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Atem-Anhalten in Dänemark

Der islamkritische dänische Autor Lars Hedegaard hat zusammen mit dem Zeichner Kurt Westergaard ein Buch veröffentlicht, das in Dänemark mit gemischten Gefühlen erwartet wird. Denn Westergaard ist der Mohammed-Karikaturist, der Dänemark in die größte außenpolitische Krise seit dem Zweiten Weltkrieg stürzte und auch der Autor Hedegaard selbst ist überaus umstritten.

Marc-Christoph Wagner im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske |
    Doris Schäfer-Noske: In der dänischen Tageszeitung "Berlingske Tidende" gibt es seit Jahren eine viel beachtete tägliche Kolumne. Einer der Autoren ist der islamkritische Lars Hedegaard der vor zwei Monaten von der Zeitung gefeuert wurde. Er sieht die Gründe dafür in seiner kritischen Haltung, die Zeitung selbst spricht dagegen von allgemeinen Umstrukturierungen. Außerdem suche man neue, unverbrauchte Autoren. Morgen erscheint nun ein Buch von Lars Hedegaard, in dem er seine 100 besten Kolumnen zusammengestellt hat. Und diese Veröffentlichung wird in Dänemark mit besonderer Spannung erwartet, denn illustriert wurde das Buch von Kurt Westergaard, dem Mohammed-Karikaturisten. Frage an meinen Kollegen Marc-Christoph Wagner: Herr Wagner, wie gefährlich lebt denn Kurt Westergaard zurzeit?

    Marc-Christoph Wagner: Na ja, man sagt, er wird nach wie vor vom Nachrichtendienst, von den Sicherheitsbehörden jeden Tag zur Arbeit begleitet, auch wenn er irgendwohin fährt, muss er den Behörden Bescheid sagen, und er wird dann überwacht. Das deutet darauf hin, dass man ihn immer noch als bedroht ansieht, obwohl es jetzt eine gewisse Normalisierung gibt. Denn er lebt zusammen mit seiner Frau wieder in den eigenen vier Wänden.

    Schäfer-Noske: Nun kommt morgen das neue Buch heraus. Was für Karikaturen von Westergaard sind es denn in diesem neuen Buch?

    Wagner: Na, dazu muss man vielleicht erst mal auf den Autor eingehen, Lars Hedegaard heißt der Mann. Ein sehr umstrittener Publizist hier in Dänemark, der früher Chefredakteur der dänischen "TAZ" war, der Tageszeitung "Information", sich in den letzten Jahren aber zu einem sehr starken Islamkritiker gewandelt hat, so ein bisschen vielleicht mit Henryk Broder in Deutschland zu vergleichen. Ein Mann, der eher schwarz und weiß schreibt, als jetzt in Nuancen. Und der hat ein neues Buch mit Kolumnen herausgegeben und die hat Kurt Westergaard illustriert. Man wundert sich ein wenig darüber, dass Westergaard das nun tut, weil man weiß, wenn Kurt Westergaard so ein Buch illustriert, wird das natürlich wieder für Schlagzeilen sorgen, für Aufmerksamkeit und man möchte eigentlich denken, dieser alte Mann hat nun genug von diesem Trubel. Aber nein, er sagt, Lars Hedegaard ist ein Kämpfer für Meinungsfreiheit, ein Vorkämpfer für Meinungsfreiheit und das ist ja das, was Kurt Westergaard auch immer gesagt hat. Mit seiner Karikatur, dieser berühmten Bombe im Turban, er wollte damit nicht provozieren, sondern er hat mir gesagt, im Gegenteil. Es ist eigentlich eine Anerkennung der Moslems in Dänemark. Wenn ich euch kritisiere, nehme ich euch ernst, ihr seid gleichberechtigter Teil der Bevölkerung hier in Dänemark. Und deswegen hat er nun auch dieses Buch illustriert, weil er sagt, ich möchte mich nicht einschüchtern lassen.

    Schäfer-Noske: Sie haben schon angesprochen, die Bombe im Turban. Gibt es denn Vergleichbares in diesem Buch?

    Wagner: Ja, das wird für Aufsehen sorgen. Da gibt es auch wieder ähnliche Zeichnungen. Ich blättere hier gerade durch, während ich mit Ihnen spreche. Da ist zum Beispiel ein Vertreter des Islam und ein Vertreter des Christentums und darüber das Wort "Dialog" mit einem großen Fragezeichen versehen und das "O" eben als Bombe wiederum gezeichnet. Und eine andere Zeichnung, da sitzt ein Mann, dessen Kopf auch eine tickende Bombe ist, neben dem Koran, das heißt, auch dieser Mann scheint seinen geistigen Sprengstoff aus dem heiligen Buch des Islam zu beziehen. Kurt Westergaard hat gesagt, ich muss als Illustrator natürlich das illustrieren, was der Autor Lars Hedegaard schreibt. Ich habe zwar die Freiheit zu zeichnen, aber ich muss mich an den Text halten. Es ist wichtig, dass es nach wie vor Leute gibt, die für Meinungsfreiheit kämpfen, und deswegen habe ich das getan.

    Schäfer-Noske: Erwarten Sie denn morgen Reaktionen aus der arabischen Welt?

    Wagner: Das ist die große Frage hier in Dänemark. Als bekannt wurde, dass dieses Buch erscheint, hat es schon diverse Artikel gegeben. Man darf gespannt sein morgen auf die Rezensionen. Das wird in Dänemark immer beachtet, dass das Buch erst erscheint und man es dann rezensiert. Es hat es hier am Wochenende noch keine Vorabrezension gegeben. Aber alle fragen sich natürlich, ob es natürlich nun nicht wieder zu Reaktionen wird, in der arabischen Welt. Der Karikaturenstreit, das ist ja auch in Deutschland bekannt. Aber so ein lapidares Wort, man muss sich dran erinnern, das war für Dänemark die größte außenpolitische Krise, die es seit dem Zweiten Weltkrieg gegeben hat. Es hat in der arabischen Welt Tote gegeben. Die dänischen Produkte in der arabischen Welt wurden boykottiert. Nun hat sich das alles gerade etwas beruhigt, und nun kommt dieses Buch. Und Kurt Westergaard hat im Gespräch mit mir auch gesagt, er merkt selbst, dass der Wind sich etwas dreht. Im Frühjahr, als diese Mordpläne gegen ihn bekannt wurden, hatte er eine vorbehaltlose Solidarität erfahren. Mittlerweile erhält er viele Leserbriefe, die schreiben, bitte, hör auf. Bitte, gefährde nicht unser Land. Wir wollen unsere Ruhe haben, wir wollen diese Konfrontation mit dem Islam nicht mehr haben. Man hat natürlich grundsätzlich Verständnis dafür oder befürwortet, dass die Meinungsfreiheit in Dänemark verteidigt wird, die soll in keiner Weise eingeschränkt werden. Dagegen hat es auch nie Stimmen gegeben. Aber man möchte es eben nicht Leuten wie Lars Hedegaard überlassen, sozusagen ständig zu provozieren. Und hier in Dänemark setzt sich, glaube ich, langsam das Credo durch, dass man sagt, man kann, man darf zwar alles publizieren und sagen und drucken, aber man muss nicht alles publizieren, sagen und drucken. Und ich glaube, darin in diese Richtung geht die Stimmung ein wenig zurzeit.

    Schäfer-Noske: Ist denn dann auch der Rauswurf von Lars Hedegaard ein Zeichen für dieses Stimmungsumschwung?

    Wagner: Das kann man so sehen. Die Zeitung sagt, es hat überhaupt nichts damit zu tun, Lars Hedegaard nun rauszuwerfen, sondern es geht um eine generelle Erneuerung. Aber Lars Hedegaard selbst sagt, er hat diverse Hinweise von der Zeitung erhalten, er solle nicht mehr so kritisch über den Islam schreiben. Eines Tages vor zwei Monaten wurde er rausgeworfen. Und er sieht da einen direkten Zusammenhang. Er ist zu kritisch für diese große konservative Zeitung.

    Schäfer-Noske: In Dänemark erscheint morgen ein neues Buch mit Karikaturen des Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard. Sie hörten Informationen dazu von Marc-Christoph Wagner.