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Artenvielfalt wozu?

Einen Tag vor Beginn der UN-Naturschutzkonferenz geht es um den Wert der Artenvielfalt für den Menschen. Die Repräsentanten von rund 190 Staaten wollen in Bonn zwei Wochen lang über bedrohte Fledermäuse, überfischte Sardinenbestände und abgeholzte Wälder verhandeln. Das Ziel: verbindliche internationale Vereinbarungen, um das Aussterben vieler Tier- und Pflanzenarten zu verhindern.

Von Georg Ehring und Jule Reimer | 18.05.2008
    Die Störche sind zurück in der Region rund um Bonn. Achim Baumgartner vom Bund für Umwelt- und Naturschutz - BUND - sichtet seit einigen Jahren immer wieder Paare auf der Suche nach Brutmöglichkeiten.

    Achim Baumgartner: "So´n Weißstorch-Brutpaar braucht pro Tag 25 Kilo Nahrung, die muss man erst ´mal zusammenkriegen. Dazu kommt, dass die Fläche ´ne bestimmte Struktur haben muss, also, es ist ´ne Art, die Grünland benötigt im Wesentlichen, einzelne Ackerflächen sind aber durchaus förderlich."

    Für die Artenvielfalt rund um Bonn ist das Auftauchen von Weißstörchen ein gutes Zeichen. Denn die großen Vögel kommen nur, wenn auch das Umfeld stimmt: feuchte Wiesen, die von Fröschen und anderem Getier bewohnt werden, von denen sich die Störche ernähren. Doch richtig heimisch geworden sind sie noch nicht in der Region. Dabei wird in Bonn in den nächsten zwei Wochen der Schutz der Vielfalt bei Pflanzen, Tieren und ihren Lebensräumen ganz groß geschrieben. Die Vereinten Nationen laden dort zur UN-Naturschutzkonferenz ein. Rund 5000 Delegierte aus 190 Staaten haben sich zur 9. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Biodiversitätskonvention angesagt. Achim Baumgartner hofft, dass das internationale Treffen auch zu einem Bewusstseinswandel hierzulande beiträgt:

    "Die Störche sind jetzt quasi in Wartestellung, sie sind da seit vier Jahren, auch im Sommer, brüten aber noch nicht, brauchen also noch weitere Verbesserungen, um das dann so attraktiv zu finden, dass sie dann genügend Nahrung finden, um auch ´ne Brut zu beginnen. Und bei den Kommunen merkt man schon, dass da jetzt nicht die Bereitschaft ist, noch ´mal nachzulegen. Also im Gegenteil: In den Gebieten, wo jetzt schon Weißstörche auf Nahrungssuche sind, sind trotzdem Baugebiete geplant."

    Wohnungsbau, neue Gewerbegebiete und Straßen, Sportplätze und Erholungsräume für die Menschen sind den Verantwortlichen rund um Bonn häufig wichtiger als intakte Naturräume - ganz wie in anderen Regionen der Welt.

    Deutschland hält sich zu Gute, ein besonders ambitioniertes Programm zum Schutz der Natur zu verfolgen. Doch das Artensterben ist hier allenfalls gebremst und noch lange nicht gestoppt worden. Weltweit sterben Tier- und Pflanzenarten mit einem Tempo aus, wie es das noch nie in der Erdgeschichte gegeben hat. Überall sind die Naturräume betroffen – in Industriestaaten wie in Entwicklungsländern, Wälder genauso wie Wüsten oder Weltmeere, Ackerflächen wie Steppen. Die Meere erforscht Professor Reinhold Leinfelder, der Leiter des Naturkundemuseums in Berlin:

    "Dort sind schon weit über 60 Prozent der Korallenriffe extrem geschädigt, in der Karibik sogar schon 80 Prozent. Man hat einen Schwund der noch einigermaßen gesunden Korallenriffe von mindestens einem Prozent pro Jahr, man kann sich also ausrechnen, wie schnell dann auch diese noch einigermaßen gesunden Korallenriffe verschwunden sein werden."

    Den Riffen setzen Massentourismus und Fischfang, Verschmutzung und die Übersäuerung der Meere durch den Klimawandel zu. Auch an Land ist der Mensch der Verursacher des Artensterbens: Urwälder werden zerstört, um Holz und Ackerflächen für die Produktion von Soja und Palmöl zu gewinnen; manche Tiere werden so intensiv bejagt, dass sie aussterben. Naturlandschaften müssen für Siedlungsgebiete oder Ackerflächen weichen. Gerade in der Landwirtschaft hat sich die Artenvielfalt drastisch reduziert, sagt Professor Karl Hammer von der Universität Kassel:

    "Von den zu Beginn des vorigen Jahrhunderts vorhandenen vielleicht 7000 Pflanzenarten, die der Mensch bewusst angebaut hat, haben heute bestenfalls noch 1000 eine größere Bedeutung, 100 ernähren die Menschheit insgesamt und es gibt vielleicht noch sieben Säulen, also sieben Arten, die die Menschheit wirklich füttern, also ernähren."

    Dass Pflanzen oder Tiere aussterben, ist Teil der Evolution, doch der Mensch hat diese natürliche Entwicklung enorm beschleunigt. Ahmed Djoglaf ist der Generalsekretär der UN-Biodiversitätskonvention – englisch abgekürzt: CBD -, die die Völkergemeinschaft auf der Weltumweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 beschlossen hat.

    Ahmed Djoglaf: "Die Millenniums-Studie über das weltweite Ökosystem, die 1395 Experten aus 95 Ländern verfasst haben, hat klar gezeigt, dass die Zerstörung der Artenvielfalt noch niemals in der Geschichte der Menschheit so groß war.” "

    Die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung gehört zu den wichtigsten Ursachen für das Artensterben. Beate Jessel, die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz:

    " "Es gibt ja Prognosen des IPCC, des International Panel for Climate Change, die besagen, dass bereits bei Temperaturänderungen von 1,5 bis 2,5 Grad Celsius weltweit zwischen 20 und 30 Prozent der Arten massiv gefährdet sein, wenn nicht gar vom Aussterben bedroht sein könnten."

    In Bonn wollen die 5000 Teilnehmer der UN-Naturschutzkonferenz in den kommenden zwei Wochen nach Auswegen aus dem Artenschwund suchen. Gastgeber ist Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und er versucht seit Monaten, die Öffentlichkeit für das Thema zu interessieren - mit Medienkampagnen, Plakaten und der Musikgruppe "Höhner", die eigens ein Lied für die Biologische Vielfalt geschrieben hat.

    Aber der von den deutschen Gastgebern ausgewählte Name "UN-Naturschutzkonferenz" greift viel zu kurz. In Bonn wird es um weit umfassendere, knallharte wirtschaftliche Interessen gehen. Während viele Staaten die Nutzung der Natur möglichst wenig reglementieren wollen, um mehr aus ihr herauszuholen, befürchten andere, dass ihre Übernutzung letztlich auf den Menschen zurückschlägt. Umweltminister Sigmar Gabriel:

    "Wenn wir so weitermachen mit der internationalen Fischerei, dann wird es zur Mitte des Jahrhunderts, vielleicht auch schon wesentlich früher, keine, ich wiederhole: keine Fischbestände auf der Welt mehr geben, bei denen sich der kommerzielle Fischfang lohnt. Sie können sich mal vorstellen, was das für die Welternährungssituation für Folgen hat."

    Naturschutz ist teuer, allerdings nicht so teuer wie eine fortgesetzte Zerstörung der Natur die Menschheit letztlich käme. In Bezug auf den Klimaschutz hat der ehemalige Chefvolkswirt der Weltbank, Nicholas Stern, mit einem umfangreichen Bericht über die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass Nichthandeln künftig viel höhere Kosten verursachen würde als ein entschlossener, sofortiger Klimaschutz. Sigmar Gabriel:

    " "Wir versuchen exakt das gleiche auch im Bereich der biologischen Vielfalt voranzutreiben. Wir brauchen eine Bewertung, was das unsere Kinder und Enkelkinder kosten wird, wenn wir so weiter machen und wir brauchen auch ein internationales Gremium, das kontinuierlich die Entwicklung der Artenvielfalt beobachtet und auch bewertet."

    Dabei ist das Wissen um den Wert der Natur keineswegs neu. Bereits 1992 verpflichtete sich die Weltgemeinschaft beim Erdgipfel in Rio de Janeiro, das Artensterben bis zum Jahr 2010 wenigstens zu bremsen und für eine nachhaltige Nutzung der Natur zu sorgen. Dabei führte die Biodiversitätskonvention eine wichtige Neuerung ein: Die Vorteile, die sich aus dieser Nutzung ergeben, sollen gerecht aufgeteilt werden, erläutert Martin Kaiser von der Umweltorganisation Greenpeace:

    " Die Konvention ruht auf drei Säulen. Das eine ist der Schutz der Urwälder, der Schutz der Meere. Die zweite Säule ist eine nachhaltige Nutzung. Wie kann man die Natur nutzen, ohne sie zu zerstören. Und die dritte ist, was eigentlich die Leute vor Ort in den Urwäldern davon haben, wenn ein Unternehmen mit den Naturressourcen großen Profit macht." "
    Geschehen ist seither jedoch nicht viel. Auch deshalb sind die Erwartungen an den Bonner UN-Gipfel hoch. Dafür sorgt auch die weltweite Aufmerksamkeit für den Klimaschutz, ein Problem, das eng mit dem Verlust an Artenvielfalt zusammenhängt.

    Besonders deutlich wird das beim Schutz von Wäldern. Sie speichern enorme Mengen an Kohlendioxid und spielen deshalb eine wichtige Rolle im Klimaschutz. Gleichzeitig zeichnen sich insbesondere die tropischen Wälder durch eine ungeheure Vielfalt an Pflanzen und Tieren aus.

    Die Einrichtung von Waldschutzgebieten gehört auf der kommenden UN-Konferenz zu den umstrittensten Themen. Schon 1992 scheiterte auf dem Erdgipfel von Rio der Versuch, eine Waldkonvention zu verabschieden, am Widerstand der Entwicklungsländer. Seither gingen nach Angaben der Weltlandwirtschaftsorganisation FAO rund 140 Millionen Hektar verloren – eine Fläche vier Mal so groß wie Deutschland – vorwiegend Urwälder und naturnahe Wälder in den Tropen.

    Brasilien herrscht über den größten Teil des Amazonas-Regenwaldes und ist bis heute ein entschiedener Gegner internationaler Waldschutzvereinbarungen. Fernanda Carvalho vom brasilianischen Umweltministerium:

    "Das ist ein heikles Thema, unter anderem weil in Rio 1992 nur die tropischen Wälder unter Schutz gestellt werden sollten. Deshalb hat Brasilien die Position vertreten, dass wir uns nicht auf Verpflichtungen einlassen, die nicht für alle gelten. Für uns ist das außerdem eine Frage der nationalen Souveränität."

    Um die Verfügungsrechte über den Wald streiten allerdings auch innerhalb Brasiliens, im Kongo oder in Indonesien die verschiedenen Interessengruppen. Soja und Palmöl bringen auch für den Staat wichtige Devisen – und das Geschäft machen vor allem große Agrarunternehmer: alteingesessene Großgrundbesitzer oder international aufgestellte Agrarkonzerne. Das Sammeln des Kautschuks dagegen – ein Beispiel für die nachhaltige Nutzung des Regenwaldes – ist ein mühseliges Geschäft, das die kleinen Leute in der Amazonasregion ernährt.

    Für Dorfgemeinschaften und Kleinbauern in Entwicklungsländern ist eine intakte Natur die Lebensgrundlage schlechthin. Honoré Nkotto Ndoumbé hat als Vertreter der kamerunischen Nichtregierungsorganisation FOCARFE den Bau einer Ölpipeline vom Tschad nach Kamerun begleitet:

    "Beim Bau der Pipeline wurden Waldgebiete zerstört, Flüsse verschmutzt, die Erosion zerstörte Straßen, Tiere wurden gestört und vertrieben. Die Erdölkonzerne wollten anfangs nur für die angebauten Pflanzen auf den Äckern der Kleinbauern eine Entschädigung zahlen. Alle Waldfrüchte, die zerstörten Bäume hatten sie nicht einkalkuliert, mit der Begründung, dass der Wald dem Staat gehöre. Aber wo der Wald zerstört wurde, wurden auch wichtige Lebensgrundlagen zerstört – die Leute leben von den Waldfrüchten, von dem Holz."

    Seriöse Forschungsinstitute aus aller Welt befürchten, dass die Klimaerwärmung diese Zerstörung deutlich verstärken wird, so dass der riesige Amazonaswald teilweise ausgetrocknet, wenn nicht sogar zur vergleichsweise unwirtlichen Savanne wird.

    Doch obwohl Brasilien absehbar durch den Klimawandel direkten Schaden erleiden wird, bleibt die brasilianische Regierung beim Thema Waldschutz bislang beinhart. Fernanda Carvalho vom brasilianischen Umweltministerium:

    "Unsere Position in Sachen Wäldern basiert auf der in der UN-Klimarahmenkonvention festgehaltenen "gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung". Die Hauptverantwortung für die Reduzierung der CO2-Emissionen liegt bei den Hauptverursachern, den Industrieländern. Aber da in Brasilien 70 Prozent aller Emissionen aus der Rodung der Wälder stammt, werden wir freiwillig die Entwaldung eindämmen, aber wir werden keine internationalen Verpflichtungen eingehen. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich diese Diskussion weiter entwickelt und die Hilfe der Internationalen Gemeinschaft ist willkommen."

    Genau um diese Hilfe wird auf der "UN-Naturschutzkonferenz" gerungen. Die Idee "Schützen durch nachhaltiges Nutzen" findet auch in der brasilianischen Regierung Anhänger: Die Frage ist nur, wer das bezahlt. Almir Suruí vom Dachverband der brasilianischen Indigenen Amazonas-Völker COIAB glaubt nicht, dass seinem Volk durch den Verzicht auf eine solche Nutzung die Entwicklung verwehrt würde:

    "Uns Indigenen ist bewusst, dass unser Leben Teil des Lebens des Waldes ist, deshalb schützen wir ihn. Aber wir möchten, dass die Europäer, dass diejenigen, die ihre eigenen Wälder in der Vergangenheit zerstört haben, uns dabei helfen."

    Hilfe aus den Industriestaaten sieht ein Vorschlag vor, den die deutsche Bundesregierung bei der UN-Konferenz in Bonn auf die Tagesordnung bringen will. Jochen Flasbarth, für Naturschutz zuständiger Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium:

    "Unser Vorschlag ist, dass wir eine Liste von Kandidaten für Schutzgebiete weltweit einrichten. Hier können Vertragsstaaten der Konvention über biologische Vielfalt dann Gebiete anmelden, die sie bereit wären zu schützen, bei denen es aber an Mitteln und an Ressourcen mangelt. Gleichzeitig wollen wir eine Initiative starten, dass solche Staaten, die über genügend Geldmöglichkeiten verfügen, diese Entwicklungsländer unterstützen beim Aufbau solcher Schutzgebiete."

    Ein relativ unverbindliches Konzept auf freiwilliger Basis, das zudem keine Standards dafür festlegt, was ein Schutzgebiet ausmacht. Gerade darin sieht Flasbarth eine Stärke des Vorschlags: Geldgeber würden nicht in Schutzgebiete investieren, die nur auf dem Papier existieren, ohne die Umwelt zu schützen.

    Umweltexperten werben damit, dass sich mittelfristig ein Erhalt der Regenwälder auch ökonomisch selbst gegenüber Bergbau- und Agrarprojekten rechnet. Gerade in der chemischen und der pharmazeutischen Industrie werden viele Rohstoffe aus der Natur eingesetzt. Besonders interessant: die genetischen Ressourcen, die in den Pflanzen und Tieren schlummern, die die artenreichen Entwicklungsländer besiedeln. Internationale Konzerne suchen dort intensiv nach nutzbaren Substanzen - zum Beispiel auf den Philippinen. Joji Carino arbeitet dort für eine politische Interessenvertretung indigener Völker:

    "Ausländische Wissenschaftler haben auf entlegenen Inseln der Philippinen ganze Säcke voll mit Fischen, Muscheln und anderen Meeresorganismen gesammelt und außer Landes gebracht – ohne die Erlaubnis der philippinischen Regierung einzuholen. Dabei gibt es auf den Philippinen ein Gesetz, das den Zugang zu diesen Ressourcen und den Nutzungsausgleich streng reglementiert, doch sie haben dieses Gesetz einfach umgangen."
    Welche Erkenntnisse die Forscher auf den Philippinen gewannen und welche Profite sie damit machen konnten, haben die Menschen dort bis heute nicht erfahren. Internationale Unternehmen nutzen ihr so gewonnenes Wissen meist lieber alleine.

    So machte sich ein britisches Pharmaunternehmen das Wissen des San-Volkes zu nutze. Die San leben verstreut über Angola, Botswana, Namibia und Südafrika und nutzen traditionell einen Wirkstoff der Hoodia-Pflanze, um das Hungergefühl zu unterdrücken. Das britische Pharmaunternehmen entwickelte daraus einen Appetitzügler, den es erfolgreich vermarktet. Erst nach einer juristischen Auseinandersetzung gelang es den San, eine gewisse Beteiligung an den Profiten daraus zu erstreiten. Andere Unternehmen vertreiben übrigens weiterhin Hoodia-Extrakt-Produkte - ohne die San zu beteiligen.

    In modernen Industriestaaten sind Patente ein übliches Mittel, um Produkte vor unberechtigter Vermarktung zu schützen. Wie Inhaber von traditionellem Wissen mit vergleichbaren Mechanismen geschützt werden können, ist ein Thema der Bonner Konferenz.

    Doch ausgerechnet für diesen "gerechten Vorteilsausgleich" fehlen in der ansonsten völkerrechtlich verbindlichen Biodiversitätskonvention bislang noch klare Regeln. Die brasilianische Regierung hat aus der bisherigen Verweigerungshaltung der meisten Industriestaaten ihre Konsequenzen gezogen: Der Export von genetischen Ressourcen ist jetzt strikt verboten. Vom Artenreichtum als Erbe der Menschheit will Brasiliens Regierung nichts hören, solange der Vorteilsausgleich nicht verbindlich geregelt ist.

    Dabei stehen die Grundlagen für solche Vorschriften zur Gewinnbeteiligung bereits in der Biodiversitätskonvention. Michael Frein vom Evangelischen Entwicklungsdienst:

    "Das heißt in gutem Deutsch: Sie gehen dahin und sagen als potenzieller Nutzer: Ich möchte diese Pflanze gerne nutzen, und Sie tun das bevor Sie sie nutzen, weil Sie ja gerne die Erlaubnis zur Nutzung möchten. Und Sie sagen auch, wozu Sie diese Pflanze nutzen möchten, das ist die informierte Zustimmung."

    Aber es fehlen bislang Sanktionen, wenn Unternehmen genetisches Material an sich nehmen und nach ihrem Gutdünken verwerten – auch im europäischen und im weltweiten Patentrecht. Dies müsse sich ändern, fordern umwelt- und entwicklungspolitische Organisationen. Michael Frein:

    "Da müssen klare Regeln her, die die Nutzer in Nutzerstaaten dazu zwingen, auch die Regeln der Konvention einzuhalten."
    Von Fortschritten auf diesem Gebiet wird die Bereitschaft vieler Entwicklungsländer abhängen, Einschränkungen ihrer Nationalen Souveränität zugunsten des Naturschutzes hinzunehmen. Widerstand gegen verbindliche Regeln gibt es allerdings auch von mehreren Industriestaaten. Die Idee des gerechten Vorteilsausgleichs war sogar für die USA der Auslöser, als einziges Industrieland 1992 die UN-Biodiversitätskonvention nicht zu unterzeichnen.

    Nicht nur in Bezug auf den gerechten Vorteilsausgleich, auch beim Thema Schutzgebiete dürfte ein Erfolg der Bonner Konferenz am Geld hängen. Denn Naturschutz ist teuer. Günter Mitlacher vom Forum Umwelt und Entwicklung:

    "Im Moment haben wir viele Nationalparks, die nur auf dem Papier stehen, sogenannte Paperparks, das ist unmöglich. Wir müssen viel mehr Geld haben, um diese Schutzgebiete auch intensiv zu managen, um eine Beobachtung zu machen, welche Ressourcen dort sind, welche Schutzaktivitäten dort notwendig sind, das kostet sehr, sehr viel Geld, wir schätzen, dass das im Jahr mindestens 20 bis 30 Milliarden Euro kosten wird. Im Moment geben die Staaten etwa 6 Milliarden Euro aus, das ist ja nur ein Fünftel dessen."

    Ob diese Kluft zu schließen ist, wird sich in Bonn zeigen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel wird dort am 19. Mai von den Brasilianern die Verhandlungsführung für die UN-Naturschutzkonferenz übernehmen. Er glaubt, dass sich die Weltgemeinschaft ein Scheitern nicht leisten darf:

    "Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass diese Konvention, die die biologische Vielfalt sichern soll, jetzt an einem Scheideweg steht: Entweder wir schaffen hier zu konkreten und praktischen Ergebnissen zu kommen in Bonn, dann, glaube ich, wird die Konvention mit Leben erfüllt werden, dann werden wir auch größere Erfolge haben. Aber wenn wir hier scheitern, dann muss sich die internationale Gemeinschaft auch die Frage stellen, warum sie solche Konventionen eigentlich verabschiedet."