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Atemberaubende Wandelbarkeit

Wenn heute Abend in Berlin der Deutsche Filmpreis vergeben wird, könnte Alina Levshin zu den Gewinnern gehören. Im Kinofilm "Kriegerin" hat sie die Rolle einer brutalen Rechtsradikalen mit erschreckender Überzeugungskraft gespielt.

Von Camilla Hildebrandt |
    "Das ist Deutschland, Mann, verpiss dich!"

    Natürlich war es nur eine Rolle. Aber der Unterschied zwischen der brutalen Neonazi-Frau, die ohne Skrupel bereit ist, grundlos auf Ausländer einzuschlagen, und der jungen, zarten Erscheinung im Hotelzimmer ist verblüffend.

    Die 26-jährige Alina Levshin, im Dezember 2011 zum ersten Mal Mutter geworden, wirkt wie eine Tänzerin. Das sei auch als Sechsjährige ihr Traum gewesen, meint sie. Damals stand sie schon auf der Bühne, im Kinderensemble des Berliner Friedrichstadt-Palastes. Erst kurz zuvor war sie mit ihren Eltern von Odessa in der Ukraine nach Berlin gezogen.

    "Meine Eltern waren noch ziemlich jung, mit 22 hat man noch nicht so viel verstanden und nicht so viel gesehen von der Welt, und ich glaube, das war auch ein Anliegen meines Vaters, mal rauszugehen und zu gucken, was ist da noch. Man hat ja eh immer das Gefühl: Woanders ist es besser."

    Etwas darstellen, das hat sie schon als Jugendliche fasziniert, sagt Alina Levshin.

    "Es war einfach ein Gefühl. Aber Tanz ist es nicht nur, mit dem Körper sich auszudrücken, das war das Hauptanliegen. Und die Sprache kam dann dazu als Bedürfnis, das ist ja sozusagen auch die Krönung, dass man was sagt."

    Nach dem Abitur 2006 studiert sie an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam. Noch während des Studiums steht sie unter anderem in der Serie "Rosa Roth" vor der Kamera und spielt unter der Regie von Lukas Langhoff in "Lügengespinst" mit. Dafür wird die junge Schauspielerlin auf dem Theatertreffen in Zürich mit dem Ensemblepreis 2009 ausgezeichnet.

    "Geht das hier noch weiter ... oder machen Sie noch ne Kasse auf?" – "Was ist denn hier los?" – "So was bedien ich nicht!..."

    2010 schließlich das Angebot von Regisseur David Wnendt. Ihre Rolle: die junge Marisa in seinem Film "Kriegerin", überzeugtes Mitglied einer rechtsextremen Clique in einer ostdeutschen Kleinstadt. Schuld an Marisas trostlosem Leben sind – die Ausländer. Levshins Schauspiel tut beim Zuschauen weh.

    "Hass ist das Schlimmste. Ich finde, das wichtigste und essentiellste Gefühl bei uns Menschen ist die Liebe, und darauf ist alles aufgebaut. Das heißt, wenn man Hass empfindet, dann muss etwas komplett schiefgelaufen sein."

    Während ihrer Recherche für die Rolle hat sie eine Rechtsradikale getroffen, Mutter zweier Kinder. Ein erschreckendes Erlebnis, erzählt sie.

    "Ich glaube, das sind Menschen, die so verletzt worden sind in ihrer Vergangenheit, so frustriert, so keine Lösung mehr sehen, dass sie nur noch einen Ausweg sehen: Gewalt und Hass. Diese Menschen brauchen eher Hilfe, als dass man sie ausschließt und sagt: Ihr seid verrückt."

    Für Alina Levshin ist ihre Rolle in David Wnendts Film "die Kriegerin" ein Statement: eine Aufforderung etwas gegen Rechtsradikalismus zu unternehmen. Zum Beispiel mit Kindern und Jugendlichen in der Schule darüber zu sprechen.

    "Man sagt: OK, Leute, das gibt es alles, es ist nicht erfunden. Das Wichtigste ist, dass man sich das nicht anschaut und denkt: OK, jetzt hab ich darüber nachgedacht und jetzt ist es OK, sondern dass man die Möglichkeit nutzt, auch wenn man nur eine Einzelperson ist, dass man etwas tut, dass man vielleicht etwas anderes anstößt damit."