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Artverschleppung durch Ballastwasser in Schiffen

Bilder von verheerenden Tankerunfällen, bei denen riesige Mengen Öl ins Meer fließen. Sie sind wohl das erste, was einem einfällt, wenn man an Umweltbelastungen durch Frachtschiffe denkt. Doch die meisten Umweltverschmutzungen verursacht der ganz alltägliche Schiffsbetrieb. Beim Be- oder Entladen, beim Reinigen der Öltanks auf hoher See oder durch Ballastwasser. Das Wasser, das alle Frachtschiffe aufsaugen, um stabil im Wasser zu liegen und dann quer durch die Welt transportieren. Nach Expertenmeinung ist dieses Ballastwasser sogar das größte Umweltproblem, das von Seeschiffen ausgeht. Denn mit ihm werden auch viele Organismen in fremde Lebensräume verschleppt.

von Frank Krippner | 13.09.2001
    Die Thyssen Nordseewerke in Emden. Der Rohbau eines riesigen Containerschiffs liegt im Trockendock der Werft. An vielen Stellen wird noch am Rumpf geschweißt, gehämmert und gestrichen. 2500 LKW-große Container soll das neue Schiff einmal transportieren. Und: Tausende Liter Meereswasser. Denn ohne große Mengen Ballastwasser ist der Stahlriese nicht stabil genug. Rüdiger Böhlhoff, Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums in Leer:

    Ein Schiff von einer Wandstärke 18 Millimeter, hat bei einer Länge von 200/250 Metern vergleichsweise eine Festigkeit wie eine Styroporkiste von etwa einem Meter Länge, ein Zentimeter Wandstärke. Und wenn ich dort Ladung ungleichmäßig drauflade, dann bricht das Schiff durch oder es knickt oder es kippt um.

    Damit das Containerschiff ausreichend stabil wird, muß, je nach Ladung, Ballastwasser in die Tanks entlang des Rumpfes gepumpt werden. Knapp 1/3 der gesamten Tragfähigkeit ist dafür reserviert. Besonders beim Be- oder Entladen im Hafen pumpen die Schiffe Wasser durch die Öffnungen in der Nähe des Kiels ab oder nehmen neues auf. Dabei strömt das Meereswasser nur durch ein grobes Sieb, bevor es in die Tanks gelangt. Lebewesen, die kleiner als einen halben Zentimeter sind, schlüpfen mit durch. Niko Bensien hat sich in seiner Diplomarbeit mit dem Ballastwasser beschäftigt:

    Im Ballasttank selber sind zum Beispiel gefunden worden: Muscheln, kleinere Krebse, sogar Fische teilweise. Larven natürlich und halt andere Kleinstorganismen, die durch diese Maschengrößen durchkommen. Also man geht davon aus, daß es bis zu 3000 verschiedene Arten gibt, die in Ballastwasser transportiert werden, allein an Mikroorganismen.

    Da auch Schlamm und Sediment in die verwinkelten Ballasttanks gelangt, finden die "blinden Passagiere" dort meist ideale Bedingungen, um sich weiterzuentwickeln. Beim Beladen des Schiffs in einem anderen Hafen gelangen sie dann wieder in die Freiheit. Manchmal tausende Kilometer von ihrer angestammten Heimat entfernt. Rüdiger Böhlhoff:

    Wir wissen, daß wir in der Nordsee jetzt schon einige neue Krebstiere haben und auch Muscheln haben, die es hier früher nicht gegeben hat. Die also aus anderen Teilen der Welt hierher eingeschleppt worden sind. Wir hoffen, daß dadurch unser über Jahrmillionen gewachsenes Gleichgewicht in der Nordsee nicht dadurch nachhaltig gestört wird. Anderswo ist es leider durchaus der Fall. Wir haben das Problem in den großen Seen zwischen Kanada und den USA. Dort sind ganze Populationen ausgestorben, weil sich eingeschleppte Arten vermehrt haben.

    Ein internationales Problem: Denn rund 10 Milliarden Tonnen Ballastwasser werden jährlich weltweit per Schiff quer über den Globus transportiert. Reisemöglichkeit für unzählige Tiere, Pflanzen und auch Bakterien, die in fremder Umgebung zum Problem werden können: wenn sie etwa vorhandene Arten verdrängen oder sich ungebremst ausbreiten. Auch die bei Fischern ungeliebte chinesische Wollhandkrabbe ist über das Ballastwasser in unsere Flüsse und Seen gelangt. Die Forscher befürchten, daß sogar Bakterien wie die Choleraerreger auf diesem Wege verbreitet werden können. Niko Bensien hat deshalb zusammen mit einem Kollegen jetzt erstmals eine baureife Reinigungsanlage für Ballastwasser vorgestellt:

    Also unsere Lösung sieht so aus, daß das Ballastwasser, bevor es in die Tanks gelangt, fein gefiltert wird, mit einer Feinheit von 100 Mikrometern, was es eigentlich nicht zuläßt, daß noch absetzbare Stoffe in die Tanks gelangen. Und danach wird das ganze einer Wärmebehandlung unterzogen. Das ist ganz einfach das Verfahren des Teeabkochens, wie man es aus der Küche kennt. Wenn ich nichts mehr im Wasser haben möchte, bringe ich es einfach auf eine Temperatur, die Mikroorganismen nicht aushalten können. Das wären in diesem Falle 60 Grad.

    Dazu wird die ohnehin vorhandene Abwärme der Schiffsmaschinen genutzt, zusätzliche Energie wird nicht benötigt. Die gesamte Aufbereitungsanlage für das Ballastwasser eines großen Frachtschiffs hat nach den Berechnungen der Studenten etwa die Größe eines LKW-Containers. Rund 600.000 Mark soll sie kosten. Geld, das die Reederei später jedoch wieder einspart. Denn die engen Ballasttanks müssen nach einigen Jahren nicht mehr wie bisher aufwendig vom Schlamm gereinigt werden. Bei der Werft in Emden ist man aber noch skeptisch, ob dieser Vorteil allein die Käufer von neuen Containerschiffen überzeugt. Auch Rüdiger Böhlhoff vom Maritimen Kompetenzzentrum hält Fördermaßnahmen für notwendig:

    Wenn wir in den Häfen der Welt nachweisen können, daß wir mit einem sauberen Ballastwasser ankommen, dann muß es dort Anreize geben, durch verminderte Hafengebühren beispielsweise.

    Eine Firma in der Eifel hat bereits jetzt Interesse an der baureifen Filteranlage gezeigt und will sie erstmals in Seeschiffe einbauen. Außerdem wird der Vorschlag für sauberes Ballastwasser aus Leer sowie die Förderung solcher Anlagen auf internationaler Ebene weiter diskutiert: Bei der Weltschifffahrtsorganisation in London.