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Arzt mit Taschenrechner

Schichtdienst, Wochenend- und Feiertagsarbeit, Überstunden - die Belastungen für Mediziner und Pflegekräfte sind immens. Nicht wenige suchen daher nach beruflichen Alternativen. Wer den Gesundheitsbereich nicht ganz verlassen will, für den könnte das Studium der Medizin-Ökonomie eine Alternative sein.

Von Stephanie Kowalewski |
    Christoph Winkler ist Chirurg und Oberarzt im Krankenhaus Köln-Porz und Student der Rheinischen Fachhochschule Köln. Hier studiert er im zweiten Semester Medizin-Ökonomie.

    " Ich mache das nebenberuflich. Das bedeutet, dass ich an zwei Abenden in der Woche und jeden Samstag studieren gehe und zusätzlich aber noch zehn bis zwölf Rufbereitschaftsdienste im Monat habe."

    Fürs Privatleben bleiben dem Klinikarzt etwa vier Abende pro Monat. Sein Beruf mache ihm trotz der vielen Arbeitsstunden und dem Schichtdienst großen Spaß, sagt er. Doch warum drückt dann ein viel beschäftigter und erfolgreicher Chirurg erneut die Schulbank?

    " Weil ich festgestellt habe, dass sich eine große Kluft befindet zwischen Verwaltungsebene und medizinischer Ebene im Krankenhaus. Und da ist eine Schnittstelle, die ist nicht bedienet. Es gibt verwaltungsseitig zu wenig Verständnis von Medizin und es gibt medizinischerseits oftmals auch noch zu wenig Verständnis für verwaltungstechnische, ökonomische Fragestellungen. Und Krankenhauswesen funktioniert aber nicht mehr ohne diese Schnittstelle in meinen Augen."

    Das Studium der Medizin-Ökonomie will genau diese Schnittstelle bedienen. Mit einer Kombination aus BWL und medizinisch-pharmazeutischen Fächern werden hier in sieben Semestern Diplom-Medizin-Ökonomen für mittlere und gehobene Managementposten ausgebildet, sagt Studiengangsleiter Professor Rainer Riedel:
    " Die Studenten lernen zum einen die elementaren Fächer aus der Betriebswirtschaftslehre vom allgemeinen Rechnungswesen über Controlling bis hin zu Spezialfächern wie Kalkulation der neuen Pflegesatzentgelte, DIGs oder wie führe ich Pflegesatzverhandlungen oder sie lernen, wie kalkuliere ich einen Krankenversicherungsbeitrag. Und haben dazu parallel eben die Fächer aus der Medizin-Pharmakologie, um eben Krankheitsbegriffe oder Arzneimittel einordnen zu können. Sie werden niemals jemanden behandeln, aber sie verstehen es."

    Studiert wird in kleinen Klassenverbänden - wahlweise als Vollstudium oder berufsbegleitend. Die Medizin-Ökonomie bietet für Krankenschwestern, Pharmazeutische und Medizinische Assistenten sowie für Versicherungsfachangestellte eine echte Karrierechance. Azlena Ibrahim zum Beispiel hat als Krankenschwester mit 37 Jahren bereits ihr Karriereende erreicht. Sie hat die Fachausbildung als Intensiv- und Anästhesieschwester gemacht und als Stationsleitung gearbeitet.

    " Und dann habe ich entschieden, mich noch weiterzubilden und in dem Bereich gab's nicht mehr und deshalb hab ich entschieden, in eine ganz andere Richtung zu gehen aber halt mit Medizin und Wirtschaft kombiniert. Und daher kommt die Medizin-Ökonomie sehr, sehr passend für mich."

    Neben ihrem Drei-Schicht-Vollzeitjob in einer Klinik studiert sie nun schon im fünften Semester.

    " Das ist hart aber es macht sehr viel Spaß, dass man weiß, dass man in dem Beruf weiterkommt, man lernt viele neue Sachen und deshalb - man ist motiviert."

    Azlena Ibrahim erhofft sich durch ihr Diplom nicht nur einen Karrieresprung mit besserem Gehalt. Vor allem hofft sie auf bessere Arbeitsbedingungen, als sie sie derzeit im Klinikbetrieb hat.

    " Schichtdienst, keine Feiertage-, kein Wochenenddienst, und das ist besonders für eine Frau ganz wichtig, dass das ganz wegfällt, wegen Familie und man hat auch mehr Freizeit und aus dem Aspekt will ich auch vom Krankenhaus weg."

    Ihr Traum wäre eine Stelle im Bereich des internationalen Arzneimittelmarketings. Weg von der Klinik will der Student und Oberarzt Christoph Winkler zwar nicht, doch auch er wünscht sich bessere Arbeitszeiten.

    " Und für mich ist das eine zusätzliche Option, meine Karriere zukünftig zu gestalten, unter Umständen dann auch unabhängig von den Diensten. Ich hab Kollegen, die haben bis zum 65. Lebensjahr diese Dienstbelastung mit den Bereitschaftsdiensten gehabt und das ist natürlich schon einschränkend auf Dauer. Und ob ich das noch zwanzig Jahre machen will, weiß ich nicht."

    Auch Stephanie Behnke möchte nach ihrem Vollzeitstudium in einer Klinik arbeiten. Die gelernte Versicherungskauffrau wollte nach ihrer Ausbildung eigentlich Medizin studieren, doch weil sie auf einen Studienplatz warten musste, begann sie an der Rheinischen Fachhochschule Köln mit Medizin-Ökonomie - und blieb dabei. Dem Medizinstudium trauert sie nicht nach.

    " Was mich im Endeffekt wirklich abgehalten hat, war dieses lange Studium. Diese sechs Jahre, dann noch mit Facharztausbildung ... Das hat mir nicht so gut gefallen. Muss ich ehrlich zugeben."

    Inzwischen ist sie im sechsten Semester und damit fast am Ende ihres Studiums.
    Nach ihrer Diplomarbeit möchte sie gerne die derzeit noch unbesetzte Schnittstelle zwischen Verwaltung und Medizin in einem Krankenhaus ausfüllen und so bestenfalls einen Beitrag zur Lösung der aktuellen Probleme im Gesundheitswesen leisten:

    " Da würde es mir schon halt eben gefallen, mehr einzutauchen und da, wo die Fäden zusammenlaufen auch vielleicht am Geschehen mitzuwirken."

    Aber eben ohne Schichtdienst und zehnjähriger Ausbildung.