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Atem verrät Überlebenserwartung

Medizin. - Herzkranke erkennt man auch als medizinischer Laie oft an ihrem keuchenden Atem. Ein paar Treppenstufen und schon geraten sei außer Atem. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der Arbeit der Lunge und der des Herzen. Wenn das Herz nicht mehr richtig pumpt, fehlt der Lunge die Energie zum Arbeiten. Das wissen die Forscher seit langem. Nun drehen sie den Spieß um, und nutzen die Atemanalyse, um Aussagen über das Herz zu gewinnen.

    Von Hartmut Schade

    Ute Wüstefeld schwingt sich auf das Fahrradergometer und strampelt los. Über Mund und Nase hat sie eine durchsichtige Plastemaske gestülpt. Mehrere Dutzend Sensoren analysieren die Atemluft, messen die Atemfrequenz oder das Atemvolumen und senden die Daten zu einem Computer neben dem Rad.

    Bei Herzpatienten werden bestimmte Herzprobleme kompensiert, meist wirkt sich das auf die Lunge aus und dort gibt es Abweichungen. Es gibt berechnete Normwerte und die liegen unter den Normwerten. Abweichungen davon lassen Aussagen zu, in welche Richtung die Diagnose zu setzen ist. Ist das Herz stärker belastet, liegt es an Lungenproblemen? Wo liegt die Leistungslimitierung?

    Sagt Ute Wüstefeld von der Leipziger Medizintechnikfirma Cortex. Ergospirometrie oder Atemgasanalyse nennt sich das Verfahren, das Sportmediziner seit Jahren verwenden, wenn sie wissen wollen, wie fit Sportler sind.

    Doch im Unterschied zur klassischen Ergospirometrie messen die Ärzte hier nur die Werte, die etwas über das Funktionieren von Herz- und Lunge verraten. So registrieren die Sensoren zum Beispiel, wie viel Sauerstoff der Körper mit jedem Herzschlag aus dem Blut aufnimmt oder die Erholungsfähigkeit des Herzens. Sie messen auch, wie viel Liter Luft jemand einatmet, um einen Liter Sauerstoff zu gewinnen, also die Atemökonomie. Beim Ausatmen registrieren die Sensoren den Kohlendioxidgehalt der Atemluft. Das sei ein äußerst wichtiger Parameter, um Herzerkrankungen zu erkennen, sagt Dr. Dean MacCarter von Kardiologischen Klinik in Denver.

    Sie sind alle bedeutsam, aber ein Parameter, die sogenannte ventilatorische Effizienz, ist besonders wichtig, um die Sterblichkeit vorherzusagen. Das ist die CO2 Abgabe pro Atemminute. Gerade bei Herzpatienten, die eine Dysfunktion der Schlagkraft des Herzen haben , ist die ventilatorische Effizienz eines der wichtigsten Parameter, denn sie ist sehr aussagefähig, was das autonome Gleichgewicht betrifft. Also die ventilatorische Effizienz verrät uns, wie das kardiovaskuläre System bei Belastung funktioniert

    Der Computer vergleicht die Messwerte mit den Werten, die gesunde Menschen erreichen und stellt die Ergebnisse in Form einer Waage dar. Für den Arzt und - wenn der Monitor günstig steht - auch für den Patienten ist auf den ersten Blick sichtbar, wohin sich die Waage neigt.

    Das ist ein typischer Blick auf die Auswertesoftware. Wie sie sehen, schlägt die Waage nach rechts oder links aus, und ich erkenne, liegt der Wert in dem Bereich, den man als grün bezeichnen kann, hohe Überlebenswahrscheinlichkeit, oder ist es kritisch?

    Spätesten dann sollte man sich nicht nur auf dem Fahrradergometer bewegen. Mit Statera - wie das Gerät nach dem griechischen Wort für Gleichgewicht heißt - könnte die Ergospirometrie aus ihrem Nischendasein herauskommen. Bislang war sie in der Kardiologie eine Sache der Experten, erklärt Dr. Dean MacCarter

    Die Methode der kardiopulmonalen Belastungstests wird in der Klinik seit langem angewandt. Das Problem ist aber, die Werte richtig zu interpretieren, das wurde dem einzelnen Arzt überlassen und es gab wenige Aussagen dazu, wie korreliert das eigentlich zum Patientenrisiko, und nun wurde der Sprung gemacht, bestimmte kardiopulmonale Parameter zum Risiko in Verbindung zu setzen.

    Zu den großen Vorteilen des Atemtesters zählt, das die Patienten nicht auf maximale Leistung gehen müssen, damit der Arzt sieht, wie fit ihr Herz noch ist. Schon 10 Minuten bei geringer Belastung reichen, um dies zu erkennen. Ute Wüstefeld steigt jedenfalls ohne eine Schweißperle auf der Stirn ab - die Waage neigt sich in den grünen Bereich.