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Astronomische Studiengebühren in den USA

Die schlechte Wirtschaftslage in den USA führt dazu, dass der Staat den Universitäten immer weniger Zuschüsse zahlt. Die Folge: Die Studiengebühren steigen von einem Semester zum nächsten um 40 Prozent.

Gunnar J. Schultz-Burkel | 23.10.2003
    Kyle Roberts gönnt sich keine Pause. Morgens geht der angehende Biologe in die Vorlesungen und dreimal in der Woche jobbt er nachmittags beim Verkehrsamt. An den Wochenenden steht er morgens hinter der Kasse eines Supermarkts. Der Grund: er muss sein Studium finanzieren.

    Es wird von Jahr zu Jahr härter, meint er. Allein an seiner Hochschule, der George-Mason-Uni in einem Vorort von Washington, gingen die Gebühren zu Beginn des Semesters um 15 Prozent nach oben. Die Kosten für ein Studium steigen hier inzwischen schneller als die Inflationsrate. Selbst wer ein gutes Abiturzeugnis vorlegen kann überlegt sich inzwischen zweimal, ob er an einer Top-Uni studieren will, oder sich doch lieber an einem mittelmäßigen College einschreibt.

    Nach unseren Berechnungen wurden die Gebühren in diesem Jahr im Schnitt um mehr als 14 Prozent angehoben.

    Das erklärt Gaston Caperton vom amerikanischen Hochschulverband. Die Gebuehren an staatlichen Unis liegen derzeit bei etwa 10.000 Dollar im Jahr. Private verlangen um die 24.000 Dollar jährlich und wer gar zu einer privaten Elite-Hochschule wie Harvard oder Yale möchte, sollte sich auf Studiengebühren von 50.000 Dollar und mehr gefasst machen. Nicht eingerechnet in diese Kosten sind eine Wohnung, Bücher und Lebenshaltungskosten. Woran liegt es, dass die Hochschulen plötzlich so kräftig hinlangen? Den einzelnen Bundesstaaten geht es ziemlich schlecht. Dank der Steuersenkungen der Bushregierung und der immer noch relativ schwachen Wirtschaftslage fehlen den Gouverneuren Millionenbeträge. Ihr schlichtes Rezept: die Zuschüsse für Bildungseinrichtungen wurden knallhart gekappt. Rektor Dennis Smith von der Uni von Nebraska.

    Unsere Hochschule musste Vorlesungen streichen und mehr als 400 Angestellte entlassen. Betroffen waren sowohl Putzfrauen als auch Professoren.

    Ich bin sein 35 Jahren in diesem Gewerbe, klagt Smith, aber so schlimm war es noch nie. Dabei steht Nebraska noch ziemlich gut da. Die staatliche Uni von Arizona schraubte die Gebühren um mehr als 40 Prozent nach oben. Die Hochschulen von Kalifornien verlangen 27 Prozent mehr. Die Uni von Virginia hatte bereits in den letzten Jahren schon kräftig hingelangt und erhöhte zu Beginn dieses Semesters nur - in Anführungsstrichen - um 20 Prozent. Die Unis baden die Wirtschaftsmisere aus, meinte Scott Pattison vom Verband der Hochschuldirektoren:

    Obwohl natürlich auch Stipendien vergeben werden, müssen die meisten US-Studenten Darlehen aufnehmen und nebenher jobben. Und das mehr als jemals zuvor.

    Sarah Shafirre hatte eigentlich im Mai Examen machen wollen. Da sie nicht genug Geld hatte, um das Semester finanzieren zu können, arbeitete sie Vollzeit und konnte sich erst jetzt wieder immatrikulieren. Ihr Ziel: im übernächsten Monat will sie Examen machen. Für Treasure Ballard haben die Erhoehungen der Studiengebuehren langfristige Konsequenzen:

    Ich musste ein weiteres Darlehen aufnehmen, um weiter studieren zu koennen. Da die Jobsituation fuer Jung-Akademiker derzeit ziemlich mies ist, wird es viel laenger dauern, bis ich meine Schulden abgetragen habe.

    Rektor Smith ahnt Schlimmes:

    Wenn das so weitergeht, werden sich viele fragen, ob es sich überhaupt lohnt, weiter zu studieren. Das Fazit: sie schmeißen das Studium einfach hin.