die Entwicklungen in Brasilien und auch über die Einstellungen des Präsidenten zu diesem Thema", sagt Juliane Diller.
Noch ist Panguana ein Ort außergewöhnlicher Artenvielfalt. Die Station liegt zwischen dem Osthang der Anden und dem Sira-Gebirge, einem isolierten Gebirgszug mitten im Regenwald. Diese besondere Lage dürfte der Grund dafür sein, dass sich hier so viele Tierarten tummeln. Noch. Doch der Druck nimmt auch hier zu. Die Zeit arbeitet gegen den Wald und gegen die Forscher.