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Astronom: Es könnten bis zu 40 werden

Ob unser Sonnensystem zwölf statt neun Planeten zählen wird, darüber beraten 2500 Astronomen auf einem Kongress in Prag. Professor Günther Hasinger, Direktor am Max-Planck-Institut in Garching, glaubt, dass es dabei um die grundätzliche Frage gehe, wie groß ein Himmelskörper sein müsse, um als Planet zu gelten. Außerdem spiele die Tatsache eine Rolle, ob man ihn mit dem bloßen Augen sehen können müsse oder nicht.

    Müller: "Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten." Ein Satz, den viele von uns in der Schule lernen mussten, um sich über die Anfangsbuchstaben dieses Satzes die neun Planeten unseres Sonnensystems merken zu können, die da sind: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und schließlich auch, wenn etwas umstritten, Pluto. Diese neun sind so etwas wie die Stars. Sie alle kreisen um die Sonne, ein exklusiver Klub. Das war schon immer so, doch nun steht Revolutionäres vor der Tür, denn morgen entscheidet eine internationale Spezialkommission der Astronomen darüber, ob drei weitere Himmelskörper in den erlauchten Elitekreis der Planeten aufgenommen werden sollen. Eine Entscheidung, die nicht nur in der Fachwelt für heftige Kontroversen sorgt.
    In Prag begrüßen wir nun Professor Günther Hasinger, Direktor am Max-Planck-Institut in Garching. Guten Morgen!

    Hasinger: Guten Morgen Herr Müller!

    Müller: Herr Hasinger, ist das attraktiv für einen so einfachen, belanglosen, unbekannten Himmelskörper, plötzlich als Planet gekürt zu werden?

    Hasinger: Um das zu verstehen, muss man sich ein bisschen die Geschichte der Entdeckung der anderen Planeten anschauen. Wenn man sich dort ein bisschen einliest, dann ist das die reinste Kriminalgeschichte und ich habe das Gefühl, es geht hier so weiter. Wenn ich mal ein bisschen ausholen darf: Ich wollte Ihnen ganz kurz noch mal ins Gedächtnis rufen oder Ihnen kurz erzählen, wie der Planet Neptun entdeckt wurde, und zwar hat man festgestellt, dass in dem Uranus, den der Herr Herschel in England entdeckt hatte, Bahnabweichungen stattfanden. Das heißt der Uranus hat herumgeeiert am Himmel und es haben sich mehrere Mathematiker und Astronomen dann Gedanken gemacht, was der Grund dafür sein könnte. Dann hat man eben sehr genau ausgerechnet, dass dort weiter draußen ein weiterer Planet sein müsse. Der Franzose Urban Leverier hat dann einen Brief an den Johannes Galle in der Berliner Sternwarte geschickt und hat gesagt, könntest du bitte mal nachschauen, da müsste irgendwo da draußen ein weiterer Planet sein. Parallel dazu gab es in England den Herrn John Adams, der sich auch darüber Gedanken gemacht hat und der verzweifelt versucht hat, seinen Direktor davon zu überzeugen, ihm doch mal das Teleskop zu geben, dass er dort auch nachschauen darf.

    Müller: Das heißt also Planeten entstehen sozusagen aus Menschenhand?

    Hasinger: Ja. Zumindest die Entdeckung von Planeten ist sehr menschlich. Es geht nämlich weiter mit dieser Geschichte. Der Direktor der Berliner Sternwarte war damals der Herr Encke und der hat genau an dem Tag Geburtstag gehabt, als der Brief von dem Franzosen ankam. Deswegen hat er seinem Assistenten erlaubt, das Teleskop zu benutzen, und tatsächlich hat man innerhalb der gleichen Nacht den Neptun genau an der Stelle gefunden, wo er vorhergesagt war, nur ungefähr ein Grad entfernt von dieser Position. Das hat natürlich einen Triumph der Mathematik und Astrophysik hervorgerufen, dass man so genau etwas vorhersagen kann, was man dann auch wirklich hinterher sieht.

    Müller: Andererseits ist dann, wenn ich Sie weiter interpretieren darf, zumindest aus meinem Verständnis offenbar in der Physik, gerade was den Weltraum anbetrifft, Planeten, Himmelskörper, sehr, sehr viel willkürlich auch entstanden und festgelegt?

    Hasinger: Zunächst einmal noch zu dem Uranus. Da gab es dann einen Riesen Streit, weil die Engländer behauptet haben, sie haben im Prinzip auch parallel dazu den Planeten entdeckt. Sie hatten dann nachgeschaut und haben festgestellt, dass sie den auch schon mal angeschaut hatten. Dann hat sich herausgestellt, dass sogar Galileo Galilei den Stern schon gesehen hatte. Es geht also nicht so sehr um die Entdeckung selbst, sondern wem die dann zugeschrieben wird und vor allem wer dann dieses Objekt benamsen darf. Es hat sich nämlich dann hinterher herausgestellt: Man hat sich gestritten. Der eine wollte ihn Leverier nennen, der andere wollte ihn irgendwie englisch nennen und dann zum Schluss hat sich halt die internationale Gemeinschaft auf den Namen Neptun geeinigt.

    Müller: Wenn wir jetzt über die drei neuen Kandidaten einmal ganz kurz reden, Charon, Xena und Ceres. Wenn die jetzt nun aufgenommen werden sollten in diesen erlauchten Klub der Planeten, haben wir dann so ein bisschen ein neues Weltbild?

    Hasinger: Nein, ich glaube nicht. Der Pluto ist jetzt ja derjenige, um den es die ganze Zeit geht. Der wurde eben entdeckt dadurch, dass man es so ähnlich versucht hatte wie bei diesem Triumph bei Neptun. Da gab es dann praktisch Leute, und zwar den Herrn Lowell, der gesagt hat, Uranus hat auch so ein Gewackel am Himmel dargestellt. Er hat dann vorhergesagt, da muss noch ein Planet X draußen sein. Dann wurde extra ein Observatorium dafür gegründet, um diesen Planeten zu entdecken. 25 Jahre später hat man dann tatsächlich an der Stelle nach langem Suchen diesen Pluto gefunden und es war eigentlich damals schon klar, dass Pluto nicht für diese Schwankungen verantwortlich sein kann, die der Uranus zeigt. Es war eigentlich damals im Prinzip schon ein Fehler, dann den Pluto in den Kreis der Planeten aufzunehmen. Wir sind heute in einer ähnlichen Situation, nur dass die Messungen immer genauer werden und wir immer mehr von diesen Gesteinsbrocken, von diesem sagen wir mal Bauschutt, der übrig geblieben ist, als das Planetensystem gebaut wurde, finden und dass es jetzt einfach eine Frage der Definition ist, was man mit diesen macht.

    Müller: Das hört sich ein bisschen so an, Herr Hasinger, als könnte man sagen, ob jetzt neun oder zwölf Planeten ist völlig egal.

    Hasinger: Wir wissen inzwischen, dass die Sonne eben aus einer großen Scheibe entstanden ist und dass sich durch Staubflusen und Wollmäuse langsam solche Körper geformt haben. Es gibt Milliarden von Körpern, die eben alle Spektren haben von klein bis groß. Die Frage, wo man die klassische Definition setzt, ist einfach schwierig. Bisher waren die Planeten fast alle mit dem bloßen Auge sichtbar und erst Pluto war derjenige, der dann mit einem Teleskop entdeckt werden konnte. Diese neuen drei sind sozusagen auch nur durch sehr, sehr detaillierte Teleskopmeßmethoden entdeckbar. Wir gehen halt davon aus, wenn wir jetzt weiter messen, dann können das bis zu 40 neue werden, so dass man eigentlich irgendwo einfach eine Grenze setzen muss.

    Müller: Nun könnte man ja vermuten, Herr Hasinger, es gibt nicht nur im Boxsport Promoter, sondern eventuell auch unter den Astronomen. Wer steckt denn dahinter, dass das jetzt alles aufgebrochen werden soll?

    Hasinger: Es ist tatsächlich auch eine Frage der Benamsung. Bisher sind alle Planeten nach mythologischen Figuren benannt worden. Selbst wenn man Pluto anschaut, ist der zwar nach einer mythologischen Figur benannt, nämlich dem Höllenhund, aber zufälligerweise sind die Anfangsbuchstaben P L genau die Anfangsbuchstaben desjenigen Parcival Lowell, der praktisch das ganze eingeleitet hat. Dann gibt es ja den Charon. Das ist der Nachbar von Pluto. Die beiden umkreisen sich. Der wurde erst 1978 entdeckt. Zufällig heißt die Frau des Entdeckers Charlin und hat den Spitznamen Char. Das heißt also es gibt dort sagen wir mal persönliche Beweggründe, sich am Himmel berühmt zu machen.

    Müller: Heißt persönlich wirtschaftlich?

    Hasinger: Das ist jetzt eben die große Gefahr. Der nächste, dieser UB313, hat ja den Spitznamen Xena und die internationale Astronomengemeinde ist darüber sehr unglücklich, weil erstens Xena keine mythologische Figur ist, sondern die Hauptrolle einer Sience-Ficton-Fernsehsendung, und man befürchtet jetzt eben, dass solchen sagen wir mal vielleicht Kommerzialisierungsaspekten Tür und Tor geöffnet wird. Dann heißt vielleicht der nächste nach einem großen Hamburger-Brater oder so.

    Müller: Professor Günther Hasinger war das, Direktor am Max-Planck-Institut in Garching. Vielen Dank für dieses Gespräch nach Prag und auf Wiederhören!

    Hasinger: Vielen Dank! Auf Wiederhören!