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Asteroiden-Hopping im Sonnensystem

Wie groß selbst unsere nähere kosmische Heimat ist, lässt sich anhand der Ausmaße unseres Sonnensystems veranschaulichen. Seit vier Jahren ist die amerikanische Raumsonde Dawn nun schon unterwegs, und doch hat sie es gerade einmal so ungefähr bis zur Mitte unseres Sonnensystems geschafft. Dort befindet sich der Asteroidengürtel. Das ist so eine Art unaufgeräumte Rumpelkammer unsers Planetensystems, in der Gesteinsbrocken ihre Bahnen um die Sonne ziehen, die sich seit der Entstehung unseres Sonnensystems kaum verändert haben. - Und genau deswegen sind diese Himmelskörper für die Astronomen so interessant. Am Wochenende soll Dawn mit Vesta nun den erster dieser Asteroiden erreichen.

Von Guido Meyer | 13.07.2011
    27. September 2004, Cape Canaveral. Eine Delta-II-Rakete schießt die Raumsonde Dawn ins All. Es wird dies die erste Expedition in den Asteroidengürtel werden. Jennifer Rocca ist die Flugdirektorin der Mission bei der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA.

    "Dawn soll zwei der größten Objekte im Asteroidengürtel besuchen. Dieser Ring aus Gesteinsbrocken ist mehr als viereinhalb Milliarden Jahre alt und damit fast so alt wie unser Sonnensystem. Wir wollen zwei Asteroiden vergleichen und so Informationen über die Entstehung unseres gesamten Planetensystems bekommen und darüber, wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat."

    Manche der Objekte im Asteroidengürtel sind nur so groß wie ein Haus, andere fast so groß wie der ehemalige Planet Pluto. Sie haben keine Atmosphäre und kein flüssiges Wasser auf ihrer Oberfläche.

    "Im Asteroidengürtel zwischen den Planeten Mars und Jupiter kreisen Hunderttausende kleiner Objekte um die Sonne. Wissenschaftler vermuten, dass die Anziehungskräfte des benachbarten Riesenplaneten Jupiter sie daran gehindert haben, sich zu einem Himmelskörper zusammenzuballen."

    Vesta und Ceres sind zwei dieser Gesteinsbrocken. Bei Vesta wird Dawn an diesem Wochenende einen ersten Zwischenstopp einlegen. Die Oberfläche dieses Asteroiden gibt den Astronomen Rätsel auf: Untersuchungen mit erdgebundenen Teleskopen zeigen Spuren alter Lavaflüsse und von Ozeanen aus Magma. Asteroiden sind jedoch eigentlich viel zu kalt für solche geologischen Phänomene.

    "Wir haben uns Vesta und Ceres ausgesucht, weil es zwei der größten Asteroiden sind. Und sie sind sehr verschieden. Vesta ist sehr felsig, ähnlich den inneren, terrestrischen Planeten unseres Sonnensystems. Ceres, das größte Objekt im Asteroidengürtel, dürfte vom Aufbau her eher den eisigen Monden im äußeren Sonnensystem ähneln. Diese beiden wollen wir vergleichen."

    Zu diesem Zweck verfügt die Raumsonde Dawn über eine optische und eine Infrarot-Kamera. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau und das Institut für Planetenforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin steuern diese beiden Instrumente zur Mission bei. Die Infrarot-Messungen sollen den Forschern Informationen über die Temperaturverteilung auf Vesta liefern. Messungen des Spektrums, also der unterschiedlichen Wellenlängen des Lichtes, erlauben Rückschlüsse auf den inneren Aufbau des Himmelskörpers. Ebenfalls an Bord ist der Gammastrahlen- und Neutronen-Detektor GRaND. Thomas Prettyman, Wissenschaftler am Planetenforschungsinstitut in Tuscon, Arizona, der Chef-Wissenschaftler von GRaND.

    "Das Experiment GRaND soll den Aufbau von Vesta untersuchen. Wir wollen wissen, wie häufig die Elemente Eisen, Kalzium und Silizium in seinem Gestein vorkommen. Daraus können wir die geochemischen Prozesse ableiten, die bei der Evolution des Asteroiden eine Rolle gespielt haben."

    Astronomen mutmaßen, dass Vesta im Laufe seiner Entstehung mehrmals geschmolzen ist und sich wieder verfestigt hat. Das würde die versteinerten Lavaströme erklären. Den Asteroiden wird Dawn etwa ein Jahr lang in einer Entfernung von weniger als 3000 Kilometern umkreisen. Mit ersten Bildern von Vesta ist in den kommenden Tagen zu rechnen. 2012 dann wird Dawn seine Reise durch die Rumpelkammer unseres Sonnensystems in Richtung Ceres fortsetzen. Dabei soll die Sonde ein bislang in der Raumfahrt noch nie demonstriertes "Asteroiden-Hopping" durchführen, so Jennifer Rocca:

    "Dawn ist die erste Mission, die ein Objekt umkreisen, seinen Orbit verlassen und in die Umlaufbahn eines zweiten Himmelskörpers einschwenken wird. Weil die Sonde mit schubschwachen Ionentriebwerken manövriert, wird die Reise von einem Asteroiden zum nächsten drei Jahre dauern. Die ersten Bilder von Ceres werden wir dann 2015 bekommen."