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AStA zweiter Klasse?

In Baden-Württemberg und in Bayern haben sich die Studierenden eigene Strukturen geschaffen- oft parallel zu den bestehenden allgemeinen Studentenausschuss - dem AStA. Denn in Baden-Württemberg und Bayern ist der Studierendenausschuss- anders als in den anderen 14 Bundesländern- kein Organ der verfassten Studierendenschaft. Er ist ein Anhängsel des Hochschulsenates und darf sich dort auch nur zu musischen und sportlichen Belangen äußern.

Von Anja Braun |
    Deshalb wird der AStA von Studierenden häufig nicht als legitime Vertretung anerkannt und gern als Kastra - kastrierter AStA- verspottet. Um dennoch politisch und gesellschaftlich Einfluss nehmen zu können, wählen die Studierenden an den meisten Universitäten ein unabhängiges Modell. Dieses wird in der Regel schlicht U-AStA -unabhängiger AStA -genannt. Der U-AStA hat jedoch kein gesetzlich legitimiertes Mandat. Das ist ein großes Manko, erklärt Jurastudentin Henrike Hepprich vom Vorstand des unabhängigen AStA der Universität Freiburg:

    " Problematisch ist für uns ist, dass man zum Beispiel gegenüber der Universitätsleitung oder Studentenwerk oder wen man sich jetzt auch immer denken kann- einfach keine offizielle Position hat. Das heißt, wenn man nett zu uns ist, bindet man uns ein. Wenn man nett zu uns ist, dann hört man auf uns. Aber wenn man das nicht möchte, dann braucht man das eben auch nicht, weil wir nicht die offizielle Studierendenvertretung sind, sondern eben nur die inoffizielle Studierendenvertretung. "

    Ein Zustand, der nahelegt, dass die Universitäten ihren Studierenden gegenüber weiter misstrauisch sind. Dabei ist es in Baden-Württemberg nun schon über 30 und in Bayern gar 35 Jahre her, dass die verfassten Studierendenschaften mit Hinweis auf die Terrorgefahr durch die Rote Armee Fraktion abgeschafft wurden. Süddeutsche Unions-Politiker vermuteten den intellektuelle Rückhalt der RAF in den Universitäten:

    " Herr Ministerpräsident Filbinger sagte damals, dass man den Sympathisantensumpf für den Terrorismus an den Universitäten zu finden hat und der ausgetrocknet werden müsste und da wurde eben die verfasste Studierendenschaft abgeschafft. Aber es gab auch ganz andere Reaktionen darauf. Zum Beispiel gab es in Berlin damals keine verfasste Studierendenschaft und die hat man dann angesichts der schwierigen politischen Lage wieder eingeführt, weil man sagte, man wolle die Studierenden politisch erziehen, damit sie nicht in diesen Extremismus abrutschen. "

    Heute müssen sich die unabhängigen Modelle der Studierendenvertretung im Süden Deutschlands mühsam durchwursteln. Da sie nicht als Vertretung aller Studierenden gelten, können sie deren Interessen nicht wirklich wahren. Das ärgert den Finanzreferenten des unabhängigen AStA der Universität Karlsruhe, Andreas Kosmider, besonders:

    " Wir sind nicht dazu in der Lage für die Studierenden Verträge abzuschließen. Wir dürfen nicht mit der Stadt oder mit dem Karlsruher Verkehrsverbund verhandeln über Studententickets, über Wohnraum, über Mieten, über Rahmenvereinbarungen für Wohnheime. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir beim Studentenwerk eine sehr den Studenten zugeneigte Führung haben, die für uns die Verträge abschließt. Weil die als Körperschaft des öffentlichen Rechtes das dürfen, wir dürfen es nicht. "

    So sind die unabhängigen Asten von der Gunst des Rektorats abhängig, haben kaum eigene Mittel und müssen hochschulpolitisch nicht wahrgenommen werden. Über eine Verschränkung von Personen und Listen bei Hochschulwahlen versuchen sie an Gelder und Infrastruktur der Universitäten anzudocken. So ist die Freiburger Jurastudentin Hendrike Hepprich in Personalunion Vorsitzende des offiziellen, aber rechtlich beschränkten AStA und gleichzeitig Vorsitzende des unabhängigen AStAs der Universität Freiburg. Das wichtigste Argument für die Wiedereinführung der verfassten Studierendenschaft ist für die Jura-Studentin Hepprich jedoch nicht die Finanzierung der Interessensvertretung, sondern:

    " Dass wir zumindest ein hochschulpolitisches Mandat hätten, dass sich eben die Studierendenschaft als solche eine Meinung bilden kann, zu hochschulpolitischen Themen wie Studiengebühren etc. pp. Das dürfen wir im Moment nicht, Das dürfen nur die studentischen Vertreter im Senat und die sind eben in keiner Weise rückgebunden. "

    In den letzten Monaten haben die unabhängigen Studierendenvertretungen in Baden-Württemberg Unterstützer in den unterschiedlichsten Gremien der Universitäten gefunden. So sprachen sich die Senate der Universität Freiburg, der Universität Heidelberg und der Universität Karlsruhe wie auch der Senat der Pädagogischen Hochschule Freiburg für die Wiedereinführung der verfassten Studierendenschaften aus. Und Physikstudent Andreas Kosmider vom unabhängigen AStA an der Universität Karlsruhe setzt darauf, dass sich im Land noch mehr Druck aufbauen wird:

    " Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung das nicht ignorieren kann. "

    Sein Kommilitone, Germanistikstudent Sebastian Felzmann, ist sicher:

    " Wenn sowohl Karlsruhe als auch Heidelberg so einen Antrag unterstützt, das ja auch eine gewisse Signalwirkung hat, weil beide Universitäten von der Landesregierung sehr gerne als Eliteuniversitäten hervorgehoben werden, dann ist man auch auf diesem Bereich Elite und hat hier auch eine gewisse Vorreiterrolle. "

    Unterstützung erhoffen sich die Studierenden nun von der Landesrektorenkonferenz. Doch die hält sich - vorerst - bedeckt. Eine einheitliche Meinung zu diesem Thema habe man bisher nicht diskutiert. Der stellvertretende Vorsitzende der LRK in Baden-Württemberg, der Rektor der Universität Hohenheim Peter Liebig, will sich zu diesem Thema eigentlich gar nicht äußern und rückt dann aber doch am Telefon damit raus:

    " Dieses ist ein Thema, das brisant ist und ich denke, dass wir hier möglicherweise in eine Kontroverse mit der Landesregierung kämen. Nicht dass wir uns wahnsinnig fürchten davor. Aber dass würden wir schon gerne vorher absprechen, denn wenn wir mit dem Ministerium und dem Herrn Minister kämpfen, dann würden wir das gerne abgesprochen machen. "

    Die Studierenden haben ihre Forderung an den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Oettinger und seinen baden-württembergischen Wissenschaftsminister Frankenberg bereits schriftlich formuliert. Und als Antwort Gegenwind bekommen. Die Regierung will am Status Quo festhalten und das Thema gar nicht erst hochkommen lassen. So erhält man nur telefonisch die dürre Auskunft vom Wissenschaftsministerium:

    " Die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft ist aus Sicht des Wissenschaftsministeriums ein viel diskutiertes , aber deutlich überholtes Modell. Sie würde Zwangsmitgliedschaft und einen Zwangsbeitrag bedeuten - es gibt derzeit im Ministerium keine Planungen die verfasste Studierendenschaft wieder ein zu führen. "

    Unverständlich findet Physikstudent Kosmider diese geringe Bereitschaft der Landesregierung zur Diskussion. Denn wenn man wolle, dass das Interesse an politischer Beteiligung und Meinungsbildung wächst, müssten auch die Studierenden in diesem Prozess an der Universität Mitsprachemöglichkeiten erhalten. Es gehe schließlich auch darum, endlich Anspruch und Wirklichkeit bei der Bewertung von Studierenden zusammen zu führen, denn:
    " Obwohl man ihnen nachher zuspricht, dass Sie als Elite nachher dieses Land führen sollen, dass sie die finanziellen Konsequenzen aus der aktuellen Politik nachher zu schultern haben und so weiter - gleichzeitig sagt man ihnen aber, ihr seid nicht in der Lage eure aktuelle Umgebung zu managen. Man spricht ihnen die Möglichkeit der Findung der Lösung der Probleme direkt vor der eigenen Nase ab. "