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Artenvielfalt - eine Chance im Kampf gegen Hunger und Armut

Ende September, wenn der Monsunregen über Maharashtra allmählich abnimmt, leuchtet die Landschaft des südwestindischen Bundesstaates in sattem Grün. Der Reis wächst gut, ebenso Hirse, Bohnen und Erdnüsse. Ein paar Monate später dominieren hier Brauntöne. Berghänge, weite Täler und Hochebenen sind verdorrt.

Von Yvonne Mabille | 23.10.2004
    Gut, wenn dann für die tägliche Versorgung ein Küchengarten in der Nähe des Hauses existiert. Noch besser, wenn auch Bäume in diesem Garten stehen: Denn Fülle und Vielfalt an Früchten und Gemüse sorgen für gesicherte und abwechslungsreiche Mahlzeiten. So wie jener waldähnliche Küchengarten, den Vivek Gour-Bromme vor Jahren hinter seinem Haus angelegt hat - weit weg von der Straße, die Poona mit Bombay verbindet.

    Auf diesem Fleck stehen etwas empfindlichere Bäume, die man etwas mehr pflegen muss. Darum stehen sie dicht beieinander. Die Bäume, die hier wachsen, brauchen alle etwas Schatten und Schutz. Sie stehen nicht gern frei, weil es Waldbäume sind. Das da ist Avocado, das hier ist Kalipatha, zum Würzen der Speisen. Das hier ist Lychee.

    Außerdem stehen hier: Mangobäume und Kokospalmen, meterhohe Papayastauden und Kletterpflanzen wie Yam, deren Knollen sehr nahrhaft und gesund sind. Die ganze Palette wilder und kultivierter Pflanzen und Bäume zu nutzen, ist für Vivek nicht nur für den eigenen Bedarf eine Freude. Der Botaniker hat jahrelang die Flora und Fauna in Maharashtra erforscht. Maharashtras diverse Ökosysteme gehören weltweit zu den Schatzkammern biologischer Vielfalt.

    Seit kurzem koordiniert Vivek bei der indischen Graswurzelorganisation "Rural Communes" das Programm zur nachhaltigen Nutzung von Medizinalpflanzen. Die Organisation, deren Name soviel wie "Gemeinsam bewirtschaftetes Land" bedeutet, hat schon international Furore gemacht. Für ihre erfolgreiche Armutsbekämpfung erhielt sie vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen – kurz UNDP- den
    Äquatorpreis.

    Hunderte von Bauernfamilien hat die Organisation beraten bei der Anlage von waldähnlichen Küchengärten - Forest-Homegarden wie sie auf englisch heißen - und bei der Beschaffung des nötigen Pflanzmaterials unterstützt. Solche Gärten decken einen Großteil des täglichen Bedarfs - an Lebensmitteln, Gewürz- und Arzneipflanzen bis hin zu kleinen Mengen von Brenn- und Baumaterialien. Nach dem Prinzip: Je mehr Autonomie, desto besser.

    Das gilt auch für Krishna More, der vor Jahren von der Regierung aus dem Süden Maharashtras umgesiedelt wurde ins Amba Valley - nicht weit von Mumbai wie Bombay heute offiziell heißt. Die Familie musste einem der vielen großen indischen Dammbauten weichen.

    In Marathi, der offiziellen Sprache von Maharashtra, erzählt der Farmer, wie die "Communes" ihm geholfen hat. Elf verschiedene Früchte tragende Bäume hat er in den letzten Jahren gepflanzt. Insgesamt wachsen in seinem Garten 80 verschiedene Pflanzenarten. Immer wieder nimmt der Farmer neue dazu.

    Auch auf seinen Feldern hat sich Krishna More für die Vielfalt entschieden. Er baut nicht nur mehrere Reissorten an, sondern auch verschiedene Hirsen, Bohnen und Erdnüsse. Was er nicht für den eigenen Bedarf braucht, kommt auf den lokalen Markt.
    In vielen Regionen Indiens besinnen sich Bäuerinnen und Bauern auf die Qualitäten traditionell angebauter Sorten. Zahllose Initiativen haben begonnen, die alten Sorten zu sammeln, im Anbau zu halten und so vor dem endgültigen Verlust zu bewahren.

    Vielfalt statt Monokulturen - das ist längst auch die Devise vieler staatlicher und nicht-staatlicher Entwicklungsorganisationen. Biologische Vielfalt - ob selbst angebaut oder wild geerntet – gilt als ein Eckpfeiler im Kampf gegen den Hunger. So wird die Arbeit von "Rural Communes" auch vom katholischen Hilfswerk Misereor unterstützt. Anja Mertineit resümiert die Gründe:

    Je mehr unterschiedliche Pflanzen, die Menschen nutzen können, desto sicherer ist eben auch, dass die Familie ganzjährig zu essen hat. Das bezieht sich sowohl auf die Bauern, die auf den Feldern nicht nur Reis anbauen, sondern ganz viele unterschiedliche Pflanzen und so auch zu unterschiedlichen Zeiten im Jahr was zu essen haben. Als aber auch für die Ureinwohner und Ureinwohnerinnen, die nicht nur von der Landwirtschaft leben, sondern oft traditionell auch Sammler und Jäger sind. Das ist eben der ganz wichtige Gegensatz zu einer ganz intensiven Landwirtschaftsform, die vor allen Dingen auf Hybridsaatgut und vielleicht irgendwann auch noch gentechnisch verändertem Reis in der Region aufbaut. Weil da müssen die Bauern und Bäuerinnen alles zukaufen für viel Geld. Während sie bei der Nutzung ihrer eigenen Biodiversität überhaupt nicht mehr darauf angewiesen sind.

    Was verstehen wir unter biologischer Vielfalt oder Biodiversität?

    Da ist zum einen die Vielfalt der Arten von Pflanzen und Tieren, der wildlebenden wie der landwirtschaftlich genutzten. Rund 1,4 Millionen Pflanzen- und Tierarten sind bis heute wissenschaftlich identifiziert. Dann die Vielfalt
    innerhalb der Arten: die unterschiedlichen Rassen und Pflanzensorten und – auf einer weiteren Ebene - die individuellen Genkombinationen der einzelnen Lebewesen. Ferner gehören zur Vielfalt die Ökosysteme, in denen sie leben – Wälder, Wiesen, Wüsten, Meere.

    Die Welternährungsorganisation – kurz FAO – unterstreicht, wie zerstörerisch sich menschliche Eingriffe auf dieses komplexe Gefüge auswirken: Alle Komponenten der Vielfalt sind voneinander abhängig und durch Geburt und Tod, Werden und Vergehen miteinander verbunden. In diesem lebendigen Mosaik ist der Mensch nur ein Steinchen. Aber er übt zunehmend Druck auf Arten und Umwelt aus. Durch Abholzen der Wälder und Trockenlegen von Feuchtgebieten, durch Umweltverschmutzung und explodierende Städte gehen immer mehr Habitate verloren.

    Nach FAO-Schätzungen sind rund Dreiviertel der genetischen Vielfalt an landwirtschaftlichen Nutzpflanzen im letzten Jahrhundert verloren gegangen. Von 6300 Tierrassen sind nahezu ein Viertel ausgestorben oder vom Aussterben bedroht; Beispiel: Indien.

    Der Subkontinent in der Mitte zwischen Afrika und Asien gehört zu den vielfaltreichsten Regionen der Welt. 200 verschiedene Typen von Wald kannte Indien, die Hälfte davon ging im letzten Jahrhundert verloren. Generationen indischer Viehhalter züchteten 20 verschiedene Ziegenrassen, angepasst an unterschiedlichste Lebensbedingungen: Die Hälfte der Rassen ist vom Aussterben bedroht. Von den 40 indischen Schafrassen ist ein Drittel in Gefahr zu verschwinden und die knapp 20 Geflügelrassen könnten schon bald allesamt verloren sein.
    Auf den Feldern grassiert Monotonie. Ein Ergebnis der industrialisierten Landwirtschaft, die mit Hochleistungsrassen und Hochertragssorten stupide auf Quantität fixiert ist. Die FAO hat sich selbst jahrzehntelang daran beteiligt, diese Wirtschaftsweise mit ihren Monokulturen, Pestiziden und synthetischen Düngemitteln auf der Südhalbkugel zu verbreiten.

    Der Erhalt von Pflanzen und Tieren in Genbanken, Zoos und Botanischen Gärten ist wichtig. Aber ebenso wichtig ist es, die Vielfalt auf den Farmen und in der Natur zu erhalten, wo sie sich an veränderte Umweltbedingungen anpassen und in Konkurrenz mit anderen Arten weiterentwickeln kann.

    Bald zwei Jahrzehnte steht das Thema "bedrohte Vielfalt" oder "Erosion der Gene" auf der Agenda des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. In den Anfängen lag das Hauptaugenmerk auf der Förderung von Genbanken - wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, in denen Pflanzen kühl gelagert, durch regelmäßige Aussaat am Leben gehalten und wissenschaftlich ausgewertet werden. Alles in allem ein kostspieliger Rettungsversuch und sehr weit entfernt von Äckern und Gemüsebeeten. Die Sorten entwickeln sich nicht weiter, sie werden buchstäblich konserviert, sagt Annette von Lossau von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit:

    Deswegen hat man als Alternative und als Zusatz den Schutz der genetischen Vielfalt auf den Feldern mit den Bauern selber stärker gefördert. Das ist kostengünstiger. Da haben die Bauern die Möglichkeit, auch die Züchtung mitzugestalten beziehungsweise selber zu machen, so dass die Züchtung von den Pflanzen ihren Ansprüchen entspricht.

    Die gtz fördert auf der Südhalbkugel Strategien zur Erhaltung landwirtschaftlich genutzter Vielfalt. Schwerpunktregionen sind das südliche Afrika und Lateinamerika. Für arme Bevölkerungsschichten kann eine breite Palette von Wild- und Kulturpflanzen überlebenswichtig sein. Kleinbauern, Landlose und Hirtenvölker leben oft in Regionen, in denen schwierige ökologische Bedingungen herrschen - schlechte Böden, trockenes oder halbtrockenes Klima ohne ausreichende Regenfälle.
    In diesen Regionen sind die Bäuerinnen, die Bauern und die Viehhalter ganz besonders abhängig von genetischen Ressourcen, das heißt von Pflanzen und Tieren, die besonders angepasst sind an die Region. Sind diese Ressourcen nicht mehr vorhanden, diese Pflanzen und Tiere, so sind sie nicht in der Lage diese Gegenden zu bewirtschaften und müssen abwandern in Großstädte, müssen die Region verlassen. Gleichzeitig haben wir auch festgestellt, dass die Produktion mit diesen spezialisierten genetischen Ressourcen, mit diesen spezialisierten Pflanzen und Tieren sehr häufig verbunden ist auch mit einer hohen kulturellen Vielfalt und sehr viel Wissen. Und dieses Wissen und diese kulturelle Vielfalt, da möchten wir auch einen Beitrag leisten, um diese zu erhalten.

    Indiens Regierung hat buchstäblich Alarm geschlagen, um den rapiden Verlust von unschätzbarem Wissen aufzuhalten. Die traditionellen Bewohner der Wälder, Steppen und Berge – eine Vielzahl unterschiedlichster Ethnien - haben in Jahrhunderte langer Nutzung der natürlichen Ressourcen ein riesiges Wissen erworben. Während etwa das Heilwissen von Ayurveda schriftlich festgehalten ist, hat sich der Wissensschatz in diesen traditionellen Gemeinschaften mündlich bewahrt. Mündlich wurde er von Generation zu Generation weitergegeben und sicherte das Überleben. Die heutige junge Generation schätzt dieses Wissen gering. Vivek Gour-Bromme:

    Die junge Generation hat keine Wertschätzung für die Lebensweise ihrer Vorfahren. Sie sagen: Warum esst ihr das? Das ist nicht gut, wir sollten Weizen essen. Warum esst ihr es so? Das sollte abgepackt sein.

    Inzwischen hat Indien sich ein Vielfalts-Gesetz gegeben: Jetzt soll aufgeschrieben werden, was noch lebendig ist. Kritiker bemängeln, dass die Rolle der Dorfgemeinschaften an Erwerb und Bewahren des Wissens im Gesetz nicht berücksichtigt wird.

    Andererseits kann eine nachweislich bekannte Pflanzeneigenschaft nicht mehr patentiert werden – sie ist dann nicht mehr neu, wie es für eine Patenterteilung vorausgesetzt wird. Auch der Botaniker Vivek Gour-Broome von "Rural Communes" hat zusammen mit der Bevölkerung von Amba Valley ein solches Register erstellt. Die penible Studie dokumentiert über 300 kultivierte und wilde Pflanzen sowie Tiere, die von den Bewohnern des Tals genutzt werden: Die wissenschaftlichen und die lokalen Namen, wie sie zubereitet, aber auch wie sie geerntet, gejagt oder gefischt werden.

    Dieses Register sei Eigentum der Bevölkerung - betont Vivek Gour-Broome.
    Damit soll der Biopiraterie ein Riegel vorgeschoben werden. Wer Pflanzen aus dem Tal holt, um sie kommerziell zu nutzen, muss vorher die Erlaubnis einholen. Ob das funktioniert, ist höchst ungewiss.

    Also, jetzt reden wir über Konzerne und Patente…Das Problem ist, Konzerne haben viel Geld. O.k. Auch wenn man eine noch so gute Idee hat - Geld kann die Dinge verändern. Sie wissen, wie das ist. Das sind die Tatsachen. Bis jetzt halten sich die Menschen daran, sie nutzen die Medizin, sie nutzen Pflanzen auf ihre eigene Weise. Aber sie halten das nicht für sehr wichtig. Sie sind nicht stolz auf das, was sie tun. Sie machen es, aber ohne Stolz. Wenn der erst einmal da ist, dann wird es leichter, Menschen von draußen aufzuhalten.

    Wie unverfroren Konzerne Patente auf Pflanzeneigenschaften beantragen, die sie vorgeben entdeckt zu haben, obwohl es sich um uraltes Wissen traditioneller Gemeinschaften handelt, ist bekannt. Solche Patente mussten auch schon zurückgegeben werden – nach langwierigen Prozessen.

    Die Gentechnik ist das eine, die Monokultur das andere. Aber eine Landwirtschaft, die Vielfalt vielfältig nutzt, ist der Weg aus Armut und Hunger, wie die Erfahrung zeigt. Ganz sicher für einen Großteil der 840 Millionen Menschen, die weltweit hungern. Man muss sich nur die Komplexität dieser Wirtschaftsweise vor Augen halten:

    Gemischtanbau schafft mehr Nahrungssicherheit: Irgendetwas kann immer geerntet und zubereitet werden und bringt mehr Abwechslung im Speiseplan. Das sichert ausgewogene Nährstoffzufuhr, also bessere Gesundheit. Vielfalt bedeutet Risikominderung: Bei Ernteausfall ist nicht alles verloren. Verschiedene Pflanzen liefern abwechslungsreiches Viehfutter und sind besser für Erhalt der Bodenfruchtbarkeit: Die einen entziehen Nährstoffe, die andern tragen welche bei. Wenn nicht alle Kulturen zur gleichen Zeit reif sind und geerntet werden müssen, lässt sich die Arbeitskraft besser einteilen.

    Aber der
    mainstream propagiert das ganz Andere – die Spezialisierung. Eine Kultur wird in größtmöglichen Mengen so billig wie möglich erzeugt. Vom Erlös soll alles finanziert werden, was zum Leben gebraucht wird. Kleinbauern können im weltweiten Wettbewerb nicht mithalten.

    Das Problem ist diese ganze Sache mit dem Verkaufen, dass die Menschen auf jeden Fall verkaufen müssen, ihre Produkte am Markt loswerden müssen – diese Markt-Ökonomie, die Globalisierung. Wir versuchen den Menschen bewusst zu machen, wie wichtig die traditionellen Gemüse, die Wildgemüse, die traditionellen Sorten sind. Wenn sie das begreifen, ist das schon ein wichtiger Schritt.

    Der traditionelle Gemischtanbau der Tropen und Subtropen, den die Kolonialherren mit ihrer Plantagenwirtschaft sukzessive verdrängten, rechnet sich durchaus:

    Also, in dem Dorf haben die Menschen verschiedene Sorten von Wildgemüse gegessen. In Indien sind Gemüse ziemlich teuer. In dem Gebiet sammeln die Menschen wilde Gemüse im Wald. Wir haben ausgerechnet, dass ungefähr jede Familie 6000 Rupies im Jahr spart – einfach weil sie Wildgemüse aus dem Wald essen. 6000 gesparte Rupies sind 6000 verdiente Rupies. Die können für andere Zwecke ausgegeben werden.

    Wenn die Menschen keinen Zugang mehr zu den traditionellen Nahrungsquellen haben, wirkt sich das sofort gravierend auf ihre Ernährungssituation aus. Wenn zum Beispiel Flüsse, Küstenstreifen oder andere Gewässer verschmutzen und keine Fische mehr gefangen werden können. Die Bewohner von Amba Valley haben noch ihren sauberen Fluss. Gour-Broome:

    Ihre einzige Proteinquelle sind Krabben und Fisch. In der Gegend dort essen sie ein um den anderen Tag Krabben oder Fisch – die sie selber gefangen haben oder mit andern Menschen tauschen. Das ist typisch für die Gegend dort. Das ist der Grund, weshalb es dort keine Unterernährung gibt. Wenn sie keine Krabben und Fisch mehr essen, kommt es dort zu einer gewaltigen Unterernährung.

    Und wie sieht es in Europa aus? Die EU-Erweiterung erzwingt in den neuen Mitgliedsländern die Anpassung an westeuropäische Standards, die nur mit intensiven Produktionssystemen zu erreichen sind. Wo auf kleineren Flächen noch bewährte Vielfalt die sozialistische Kolchosenwirtschaft überlebt hat, wird nun mit Sicherheit ganz entschieden durchgegriffen: Die FAO, die Buch führt über die schwindende Artenvielfalt, wird weitere Verluste zu vermelden haben – zum Beispiel in Polen. Dabei ist längst unbestreitbar, dass die intensive industrialisierte Produktion nicht nachhaltig ist. Im Frühjahr 2004, bei einer Tagung zum Thema Vielfalt und nachhaltige Züchtung in Berlin konstatierte der Referatsleiter für Biologische Vielfalt und genetische Ressourcen beim Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Wilbert Himmighofen:

    Wir haben einen wahnsinnig hohen Intensitätsgrad erreicht, hohen Leistungsstand. Aber, das war nur möglich bei geschützten Märkten und durch wahnsinnigen Aufwand von Ertrag steigernden, sichernden Hilfsmitteln, Technik, also Kapital, Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, Tiergesundheit und so weiter. Das hat externe Effekte gehabt, die wir zu wenig berücksichtigt haben. Wir haben unsere Agrarökosysteme entleert, ausgeräumt. Wir haben auch die natürlichen Ökosysteme beeinträchtigt und ich glaube, das ist allen klar: das ist nicht nachhaltig.

    Ist es allen klar? Die Schäden sind nicht mehr zu übersehen: Pestizidbelastetes Grundwasser und erodierende Böden. Überlebenswichtige natürliche Prozesse funktionieren nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr. Die Regeneration der Böden durch Mikroorganismen zum Beispiel. Oder die Bestäubung der Blüten durch Insekten - alles Teil des komplexen Vielfaltgefüges.

    Trotzdem ändert sich die Richtung nicht grundsätzlich. Vielfalt und Wissen gehen weiter verloren - zumal im Zeitalter von Bio- und Gentechnik. Gerade auch auf der Nordhalbkugel. Bei der gleichen Tagung sagte Anita Idel vom deutschen Forschungsinstitut für Biologische Landwirtschaft in Berlin:

    Es gibt Verlust auf diversen Ebenen. Natürlich die immer mehr zurückgehende Zahl von Rassen, aber auch im Zusammenhang mit der Inzuchtproblematik ein immer größeres Zurückgehen der Variabilität innerhalb der Rassen. Wichtig der Faktor Mensch, das zurückgehende Erfahrungswissen. Immer weniger Menschen sind an diesen Zuchtprozessen beteiligt und ein weiterer Aspekt für die Einschränkung von Möglichkeiten zur Eigeninitiative über das rapide gesunkene Erfahrungswissen hinaus sind die Eigentumsverhältnisse, die eben die Nutzung einschränken -

    - wenn isolierte Gene patentfähig sind und es Monopolrechte an lebendiger Materie gibt.