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Atomausstieg kann teuer werden

Der Ausstieg aus der Atomkraft kann teuer werden, denn der Energieversorger Vattenfall hat vor einem internationalen Schiedsgericht auf Entschädigung geklagt. Bei dem Washingtoner Verfahren geht es um die Kosten des Abschaltens der Vattenfall-Atomkraftwerke in Krümmel und Brunsbüttel.

Von Dieter Nürnberger | 12.12.2012
    Diesmal wehrt sich Vattenfall gegen die Konsequenzen des von der Bundesregierung beschlossenen Atomausstiegs nach der Reaktor-Katastrophe in Fukushima. Pieter Wasmuth, Generalbevollmächtigter von Vattenfall:

    "Wir klagen nicht gegen den Atomausstieg an sich, den respektieren wir selbstverständlich. Das ist Teil der politischen und gesellschaftlichen Willensbildung in Deutschland. Wir möchten aber gerne unseren Vermögensschaden kompensiert haben. Das Schiedsverfahren ist ein international etabliertes Element, um solche Fragen zu klären. Bereits 1994 ist Deutschland dieser Energie-Charta beigetreten. Insofern ist das auch nicht so exotisch, wie es klingen mag."

    Grundlage des Verfahrens ist die beim Schiedsgericht verankerte Energiecharta, die die Rahmenbedingungen für Handel und Investitionsschutz im Energiesektor regelt. Da Vattenfall ein schwedischer Konzern ist, kann er gegen die Bundesrepublik vor dem Washingtoner Schiedsgericht ein Verfahren beantragen. Deutschen Unternehmen wäre dies verwehrt. Parallel haben Vattenfall und andere Atomenergiebetreiber ebenfalls eine Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. In beiden Verfahren geht es um Milliardensummen.

    Beim Washingtoner Verfahren geht es um die Kosten des Abschaltens der Vattenfall-Atomkraftwerke in Krümmel und Brunsbüttel. Man beruft sich hierbei auf Investitionen von rund 700 Millionen Euro, die dort vorgenommen wurden, um den Betrieb nach einer ganzen Serie von Pannen zu gewährleisten. Dass der Konzern nun hofft, diese Kosten letztendlich auf den Steuerzahler abwälzen zu können, erzürnt viele Umweltverbände. Gerd Rosenkranz, politischer Berater der Deutschen Umwelthilfe, hält die Argumentation von Vattenfall für unverschämt.

    "Weil es ja schon einmal einen Atomausstieg gegeben hat. Nämlich 2002, den die Vorgänger von Vattenfall selbst unterzeichnet haben. Dann hat Vattenfall in der Zeit von 2002 bis 2010 eigentlich alles getan, um diesen ersten Atomausstieg zu unterlaufen. In der Hoffnung, dass dann eine neue Regierung den Atomausstieg rückgängig macht. Und jetzt zu kommen und zu sagen, dieses trifft uns unvorbereitet, das halten wir für dreist. Vattenfall ist ein unternehmerisches Risiko eingegangen, dieses Risiko wurde Realität – und damit muss man sich abfinden."

    Die Energiecharta beim Schiedsgericht wurde einst aufgesetzt, um Investitionen von Konzernen in Schwellen- und Entwicklungsländern abzusichern. Die Industrieländer, die den Vertrag unterzeichneten, hatten somit eher unsichere Kandidaten im Visier, also Staaten, in denen eine nicht per se verlässliche Rechtsordnung besteht. Vattenfall-Generalbevollmächtigter Pieter Wasmuth will hier keine Parallelen ziehen, aber:

    "In diesem speziellen Falle ist es so, dass durch die 13. Atomgesetznovelle relativ spontan eine fundamentale Veränderung der Rahmenbedingungen eingetreten ist. Mit direkten Auswirkungen auf unsere Investitionen und Vermögenspositionen. Insofern sehen wir schon einen Sachverhalt, den wir dort vorgebracht haben. Ob er dort überhaupt verhandelt werden kann – das wird derzeit ja geklärt."

    Für die Deutsche Umwelthilfe ist das Anrufen des Washingtoner Schiedsgerichts durch Vattenfall auch deshalb dreist, weil es sich bei Brunsbüttel und Krümmel um ausgesprochene Pannen-Meiler handele, die vor allem durch Störfälle und langfristige Abschaltungen in den Schlagzeilen gewesen seien. Gerd Rosenkranz:

    "Krümmel ist noch einmal 2009 kurzfristig für zwei Wochen ans Netz gegangen. Aber insgesamt haben beide 4 Jahre bis zum endgültigen Ausstieg stillgestanden. Das heißt, Vattenfall hat die ganze Zeit nur Geld draufgelegt, hat versucht, diese Kraftwerke wieder in Gang zu setzen. Brunsbüttel durfte nach Meinung der DUH aus juristischen Gründen ohnehin nicht wieder ans Netz gehen, weil es drei Jahre ununterbrochen stillgestanden hat. Und deshalb die Betriebsgenehmigung verloren hat."

    Die beiden Meiler sind längst somit nicht mehr am Netz. Anfang November hat Vattenfall einen Stilllegungsantrag für das AKW Brunsbüttel gestellt. Der Rückbau werde mindestens 10 bis 15 Jahre dauern. Die Kosten werden mit bis zu einer Milliarde Euro beziffert. Vattenfall will diese Ausgaben aus einer dafür vorgeschriebenen Rücklage bestreiten.