Von Volkart Wildermuth
Jede Apotheke bietet Tests für den Cholesterinwert und den Blutdruck an. Jedermann soll so sein Risiko für Herz-Kreislaufleiden, für Herzinfarkt und Schlaganfall, einschätzen können und im Zweifelsfall etwas dagegen unternehmen. Doch davon hält Professor Nicholas Wald von der Universität London gar nichts.
Meine Meinung lautet: lassen sie die Tests bleiben. Denn egal, welchen Cholesterinwert und welchen Blutdruck sie auch haben, wenn sie ihn absenken, dann senken sie auch ihr Risiko. Der größte Risikofaktor ist das Alter. Lässt man die ganzen Tests beiseite und behandelt alle Menschen über 55, dann erwischt man sie, bevor sie einen Infarkt oder einen Schlaganfall bekommen. Die allermeisten Infarkte und Schlaganfälle treffen Leute, die weder einen hohen Cholesterinwert noch einen hohen Blutdruck haben.
Nicholas Wald will deshalb nicht nur Kranke behandeln, sondern eine Vorbeugung für jedermann entwickeln. Er vergleicht sein Konzept mit einem Impfstoff, der ja auch gesunden Menschen verabreicht wird, um sie vor künftigen Krankheiten zu schützen. Gegen Herz-Kreislaufleiden kann man nicht impfen, es gibt aber viele bewährte, billige und sichere Wirkstoffe. Nicholas Wald und seine Kollegen haben die Ergebnisse von über 750 klinischen Studien an über 400.000 Menschen analysiert und schlagen vor, sechs Medikamente in einer sogenannten Polypill zu kombinieren. Diese Vielfachpille soll ein Statin enthalten, um den Cholesterinwert zu erniedrigen, Aspirin, um das Verklumpen der Blutplättchen zu vermeiden, das Vitamin Folsäure und drei Blutdrucksenker in halber Dosierung. Was passiert, wenn jeder ab einem Alter von 55 Jahren so eine Vielfachpille täglich einnehmen würde, haben die englischen Forscher im British Medical Journal vorgerechnet.
Die Polypille würde etwa 88 Prozent aller Herzinfarkte und 80 Prozent aller Schlaganfälle verhindern, sie hätte einen wirklich großen vorbeugenden Effekt. Von 100 Männern, die die Polypille täglich einnehmen, würden etwa 35 direkt profitieren, sie würden im Durchschnitt zwölf Lebensjahre gewinnen, das ist eine dramatische Wirkung.
In der Tat, eine Behandlung, von der jeder Dritte profitiert, klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Bislang handelt es sich auch nur um Rechenergebnisse, klinische Studien mit einer realen Polypille können frühestes in zwei Jahren beginnen, solide Ergebnisse sind wohl erst in fünf Jahren zu erwarten. Die Studie im "British Medical Journal" hat schon jetzt heftige Diskussion ausgelöst. Professor Walter Zidek von der Charité Berlin, der Vorsitzender der Deutschen Hochdruckliga ist zwar froh, dass hier der Vorbeugungsgedanke auch bei den Herz-Kreislaufleiden gestärkt wird. Wenn es um die Behandlung noch gesunder Menschen geht bleibt er jedoch skeptisch.
Es könnte ja durchaus sein, dass man mit einer solchen Tablette einen Menschen, der bislang überhaupt keine Schäden an seinem Herz-Kreislaufsystem hatte, dann erst einen Schaden zufügt, zum Beispiel eine schwere allergische Reaktion auf eine der Komponenten dieser Tablette. Das wäre in meinen Augen unvertretbar, selbst dann wenn der statistische Nutzen so aussieht, wie er in dieser Modellberechnung dargelegt wird. Das Problem stellt sich für mich dahin, muss ich das Individuum vor die Statistik setzten und für mich steht so zusagen das Individuum an der ersten Stelle und erst dann kommt die Statistik.
Für Walter Zidek ist der eine Patient, dem er sichtbar schadet wichtiger, als die Vielen denen abstrakt geholfen wurde. Nicholas Wald dagegen weist darauf hin, dass die gefährlichste Substanz in der Polypille das Aspirin ist und glaubt, dass unter dem Strich die seltenen Nebenwirkungen durch den viel häufigeren Nutzen statistisch mehr als aufgewogen werden. Diese unterschiedlichen Blickwinkel auf die Medizin werden in Zukunft sicher noch häufig aufeinander prallen.
Im Grunde passt dieses Konzept der Polypill so richtig in unsere Industrielandschaft, wo man jeden Defekt oder jeden Mangel mit einer entsprechenden chemischen Kombination denkt, heilen zu können.
Das mag in der Theorie gut aussehen, in der Praxis ist es aber ein Trugschluss, meint Walter Zidek. Schließlich nimmt nur die Hälfte aller Hochdruckpatienten ihre Tabletten regelmäßig ein und dass, obwohl sie um ein konkretes Risiko wissen. Die Polypille dürfte für gesunde Menschen da kaum attraktiver sein. Letztlich, da sind sich Walter Zidek und Nicholas Wald einig, sind für das Herz-Kreislaufsystem sowieso eine gesunde Ernährung und viel Sport besser als jede Pille.
Jede Apotheke bietet Tests für den Cholesterinwert und den Blutdruck an. Jedermann soll so sein Risiko für Herz-Kreislaufleiden, für Herzinfarkt und Schlaganfall, einschätzen können und im Zweifelsfall etwas dagegen unternehmen. Doch davon hält Professor Nicholas Wald von der Universität London gar nichts.
Meine Meinung lautet: lassen sie die Tests bleiben. Denn egal, welchen Cholesterinwert und welchen Blutdruck sie auch haben, wenn sie ihn absenken, dann senken sie auch ihr Risiko. Der größte Risikofaktor ist das Alter. Lässt man die ganzen Tests beiseite und behandelt alle Menschen über 55, dann erwischt man sie, bevor sie einen Infarkt oder einen Schlaganfall bekommen. Die allermeisten Infarkte und Schlaganfälle treffen Leute, die weder einen hohen Cholesterinwert noch einen hohen Blutdruck haben.
Nicholas Wald will deshalb nicht nur Kranke behandeln, sondern eine Vorbeugung für jedermann entwickeln. Er vergleicht sein Konzept mit einem Impfstoff, der ja auch gesunden Menschen verabreicht wird, um sie vor künftigen Krankheiten zu schützen. Gegen Herz-Kreislaufleiden kann man nicht impfen, es gibt aber viele bewährte, billige und sichere Wirkstoffe. Nicholas Wald und seine Kollegen haben die Ergebnisse von über 750 klinischen Studien an über 400.000 Menschen analysiert und schlagen vor, sechs Medikamente in einer sogenannten Polypill zu kombinieren. Diese Vielfachpille soll ein Statin enthalten, um den Cholesterinwert zu erniedrigen, Aspirin, um das Verklumpen der Blutplättchen zu vermeiden, das Vitamin Folsäure und drei Blutdrucksenker in halber Dosierung. Was passiert, wenn jeder ab einem Alter von 55 Jahren so eine Vielfachpille täglich einnehmen würde, haben die englischen Forscher im British Medical Journal vorgerechnet.
Die Polypille würde etwa 88 Prozent aller Herzinfarkte und 80 Prozent aller Schlaganfälle verhindern, sie hätte einen wirklich großen vorbeugenden Effekt. Von 100 Männern, die die Polypille täglich einnehmen, würden etwa 35 direkt profitieren, sie würden im Durchschnitt zwölf Lebensjahre gewinnen, das ist eine dramatische Wirkung.
In der Tat, eine Behandlung, von der jeder Dritte profitiert, klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Bislang handelt es sich auch nur um Rechenergebnisse, klinische Studien mit einer realen Polypille können frühestes in zwei Jahren beginnen, solide Ergebnisse sind wohl erst in fünf Jahren zu erwarten. Die Studie im "British Medical Journal" hat schon jetzt heftige Diskussion ausgelöst. Professor Walter Zidek von der Charité Berlin, der Vorsitzender der Deutschen Hochdruckliga ist zwar froh, dass hier der Vorbeugungsgedanke auch bei den Herz-Kreislaufleiden gestärkt wird. Wenn es um die Behandlung noch gesunder Menschen geht bleibt er jedoch skeptisch.
Es könnte ja durchaus sein, dass man mit einer solchen Tablette einen Menschen, der bislang überhaupt keine Schäden an seinem Herz-Kreislaufsystem hatte, dann erst einen Schaden zufügt, zum Beispiel eine schwere allergische Reaktion auf eine der Komponenten dieser Tablette. Das wäre in meinen Augen unvertretbar, selbst dann wenn der statistische Nutzen so aussieht, wie er in dieser Modellberechnung dargelegt wird. Das Problem stellt sich für mich dahin, muss ich das Individuum vor die Statistik setzten und für mich steht so zusagen das Individuum an der ersten Stelle und erst dann kommt die Statistik.
Für Walter Zidek ist der eine Patient, dem er sichtbar schadet wichtiger, als die Vielen denen abstrakt geholfen wurde. Nicholas Wald dagegen weist darauf hin, dass die gefährlichste Substanz in der Polypille das Aspirin ist und glaubt, dass unter dem Strich die seltenen Nebenwirkungen durch den viel häufigeren Nutzen statistisch mehr als aufgewogen werden. Diese unterschiedlichen Blickwinkel auf die Medizin werden in Zukunft sicher noch häufig aufeinander prallen.
Im Grunde passt dieses Konzept der Polypill so richtig in unsere Industrielandschaft, wo man jeden Defekt oder jeden Mangel mit einer entsprechenden chemischen Kombination denkt, heilen zu können.
Das mag in der Theorie gut aussehen, in der Praxis ist es aber ein Trugschluss, meint Walter Zidek. Schließlich nimmt nur die Hälfte aller Hochdruckpatienten ihre Tabletten regelmäßig ein und dass, obwohl sie um ein konkretes Risiko wissen. Die Polypille dürfte für gesunde Menschen da kaum attraktiver sein. Letztlich, da sind sich Walter Zidek und Nicholas Wald einig, sind für das Herz-Kreislaufsystem sowieso eine gesunde Ernährung und viel Sport besser als jede Pille.