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Astronomie
Forscher präsentieren Aufnahmen eines Schwarzen Loches

Erstmals ist es Forschern gelungen, ein Schwarzes Loch direkt zu beobachten. Mit einem globalen Verbund von Radioteleskopen konnten die Astronomen Bilder eines Schwarzen Lochs in der Galaxie M87 machen. Die Aufnahme ist jedoch erst der Anfang für die tiefere Erforschung von Schwarzen Löchern.

Von Dirk Lorenzen und Reinhart Brüning | 10.04.2019
Der erste direkte visuelle Nachweis eines Schwarzen Lochs
Der erste direkte visuelle Nachweis eines Schwarzen Lochs (Event Horizon Telescope (EHT) / dpa)
Der Durchbruch kam mit Ansage. Seit Wochen kursieren Gerüchte, wonach den Forschern des Projektes "Event Horizon Telescope" eine bahnbrechende Aufnahme eines Schwarzen Loches gelungen sei. An diesem Mittwoch zeigten die Forscher auf sechs zeitgleichen Pressekonferenzen rund um den Globus dieses Bild. Zum Beispiel in Brüssel, wo nach EU-Forschungskommissar Carlos Moedas der Chef-Wissenschaftler ans Mikrofon trat, Professor Heino Falcke, ein deutscher Radioastronom der an der Radbout Universität in Nijmwegen forscht.
Heino Falcke: "Sie haben vermutlich schon viele Bilder von Schwarzen Löchern gesehen. Aber das waren alles Computersimulationen. Dieses Bild hier ist echt - und deshalb so wertvoll für uns. Und es sieht aus wie ein Ring aus Feuer."
"Dieses Bild ist echt. Es sieht aus wie ein Ring aus Feuer."
Der Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen, der bei der Pressekonferenz in Brüssel dabei war, erklärte im Gespräch mit DLF-Moderator Ralf Krauter die Bedeutung der Entdeckung.
Dirk Lorenzen: "Es ist wirklich das erste Mal, dass man so ein supermassereiches Loch abgebildet hat, beziehungsweise sich dessen Umgebung angesehen hat. Das ist schon eine große Sache. Aber natürlich war es auch sehr viel Show um die sehr interessante Wissenschaft."
Ralf Krauter: "Heino Falcke, beschrieb das Bild als einen 'Ring aus Feuer'. Trifft's das aus Ihrer Sicht?"
Lorenzen: "Es sind tatsächlich überraschend genau so aus, wie man es erwartet hat: Eine dunkle schwarze Fläche, mit einem Ring darum. Das Ganze erinnert mich an einen Ring, der so halb mit Diamanten besetzt ist. Wobei die Gelb- und Rottöne, die man jetzt auf den Bildern sieht, natürlich Falschfarben sind. Man hat da mit Radiowellen hingeschaut, das heißt, da gibt's gar keine Farben, das wurde dann eingefärbt. Aber: Man sieht da tatsächlich die unmittelbare Umgebung des schwarzen Loches leuchten. Das Schwarze Loch selbst emittiert ja kein Licht. Aber in der Umgebung gibt es viel, was leuchtet. Das ist Materie, die in das Schwarze Loch hineinfließt und dabei aufgeheizt wird und eben so leuchtet. Das hat man hier gesehen. Und davor eben gewissermaßen den Schatten, diesen runden schwarzen Klecks - das schwarze Loch."
Krauter: "Ist das jetzt wirklich ein Meilenstein für die Astronomie?"
Lorenzen: "Manche sagen, man würde Astronomie jetzt einteilen in die Zeit vor der Präsentation dieses Bildes und die Zeit danach. Aber ich würde sagen, da sollte man den Ball etwas flacher halten. Das ist zwar hochinteressant, was man da sieht. Schwarze Löcher sind ja faszinierende Objekte. Und in dieser Galaxie M87 sitzt dieses Monster mit mehr als sechs Milliarden Sonnenmassen. Aber ob das wirklich so bedeutend ist für die Wissenschaft, muss man in den nächsten Jahren sehen. Man ist ja heute nicht fertig. Man hat nur in ersten Ansätzen gezeigt, was man vielleicht schaffen kann."
Max-Planck-Forscher aus Bonn maßgeblich beteiligt
Den Weg zum ersten direkten Nachweis Schwarzer Löcher geebnet, hat der Zusammenschluss von acht Radioteleskopen rund um den Globus. Vereinfacht gesagt entsteht dabei ein virtuelles Riesenteleskop mit einem Antennendurchmesser von 8000 Kilometern. Bei der Konzeption und dem Betrieb dieses "Event Horizon Telescope" spielt der Max-Planck-Direktor Michael Kramer eine wichtige Rolle. Dlf-Autor Reinhard Brüning hat ihn vorab in Bonn besucht und ihn gefragt, was ihm durch den Kopf ging, als er die ersten Bilder gesehen hat.
Michael Kramer: "Das war eine gute Stimmung. Es ist sehr - ja vielleicht war es beeindruckend, dass es genau so aussah, wie wir es erwartet haben."
Michael Kramer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn beschreibt den Moment, als er zum ersten Mal das Foto eines Schwarzen Lochs gesehen hat. Geschossen hat er es selbst, gemeinsam mit Kollegen, in einer unserer Nachbargalaxien: "Zwar nicht mit optischen Augen, aber mit Radio-Augen."
Die Radio-Augen sind riesige, schüsselförmige Antennen, die Radiowellen aus den Tiefen des Alls auffangen. Durch clevere Kombination mehrere solcher Anlagen spürten die Radioastronomen eine flache, verwirbelte Gasschicht auf. Sie befindet sich in der Galaxie M87, rund 50 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt.
Lang gehegter Wunschtraum
Michael Kramer: "Diese Gasscheibe existiert, weil ein Schwarzes Loch sich im Zentrum befindet, das dieses Gas langsam verschluckt. Und dieses heiße Gas, das sich da auf einer Kreisbahn um das Schwarze Loch bewegt, ist jetzt sichtbar auf einem Bild, wenn man genügend große Auflösung hat."
Auswirkungen dieser kreisenden Gasscheibe im Zentrum von M87 haben Astronomen schon vor 100 Jahren entdeckt: "einen bemerkenswerten geradlinigen Materiestrahl" genau senkrecht dazu. Später wurde ihnen klar, dass ein Schwarzes Loch die Ursache für diesen sogenannten Jet sein muss.
Dieses Schwarze Loch direkt beobachten zu können, blieb aber lange ein Wunschtraum. Anfang der 2000er-Jahre schlug Michael Kramers Kollege Heino Falcke, der damals ebenfalls am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn forschte, vor, nach dem Schatten des Schwarzen Loches inmitten der leuchtenden Gasscheibe Ausschau zu halten.
"Wenn man dann ausrechnet, welche Genauigkeiten man braucht und welche Genauigkeiten vor 20 Jahren, als er das Experiment vorgeschlagen hat, existierten, war klar, dass das Ganze noch nicht technologisch möglich war."
Kollektiver Lauschangriff
Aber das hat sich geändert: Denn die Radioastronomen können ihre großen Teleskope rund um den Globus inzwischen zusammenschalten, um kollektiv ins All zu lauschen – und zwar mit viel höherer Auflösung, als eine einzelne Antenne liefern könnte. Im Jahr 2017 starteten sie mit dem Projekt "Event Horizon Telescope" eine konzertierte Messaktion, an der neben dem APEX- und dem ALMA-Teleskop in Chile unter anderem auch ein Radioteleskop am Südpol beteiligt war.
Die ALMA-Teleskopschüsseln in der Atacama-Wüste
Die ALMA-Teleskopschüsseln in der Atacama-Wüste (ESO)
Michael Kramer: "Wir bewegen uns an der Grenze des technisch Machbaren. Wir haben einen Beobachtungsplan und alle Teleskope in der Welt, wie so ein riesiges Ballett: Die an dem Ballett teilnehmen, schauen zum selben Zeitpunkt immer auf dieselbe Quelle, wechseln die Quelle nach einem vorgegebenen Plan. Und schreiben ihre Daten auf Festplatte. Diese Festplatten werden dann um die Welt geschickt und laufen in zwei Zentren auf: zum einen in Haystack, in den USA, und zum anderen hier in Bonn in unserem Institut."
Die beiden Gruppen bekommen dieselben Daten, werten sie aber streng getrennt voneinander aus. Mit unterschiedlichen Methoden, um Fehler zu vermeiden, erklärt der Max-Planck-Direktor: "Es war wichtig, dass die Leute nicht einfach das kopieren, was die anderen Teams machen. Wir wollten völlig unabhängige Auswertemethoden haben."
Meilenstein der Astronomie
Die Bilder, die beide Arbeitsgruppen am Ende berechnet haben, sehen sich erstaunlich ähnlich. Ein Fehler bei der Auswertung ist deshalb unwahrscheinlich. Für Michael Kramer, der maßgeblich am Aufbau des Radioteleskop-Verbunds beteiligt war, sind die Aufnahmen des Schwarzen Lochs in der Galaxie M87 ein Meilenstein der Astronomie. Und ein Erfolg, zu dem viele beigetragen haben, sagt er.
"Es sind ja nicht nur die Teleskope, die wir für ein solches Experiment brauchen. Wir müssen Leute haben, die die Beobachtung machen. Wir brauchen Leute, die die Instrumente entwickeln. Wir brauchen Leute, die die theoretischen Arbeiten parallel dazu machen. Wir brauchen Leute, die Daten auswerten. Wir brauchen Leute, die die Daten mit den entsprechenden Modellen vergleichen. Wir brauchen Leute, die dann entsprechend auch die Interpretation dieser Vergleiche durchführen. Und das braucht sozusagen eine ganze Armee von erfahrenen wie auch jungen Leuten."
Die spektakulären Schnappschüsse vom gasverzehrenden Schwarzen Loch, die jetzt veröffentlicht wurden, stammen von den Messkampagnen in den Jahren 2017 und 2018. Die Messungen gehen aber weiter, denn die Forscher wollen ihre Bilder noch verfeinern - und haben bereits andere Schwarze Löcher im Visier.
Erst der Anfang der Erforschung von Schwarzen Löchern
Zu diesen Schwarzen Löchern gehört unter anderem Sagittarius A. Es befindet sich im Zentrum das Milchstraße, hat rund 400 Million Mal die Masse der Sonne und ist nur 26.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Mit Bildern von Sagittarius A kann man nach Ansicht des Wissenschaftsjournalisten Lorenzen bis Mitte des Sommers rechnen.
Das die Aufnahme des Schwarzen Loches in der Galaxie M87 so Aussieht, wie man sich das vorgestellt hat, bestätigt die Annahmen von Einsteins Relativitätstheorie. Damit bleibe das Dilemma der moderne Physik bestehen: Die Theorie für das ganz Kleine, die Quantentheorie, und die Theorie für das ganz Große, die Relativitätstheorie, passen nicht zusammen. Im Bezug auf Schwarze Löcher müssten sie aber beide funktionieren, so Lorenzen. Eine Lösung für das Dilemma zu finden, sei mit ein Grund für die Beobachtung von Schwarzen Löchern.
Die Forscher hätten zwar jetzt eine erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs. "Die wirkliche Erforschung von Schwarzen Löchern und das tiefe Eindringen in die Relativitätstheorie, das hat eigentlich gerade erst angefangen", sagte Lorenzen.