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Artenpopulation
Warum die Schmetterlinge verschwinden

Den Schmetterlingen geht es schlecht. Gab es vor rund 200 Jahren in Deutschland noch etwa 117 Schmetterlingsarten, so sind es heute 71. Dafür gibt es viele Gründe. Insbesondere die Spezialisten unter den Schmetterlingen sind dabei gefährdet - ein Besuch im Entomologischen Institut in Müncheberg.

Von Peter Kaiser | 09.05.2016
    Schmetterling in Brandenburg
    Ein Schmetterling der Art Schwalbenschwanz. (picture alliance / dpa / Foto: Patrick Pleul)
    "Das ist das Allerheiligste hier. Also das hier ist unser zentrales Magazin der großen Insektensammlung. Hier befinden sich drei Millionen Insekten plus X, so ganz genau wissen wir das noch nicht."
    Thomas Schmitt, Leiter des Senkenberg Deutsches Entomologisches Institut in Müncheberg zeigt auf das Magazin des Institutes. Das Magazin hat eine wichtige Funktion. Denn hier lagern neben Käfern und anderen Insekten vor allem auch Schmetterlingsarten, die entweder schon seit Jahrzehnten verschwunden sind, oder die sich massiv verändern. Das Magazin ist für aktuelle Forschungen zum Rückgang von Schmetterlingsarten in Deutschland der Ausgangspunkt. Die Forschungen sind jetzt wichtiger denn je, denn gab es in Deutschland vor 200 Jahren noch 117 Schmetterlingsarten, so sind es jetzt gerade noch 71.
    "Die Ursachen für diese Rückgänge sind sehr vielfältig. Wichtig ist, dass eigentlich für alle Ursachen der Mensch die Verantwortung hat. Wir haben Intensivlandwirtschaft, die keine oder wenig unproduktive Flächen mehr hat, die von besonderer Bedeutung sind für die biologische Vielfalt."
    Unterteilung in Spezialisten und Generalisten
    Die Wissenschaftler unterteilen Schmetterlinge in Spezialisten und Generalisten. Spezialisten fressen oft nur wenige Pflanzen.
    "Der Regensburger Gelbling, das ist eine Art, die nur an einer einzigen Raupenfraßpflanze sich entwickeln kann. Diese Art nimmt überall in Europa ganz massiv ab."
    Generalisten sind bei der Auswahl ihrer Nahrung kaum wählerisch, das macht sie anpassungsfähiger.
    "Da sehe ich einige schöne Arten, die das können, zum Beispiel das Tagpfauenauge. Dann grasfressende Arten, also zum Beispiel das große Ochsenauge wird überleben, aber die Mehrzahl der Schmetterlinge geht dramatisch zurück."
    In ihrer kürzlich im Fachjournal "Conservation Biology" erschienenen Studie zum Verschwinden der Schmetterlinge benennen die Forscher neben der Intensivlandwirtschaft den Klimawandel als Ursache. Doch nicht nur das.
    "Wir haben Heckenstrukturen zerstört. Es werden immer wirksamere Insektizide, Pestizide eingesetzt. Die Habitate, die verbleiben, die sind oftmals relativ klein, die sind oftmals isoliert, das sind die berühmten Naturschutzgebiete, die natürlich helfen. Aber durch ihre oft räumliche Begrenzung und ihre Isolation gibt es Probleme, dass viele Arten auf solch kleinen Flächen nicht überleben können."
    Magazin dient auch als genetische Datenbank
    Man könnte sagen, wo sowieso so viel in der Natur schon fehlt, da machen die paar Falter nicht so viel aus. Doch das Verschwinden der Schmetterlinge ist auch für uns Menschen dramatisch.
    "Und wenn wir uns anschauen, wie wir immer weniger Arten jetzt haben, wie wir immer weniger Individuen haben, dann müssen wir uns fragen, wie krank sind unsere Ökosysteme. Und ist die Krankheit der Ökosysteme am Schluss nicht auch so, dass es auf uns selber zurückfällt."
    Dann verschließt Thomas Schmitt wieder das Magazin, das zwei Funktionen hat. Einerseits zeigt es die Artenvielfalt der Schmetterlinge, andererseits dient es als eine genetische Bank, die zur Rettung von Berghexe, Tagpfauenauge und anderen Schmetterlingen beitragen kann.