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Asiatischer Besentang bedroht Seegras

Die europäische Wasserrahmenrichtlinie gibt den Mitgliedsstaaten vor, dass sie ihre Gewässer bewerten und dafür sorgen müssen, dass keine ökologische Verschlechterung der Gewässerqualität stattfindet. Ein schwieriges Unterfangen, doch auch eine Chance. Denn bei der systematischen Untersuchung einheimischer Gewässer stößt man auch früher als bisher auf Arten, die aus anderen Lebensräumen eingewandert sind. Eine dieser Arten ist der Asiatische Besentang, den Forscher vor zwei Jahren zum ersten Mal in der Ostsee entdeckt haben und dessen Ausbreitung gravierende Folgen für das Öko-System hat.

Von Annette Eversberg |
    Der Asiatische Besentang ist eine Rotalge. Sie bildet kleine filigrane Äste aus und formt damit Büschel, die sich schnell ineinander verhaken. Auf diese Weise entstehen regelrechte Matten von Algen. In der Kieler Förde, unweit des Marinehafens, sind diese Matten schon mehrere Hektar groß. Eigentlich kommt die Alge, wie der Name sagt, aus Asien. Mit Austern wurde sie in die Bretagne importiert. In Korea, Japan, China und auch Nordvietnam findet sie geeignete Bedingungen, erläutert der Meersbiologe Dr. Florian Weinberger vom IFM-Geomar in Kiel.

    " Das ist eine Art, die ist sehr, sehr unempfindlich. Die Gewässer, aus denen sie kommt, in Ostasien, sind in erster Linie Küstengewässer. Und die Gegenden zeichnen sich dadurch aus, dass die Sommer sehr kalt sein können, die Winter sehr warm, und das spiegelt sich natürlich auch in den Wassertemperaturen wieder. Das ist eine Art, die ist angepasst an sowohl hohe, als auch niedrige Wassertemperaturen. Das ist auch das, was sie in der Ostsee schon findet."
    Die Alge wird in Asien sogar kultiviert. Denn man gewinnt daraus das Agar-Agar, eine pflanzliche Gelatine zum Andicken von Pudding beispielsweise. Doch was in Asien ein Gewinn ist, ist in der Ostsee eine Plage. Denn die Algen aus Asien konkurrieren mit den heimischen Seegraswiesen.

    " Sie können auf Sand, auf Schlamm liegen und dort wachsen. Dadurch können sie genau auch diese Standorte besiedeln auf denen auch Seegras ist. Und das bedeutet, dass sie das Seegras auch verdrängen können. "

    Die Alge hat einen Vorsprung, weil sie nicht wie das Seegras fest im Untergrund verwurzelt ist. Die Matten treiben und decken das Seegras ab. Dadurch nehmen sie ihm Licht und Sauerstoff, die das Seegras dringend braucht. Die Seegraswiesen sind in der Ostsee ohnehin schon weniger geworden, weil das Meer stark überdüngt ist. Dr. Rolf Karez ist Gewässerexperte beim schleswig-holsteinischen Landesamt für Natur- und Umwelt.

    " Ein Hauptproblem ist, dass das Seegras nicht mehr so tief vorkommt. Durch die Belastung mit Nährstoffen ist das Wasser trüber geworden. Das Licht dringt nicht mehr so tief ein, und damit hat das Seegras in einer geringeren Tiefe schon seine Grenze erreicht."

    Seegraswiesen bieten nicht nur Schutz, sondern auch Nahrung für die Jungfische. Würden sie ausfallen, wäre dies für die Ostsee katastrophal. Denn sie ist bereits so überfischt, dass es keine Generationenfolge bei den Fischen mehr gibt. Die Alge bietet zwar auch einen gewissen Schutz, aber bisher hat Florian Weinberger nicht feststellen können, dass sie als Nahrung von den Fischen angenommen wird.

    " Die Fische, die hier im Aquarium sind, fressen sie nicht. Ich habe die Alge hier schon anderthalb Jahre im Aquarium, und die wird von ihnen nicht angerührt. Aber auch Tiere, die typischerweise Algenfresser sind. Das sind kleine Krebse aber auch Schnecken, rühren sie nicht an, sondern leben nur auf ihnen. "

    Sie mit großen Netzen aus dem Wasser zu fischen, hätte ebenfalls keinen Sinn. Man würde sie nicht vernichten können. Deshalb vergleicht Florian Weinberger den Asiatischen Besentang gerne mit der Alge Caulerpa im Mittelmeer, die dort die Seegraswiesen fast vernichtet hat.

    " Das sind beides Algen, die potentiell unsterblich sind. Das heißt, wenn die Algen zerbrechen oder zerbissen werden, dann können die einzelnen Bruchstücke unabhängig voneinander weiterwachsen. Das ist dann keine Beseitigung, sondern eine Vermehrung der Arten. "

    Die Hoffnung, dass vielleicht das eher salzarme Wasser der Ostsee das Wachstum der Alge hemmen könnte, hat sich zerschlagen. Im Gegenteil, es scheint ihr besonders gut zu bekommen. Florian Weinberger:

    " Wir haben in der Ostsee einen Gradienten an Salzgehalt. Der nimmt vom Kattegatt über den Belt und unsere Küstengewässer immer weiter ab. Und im Bottnischen Meerbusen ist dann quasi gar kein Salz mehr. Und auf Rügen und im östlichen Polen sind die Bedingungen besonders gut. Und es ist deshalb damit zu rechnen, dass sie sich kräftig nach Osten ausbreiten kann. Das kann man nicht ausschließen. "