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AStA ist nicht gleich AStA

Eigentlich ist der AStA - der Allgemeine Studierendenausschuss - landauf und landab die offizielle Vertretung der Studierenden. Nicht so in Baden-Württemberg: Dort sind die Aktivitäten des AStA gesetzlich eingeschränkt auf Belange, die sich im musischen, sportlichen und sozialen Bereich abspielen. Politik ist tabu, denn der AStA in Baden-Württemberg ist seit den 70er-Jahren kein Organ einer verfassten Studierendenschaft - seitdem kämpfen diese dafür.

Von Stefanie Meinecke | 21.07.2009
    Mehr hochschulpolitische Schlagkraft für den AStA - das wird es in Baden-Württemberg auch künftig nicht geben. Das "Nein" zur Wiedereinführung der "Verfassten Studierendenschaft" war gestern eindeutig. Die Mitbestimmung über Fachschaften und Vereine zum Beispiel, reiche vollkommen aus, so der Pressesprecher im Wissenschaftsministerium Jochen Laun:

    "Es ist ja nicht so dass die Studierenden in Baden-Württemberg leise sind. Es ist auch nicht so, dass die Studierenden nicht Dinge einfordern, die sie haben möchten. Sie tun das und sie werden auch gehört. Insofern kann man nicht sagen, dass die studentische Mitbestimmung ins Leere geht."

    Das sieht Landesasten-Sprecher Hermann Schmeh etwas anders. Er studiert in Freiburg Geschichte und Jura:

    "Dem ASta ist es dezidiert verboten - weil es einfach nicht im Gesetz steht - sich zu politischen Themen außerhalb der Hochschulgremien zu äußern. Deshalb hat man ja die unabhängigen Modelle gegründet, die überall ein wenig anders heißen , die aber den AStA möglichst vollwertig ersetzen sollen. Das sind aber Parallelstrukturen, die sich in einem sehr unsicheren Raum bewegen. Da ist man sehr darauf angewiesen, dass vom Rektorat oder vom Ministerium ein Good-will da ist, die Leute einzubinden. Wenn sie das nicht wollen oder wenn sie gar dagegen arbeiten, hat man fast keine Chance, sich Gehör zu verschaffen."

    An der herrschenden Überzeugung im Wissenschaftsministerium ändert die erlebte Realität nichts - Pressesprecher Jochen Laun:

    "Es gibt aus baden-württembergischer Sicht keinen Grund etwas an der Form der studentischen Mitbestimmung wie wir sie jetzt haben zu ändern. Es sei denn es handelt sich um Verbesserungsvorschläge im System. Dafür sind wir natürlich offen. Aber für einen Systemwechsel gibt es keinen Anlass."

    Doch, Anlässe gibt es genug - , sagen die Vertreter der Landesasten-Konferenz Sie sind es leid in allem, auch in Etatfragen vom Wohlwollen anderer abzuhängen; sie wollen als eigenständiges Organ agieren und die Interessen der Studenten und Studentinnen selbstbestimmt wahrnehmen - zum Beispiel bei Verhandlungen über Studententickets im Öffentlichen Nahverkehr, über Mieten und ähnliches. Und sie wollen hochschulpolitisch Einfluss nehmen zum Beispiel bei der Ausgestaltung von Bachelor- und Master-Studiengängen oder bei Fragen der Qualitätskontrolle an Unis.

    Das Ministerium kontert: Den Studenten-Vertretern mangele es an Legitimation, was allein schon die geringe Beteiligung bei Hochschulwahlen zeige. Albrecht Vorster, Biologie-Student aus Freiburg und Landesastensprecher hat das Wahlargument schon tausendmal gehört und lächelt immer noch:

    "Das ist ein absolutes Scheinargument, das immer wieder gern gebracht wird. Man muss sich auf der anderen Seite fragen, warum sollten Studierende zur Wahl gehen, wenn die die sie vertreten sollen, nix zu sagen haben. Dann ist es natürlich total uninteressant. Dann kann man auch nicht mit großen Themen aufwarten, weil man die ja auch gar nicht vertreten darf. Ich kann eigentlich nur mit dem Zebrastreifen vor der Mensa ankommen."

    Abgeschafft wurde die verfasste Studierendenschaft in Baden-Württemberg übrigens unter der Regierung Filbinger - mit Verweis auf die Terrorgefahr durch die RAF und mögliche Sympathisanten im intellektuellen Dunstkreis der Universitäten. Möglicherweise wirkt der "Angstreflex" bei manchen noch bis heute nach, meint Hermann Schmeh.

    Generationen von Studenten fordern seit mehr als 30 Jahren die Wiedereinführung der verfassten Studierendenschaft. Und Generationen von Studenten erhielten im Ländle eine Abfuhr:

    "Das ist unser ceterum zentio; das ist seit der Abschaffung '77, '78 unser Thema. Weil es hier in Baden-Württemberg ein Ausnahmezustand ist, werden wir auch nicht aufhören, verfasste Studierendenschaft immer wieder zu fordern. Es kann nicht sein, dass nur weil politisch ein Thema missliebig ist, man es auf dem juristischen Wege mundtot macht."

    So ganz allein stehen die Studenten mit ihrem Anliegen nicht. Aus dem Senat der Uni Freiburg ist zu hören, dass man an einer verfassten Studierendenschaft grundsätzlich nichts Negatives findet; Auch Karlsruhe und Heidelberg äußerten sich schon einmal. positiv. Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Professor Peter Liebig von der Uni Hohenheim meint, man habe noch Diskussionsbedarf. Das Thema "Verfasste Studierendenschaft" werde er auf Anfrage aber gerne auf die Agenda setzen.