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Asia Argento und #metoo
Die Opfer müssen gehört werden - egal welchen Geschlechts

Die Schauspielerin Asia Argento war eine der ersten, die den Hollywoodproduzenten Harvey Weinstein sexuelle Nötigung vorwarf. Sie wurde zu einer Protagonistin der #metoo-Bewegung. Jetzt wird ihr selbst Missbrauch vorgeworfen. Das ändere nichts an der Bedeutung von #metoo, meint Anna Wollner.

Von Anna Wollner | 23.08.2018
    Asia Argento beim Filmfestival in Cannes 2018
    Asia Argento beim Filmfestival in Cannes 2018 (imago stock&people)
    Frauen sind scheinheilig. Frauen sind opportunistisch. Frauen lügen. Frauen missbrauchen, schikanieren und manipulieren. Genauso wie Männer. Das schreibt dieser Tage die Journalistin Bari Weiss in der New York Times und bringt es damit auf den Punkt. Frauen und Männer sind sich ähnlich, wie sollte es auch anders sein - denn es sind Menschen.
    Vergleicht man nun die beiden Fälle von Ex-Hollywoodmogul Harvey Weinstein und der Schauspielerin und Weinstein-Anklägerin der ersten Stunde, Asia Argento, so gibt es Parallelen - aber eben auch große Unterschiede.
    Weinstein soll über Jahrzehnte hinweg zahlreiche Frauen ausgenutzt, vergewaltigt und missbraucht haben, mit ihnen gespielt und bei Missfallen Karrieren zerstört haben - und streitet bis jetzt alles ab.
    Schweigegeld an Jimmy Bennett
    Argento soll mit einem damals Minderjährigen, dem Schauspieler und Kinderstar Jimmy Bennett, unter Alkoholeinfluss Geschlechtsverkehr gehabt und ihm vor ein paar Monaten eine hohe Summe Schweigegeld überwiesen haben - und streitet bis jetzt alles ab.
    Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass Opfer selbst zu Tätern werden. Das ist aber keine Entschuldigung und greift hier zu kurz. Argento und ihr Opfer Bennett sollen über Jahre ein inniges Verhältnis zueinander gehabt haben, eine Art Schüler-Mentorin-Verhältnis, eine durch ein gemeinsames Filmprojekt entstandene Mutter-Sohn-Beziehung. Bis zu jener Nacht im Hotel. Er war 17, in Amerika ist man erst ab 18 sexualmündig, in Deutschland wohlgemerkt schon ab 16.
    Harvey Weinstein lacht sich (*) womöglich gerade ins Fäustchen. Sein Anwalt Benjamin Brafman hat in einem Statement schon verlauten lassen, diese Entwicklung zeige, wie heuchlerisch und verleumderisch Asia Argento sei. Sie, die als eine der ersten die Anschuldigungen gegen Weinstein erhob und Gesicht und Stimme der Metoo-Bewegung wurde. Der Täter Weinstein stilisiert sich damit zum Verleumdungsopfer.
    Aber egal, was Argento getan haben könnte, es ändert nichts an der Tatsache, was Harvey Weinstein und andere einflussreiche Männer Frauen angetan haben – und damit ändert sich auch nichts an der Metoo-Bewegung.
    Heuchlerische Reaktionen
    Heuchlerisch ist allenfalls das Verhalten eben jener Männer, die jetzt am lautesten gegen Argento sind. Denn die sind es auch, die Weinstein am längsten verteidigt haben. Argentos eigenes Verhalten schmälert in keinster Weise ihr Erlebtes mit Weinstein - und rechtfertigt es auch nicht.
    Noch immer gilt: Die Opfer müssen gehört werden, egal welches Geschlecht sie haben. Und der Fehltritt einer einzelnen Person darf nicht dazu führen, dass der Ruf einer ganzen Bewegung in Mitleidenschaft gerät.
    Denn Metoo betrifft schon lange nicht mehr nur die Blase in Hollywood, sondern ist mittlerweile zu einer weltumspannenden Bewegung geworden. Denn in jeder Branche, in jedem Lebensbereich gibt es Opfer und Täter. Männer und Frauen. Und eben darüber muss geredet werden.
    (*) In der ursprünglichen Textversion war an dieser Stelle noch davon die Rede, dass Harvey Weinstein in Untersuchungshaft sei. Tatsächlich ist Harvey Weinstein bereits gegen eine Kaution aus der Haft entlassen worden. Die Audiofassung entspricht der Sendefassung.