Reuning: Herr Dr. Schmidl, hat Sie dieser Artenreichtum überrascht?
Schmidl: Der Artenreichtum ist für uns schon lange bekannt, und es gab ja Schätzungen aus den 80er-Jahren, wo anhand einzelner Tiergruppen die Diversität, die Vielfalt auf über 30 Millionen Arten hochgerechnet worden ist. Es gab viele Unsicherheiten in diesen Berechnungen, und deswegen hat unsere Studie jetzt zum ersten Mal auf breiter Basis der Gliederfüße versucht realistische Zahlen zu ermitteln. Die Zahl ist immer noch überraschend hoch, aber innerhalb dieser Studie haben sich Dinge ergeben, Ergebnisse, die sehr überraschend waren, die unsere Sicht auf die Diversität in einem Regenwald verändern.
Reuning: Zum Beispiel?
Schmidl: Biologen sprechen von Beta-Diversität, wenn sie den Wechsel der Artenzusammensetzung über die Strecke betrachten, also wenn wir 100 Meter weiter gehen, finden wir wieder anderer Arten. Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir, wenn wir an einer Stelle Proben nehmen, aber lange über die Zeit hinweg, letztendlich im Regenwald ein großer Teil der Arten an dieser Stelle irgendwann auch vorbeikommt. Das heißt, die Beta-Diversität ist nicht abhängig von der Entfernung nur, sondern abhängig von der Zeit, also läuft entlang der Zeitachse.
Reuning: Heißt das, die Tierarten sind alle einigermaßen gleichmäßig verteilt?
Schmidl: Ja und nein. Die Tierarten sind sehr mobil, vor allem die Arthropoden, und können überall sein, weil die Ressourcen, von denen sie leben, von denen sie fressen zum Beispiel, in Raum und Zeit verstreut im Regenwald vorkommen. Also ein Baum, der abstirbt, ist Nahrung für bestimmte Pilze, diese wiederum für bestimmte Tiere, aber dieses Ereignis findet mal dort oder mal dort statt. Und das heißt, die Tiere müssen mobil sein. Das heißt, man kann, das sind unsere Ergebnisse, zum Beispiel in diesem einen Wald in Panama, wo wir die Artenvielfalt für die 6000 Hektar auf etwa 25.000 Arten hochgerechnet haben, kann man 60 Prozent der Arten auf einem Hektar finden, wenn man nur entsprechend lange dort sammelt und wartet.
Reuning: Gesammelt wurden die Tiere von 2003-2005. Die Auswertung, also vor allem denke ich mal die Bestimmung der Arten, die dauerte noch einmal sieben Jahre. Was lässt sich jetzt mit diesen Daten anfangen? Könnten diese Ergebnisse also auch helfen, solch Gebietes tropischen Regenwaldes besser zu schützen?
Schmidl: Natürlich. Wir haben ja oft auch in der Politik Diskussionen über Diversitätsverlust bei Abholzung von Regenwäldern. Wir können heute gewisse Relationen aufbauen, dass wir sagen: Bei so einer Pflanzendiversität verlieren wir auch soundso viele Arten von Arthropoden, und die Arthropoden stehen wieder in einer gewissen Relation zu den Vögeln und Säugetieren. Also dafür können wir jetzt sichere Zahlen geben. Ich muss auch darauf hinweisen: wenn wir sagen, dass 60 Prozent der Arten in so einem 6000 Hektar großen Wald allein auf einem Hektar vorkommen können, dann bedeutet es nicht, dass es reicht diese Arten zu schützen, indem wir einfach nur ein, zwei oder drei Hektar übrig lassen. Die Arten sind in Raum und Zeit verteilt. Die brauchen die große Waldmatrix. Aber irgendwann kommen sie alle einmal da vorbei.
Reuning: Ganz praktisch: wie erstellt man denn ein Inventar der Gliederfüße in einem bestimmten Areal?
Schmidl: Nun, das war natürlich eine logistische Herausforderung. Wir waren in der Regel 20, 30 Leute im Gelände und dafür haben wir uns eben diese Station in Panama ausgesucht, die schon lange besteht, vom Smithsonian Tropical Research Institute. Und von da aus sind wir immer in den Wald, und da wurden zwölf Probeflächen à 20 × 20 Meter dann vom Boden bis in die Baumkronen genau untersucht., mit verschiedensten Fallentypen. Unser Team war zusammengesetzt aus Spezialisten für verschiedene Insekten- und Spinnentiergruppen einerseits und andererseits für bestimmte Sammeltechniken und Methoden, wie man Tiere erfasst. Also beispielsweise Baumkronen benebelt mit so einem schnell zerfallenden Insektizid, das alles herunterfällt, Klebefallen, irgendwie zeltartige Fallen, Scheiben, durchsichtige Scheiben mit Trichtern drunter, als Prallwiderstand, dann denen, wo die Tiere dann ins Töpfchen fallen. Manchmal richtig lustig anzuschauen, aber in der tropischen Umgebung eines tropischen Regenwaldes bei hoher Temperatur, bei hoher Luftfeuchtigkeit, sehr, sehr anstrengend.
Schmidl: Der Artenreichtum ist für uns schon lange bekannt, und es gab ja Schätzungen aus den 80er-Jahren, wo anhand einzelner Tiergruppen die Diversität, die Vielfalt auf über 30 Millionen Arten hochgerechnet worden ist. Es gab viele Unsicherheiten in diesen Berechnungen, und deswegen hat unsere Studie jetzt zum ersten Mal auf breiter Basis der Gliederfüße versucht realistische Zahlen zu ermitteln. Die Zahl ist immer noch überraschend hoch, aber innerhalb dieser Studie haben sich Dinge ergeben, Ergebnisse, die sehr überraschend waren, die unsere Sicht auf die Diversität in einem Regenwald verändern.
Reuning: Zum Beispiel?
Schmidl: Biologen sprechen von Beta-Diversität, wenn sie den Wechsel der Artenzusammensetzung über die Strecke betrachten, also wenn wir 100 Meter weiter gehen, finden wir wieder anderer Arten. Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir, wenn wir an einer Stelle Proben nehmen, aber lange über die Zeit hinweg, letztendlich im Regenwald ein großer Teil der Arten an dieser Stelle irgendwann auch vorbeikommt. Das heißt, die Beta-Diversität ist nicht abhängig von der Entfernung nur, sondern abhängig von der Zeit, also läuft entlang der Zeitachse.
Reuning: Heißt das, die Tierarten sind alle einigermaßen gleichmäßig verteilt?
Schmidl: Ja und nein. Die Tierarten sind sehr mobil, vor allem die Arthropoden, und können überall sein, weil die Ressourcen, von denen sie leben, von denen sie fressen zum Beispiel, in Raum und Zeit verstreut im Regenwald vorkommen. Also ein Baum, der abstirbt, ist Nahrung für bestimmte Pilze, diese wiederum für bestimmte Tiere, aber dieses Ereignis findet mal dort oder mal dort statt. Und das heißt, die Tiere müssen mobil sein. Das heißt, man kann, das sind unsere Ergebnisse, zum Beispiel in diesem einen Wald in Panama, wo wir die Artenvielfalt für die 6000 Hektar auf etwa 25.000 Arten hochgerechnet haben, kann man 60 Prozent der Arten auf einem Hektar finden, wenn man nur entsprechend lange dort sammelt und wartet.
Reuning: Gesammelt wurden die Tiere von 2003-2005. Die Auswertung, also vor allem denke ich mal die Bestimmung der Arten, die dauerte noch einmal sieben Jahre. Was lässt sich jetzt mit diesen Daten anfangen? Könnten diese Ergebnisse also auch helfen, solch Gebietes tropischen Regenwaldes besser zu schützen?
Schmidl: Natürlich. Wir haben ja oft auch in der Politik Diskussionen über Diversitätsverlust bei Abholzung von Regenwäldern. Wir können heute gewisse Relationen aufbauen, dass wir sagen: Bei so einer Pflanzendiversität verlieren wir auch soundso viele Arten von Arthropoden, und die Arthropoden stehen wieder in einer gewissen Relation zu den Vögeln und Säugetieren. Also dafür können wir jetzt sichere Zahlen geben. Ich muss auch darauf hinweisen: wenn wir sagen, dass 60 Prozent der Arten in so einem 6000 Hektar großen Wald allein auf einem Hektar vorkommen können, dann bedeutet es nicht, dass es reicht diese Arten zu schützen, indem wir einfach nur ein, zwei oder drei Hektar übrig lassen. Die Arten sind in Raum und Zeit verteilt. Die brauchen die große Waldmatrix. Aber irgendwann kommen sie alle einmal da vorbei.
Reuning: Ganz praktisch: wie erstellt man denn ein Inventar der Gliederfüße in einem bestimmten Areal?
Schmidl: Nun, das war natürlich eine logistische Herausforderung. Wir waren in der Regel 20, 30 Leute im Gelände und dafür haben wir uns eben diese Station in Panama ausgesucht, die schon lange besteht, vom Smithsonian Tropical Research Institute. Und von da aus sind wir immer in den Wald, und da wurden zwölf Probeflächen à 20 × 20 Meter dann vom Boden bis in die Baumkronen genau untersucht., mit verschiedensten Fallentypen. Unser Team war zusammengesetzt aus Spezialisten für verschiedene Insekten- und Spinnentiergruppen einerseits und andererseits für bestimmte Sammeltechniken und Methoden, wie man Tiere erfasst. Also beispielsweise Baumkronen benebelt mit so einem schnell zerfallenden Insektizid, das alles herunterfällt, Klebefallen, irgendwie zeltartige Fallen, Scheiben, durchsichtige Scheiben mit Trichtern drunter, als Prallwiderstand, dann denen, wo die Tiere dann ins Töpfchen fallen. Manchmal richtig lustig anzuschauen, aber in der tropischen Umgebung eines tropischen Regenwaldes bei hoher Temperatur, bei hoher Luftfeuchtigkeit, sehr, sehr anstrengend.