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Atomausstieg
Energiekonzerne wollen Risiken verstaatlichen

36 Milliarden Euro mussten die Eigentümer der deutschen Atomkraftwerke für den Abriss der Meiler zurückstellen. Weil fraglich ist, ob diese Summe reicht, versuchen die Konzerne, sich der finanziellen Risiken zu entledigen. Ihr Vostoß, sie auf den Staat zu übertragen, stößt in der Politik auf wenig Gegenliebe.

Von Christel Blanke | 12.05.2014
    Zwei Kühltürme des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld in Bayern in der Abenddämmerung.
    Das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld soll nach dem Willens Eons schon in einem Jahr und zwei Monaten vom Netz gehen. (picture alliance / dpa / David Ebener)
    Spätestens 2022 soll das Kapitel Atomenergie in Deutschland zu Ende gehen. Was bleibt sind enorme Kosten für den Rückbau der Anlagen und die Lagerung des Atommülls. Wie hoch diese Kosten tatsächlich sein werden, ist aus heutiger Sicht nicht absehbar. Der Atomausstieg birgt unkalkulierbare finanzielle Risiken. Das wissen die Energiekonzerne und deshalb würden sie sich dieser Risiken gerne entledigen. Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck ist empört. Im Deutschlandfunk sagt der Grünen-Politiker:
    "Wenn wir uns ein Auto kaufen und das Auto jahrelang fahren und auf einmal sagen, jetzt haben wir kein Interesse mehr daran, dann können wir es auch nicht an den Straßenrand stellen und sagen, soll doch die Politik beseitigen. Das muss ich schon selber entsorgen."
    Vorschlag: Öffentlich-rechtliche Stiftung für Atommeiler
    Nach Informationen des "Spiegels" schlagen die Energiekonzerne E.On, RWE und EnBW vor, die noch laufenden Atommeiler in eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu überführen. Die soll die Anlagen bis zur endgültigen Abschaltung betreiben und danach für den Rückbau und die Entsorgung sorgen. Julius Haucap, Mitglied der Monopolkommission, die die Bundesregierung berät, hat Verständnis für die Idee. Die Konzerne versuchten natürlich, sich des Risikos zu entledigen, sagte er der "Rheinischen Post". Allerdings sei ein Großteil davon kein unternehmerisches Risiko, sondern ein politisches. Auch Michael Vassiliadis, Chef der IG Bergbau, Chemie, Energie zeigt sich aufgeschlossen. Es sei eine schlüssige und prüfenswerte Überlegung, den Rückbau und die Sicherheitsfragen nicht gerade denen zu überlassen, die kein eigenes Interesse mehr daran hätten, sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung nennt den Vorschlag dagegen im ZDF-Morgenmagazin fragwürdig:
    "In der Vergangenheit haben die Konzerne sehr viel Gewinne gemacht. Man hätte jetzt erwarten können, dass sie diese Rückstellungen in der Höhe auch bilden, damit dann auch die Kosten gedeckt werden können durch die Konzerne. Denn sie sind ja verantwortlich für den Rückbau und auch für die Entsorgung des Atommülls."
    Rückstellungen in Höhe von mehr als 30 Milliarden Euro wurden auch tatsächlich gebildet. Mit diesem Geld versuchen die Konzerne, der Bundesregierung ihren Vorschlag schmackhaft zu machen, indem sie es in die Stiftung einbringen wollen. Außerdem würden sie möglicherweise die milliardenschweren Schadenersatzforderungen zurückziehen. Ein Erpressungsversuch, meint Claudia Kemfert:
    "Sie klagen gegen die Bundesregierung, einerseits die Brennelemente-Steuer, die sie in der ersten Instanz auch schon gewonnen haben, weil sie verfassungswidrig wahrscheinlich ist. Und auf der anderen Seite auch dagegen, dass man frühzeitig aus der Atomenergie aussteigt und damit eben Kosten entstanden sind. Und so versucht man eben, den Druck aufzubauen und zu sagen, einen Teil der Kosten muss die Allgemeinheit tragen."
    Bundesregierung weist Ansinnen zurück
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks weist das Ansinnen zurück. Die uneingeschränkte Verantwortung für den sicheren Auslaufbetrieb, die Stilllegung, den Rückbau und die Zwischenlagerung des Atommülls liege bei den Energieunternehmen, erklärte die SPD-Politikerin am Sonntag. Und die Kosten müssten die Konzerne ebenfalls uneingeschränkt tragen. Überlegungen, die Rückstellungen der Energiekonzerne in einen staatlichen Fonds zu überführen, gibt es allerdings schon länger. Auf diese Weise könnte sichergestellt werden, dass das Geld nicht, zum Beispiel durch eine Insolvenz, verloren ginge. Den Konzernen die Risiken abnehmen, haben die Befürworter allerdings nicht im Sinn.