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Atomaustieg und Wasserkraft

"Die Kunst, das Morgen zu denken" - unter diesen Titel hat der Nachhaltigkeitsrat seine Jahrestagung 2006 gestellt. Experten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft beraten in Berlin über alternative Energien, Wachstum, Umwelt und soziale Gerechtigkeit. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wird erwartet.

Von Philip Banse | 26.09.2006
    Die rund 1.000 Politiker, Wissenschaftler, Unternehmer und Vertreter der Zivilgesellschaft werden in sieben Foren zentrale Aspekte des umfassenden Themas Nachhaltigkeit diskutieren: Es geht um die Auswirkungen des demografischen Wandels auf Umwelt, Wachstum und soziale Gerechtigkeit, es geht um die Verantwortung der Unternehmen, es geht um den Umbau der Sozialsysteme und die zukünftige Struktur der Energieversorgung.

    Angelika Zahrnt, Ratsmitglied und Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz, sagte: Klimawandel, Migration, Kriege, Armut, Umweltzerstörung und Ressourcenverschwendung - diese zentralen Menschheitsprobleme hingen miteinander zusammen - was die Politik jedoch ignoriere:

    "Politik reagiert auf diese Problemfülle mit Phlegma und Unwillen, provinziell und jedenfalls mit viel zu kleinen Schritten. man hält die klassischen Politikfelder hoch und dort ist man auch im üblichen Maße diskussionsbereit und handlungsfähig: Kombilohn gegen Mindestlohn, Unternehmensteuer, Kündigungsschutz, Höhe der Renten.

    Doch im Grunde hat sich die Rangordnung der Themen verändert. Gemessen an den großen globalen Probleme: Ökologie, Migration, Sicherheit, Armut, sind die deutschen Themen eher kleine Hausaufgaben. Aber die historische Dimension der internationalen Herausforderungen wird nicht angenommen."

    Damit ist die Bundesregierung gemeint. Die große Koalition habe die Nachhaltigkeitsstrategie zwar im Koalitionsvertrag verankert - dabei sei es jedoch geblieben, getan habe sich seitdem nichts, die Regierung müsse die Nachhaltigkeit ernster nehmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird in wenigen Sekunden zu diesen Vorwürfen Stellung nehmen.

    Der Rat für Nachhaltigkeit hat 19 Mitglieder, darunter Politiker wie Klaus Töpfer, Direktor des UN-Umweltprogramms, Wissenschaftler, Verbraucherschützer, ein ehemaliger VIVA-Moderator und Unternehmer wie Fritz Vahrenholt, Vorstandschef der Repower AG, einem Unternehmen das Windkraftanlagen herstellt.

    Vahrenholt hält den Impulsvortrag im Forum "Energie 2030 - zurück zum Stadtwerk?". Die Struktur der Energiesysteme sei die wichtigste Thema auf dem Kongress, sagt der Windkraftmanager. Er fordert, den vier großen Monopolisten auf dem deutschen Energiemarkt, die Netze zu entziehen und den 800 Stadtwerken in Deutschland mehr Selbstständigkeit zu verschaffen. Nur so könnten neue Anbieter Energie verkaufen und die Verbraucher wählen, ob sie Strom aus Kohle, Wasser-, Wind- oder Atomkraft haben möchten.

    Für eine nachhaltige Energiepolitik sei es jedoch auch entscheidend, dass Deutschland sich nicht abhängig mache von wenigen ausländischen Energielieferanten. Der Windkraft-Unternehmer sprach sich daher dafür aus, den Atomausstieg um zehn Jahre auf 2030 zu verschieben:

    "Wir müssen uns Zeit kaufen, um erneuerbare Energien wettbewerbsfähig zu machen. Wir müssen auch an die heimische Kohle denken. Die heimische Kohle hat das Zeug dazu, uns unabhängig zu machen vom Persischen Golf, wenn man sie umweltfreundlich machen, wenn man das CO2 rausholen kann. Dazu brauche ich Zeit. Der Ausstieg ist vorgezeichnet, aber warum nun unbedingt in den nächsten zehn Jahren?"

    Reporwer-Vorstand Vahrenhold, sagte der Rat für Nachhaltigkeit habe durchaus Einfluss auf die Politik. Als Beispiel nannte er die Erforschung CO2-freier Kohlekraftwerke:

    "Das haben wir 2001 thematisiert, 2002 der Bundesregierung auf den Weg gegeben und siehe da in 2003 wurde ein 100-Millionen-Euro Forschungsprogramm auf den Weg gebracht und jetzt haben die ersten beiden Konzerne erklärt, sie bauen die ersten Pilotanlagen. Ich finde das ein gutes Beispiel, das war ein Thema, was völlig vergraben war. Kohle war hässlich, dreckig, alt und klimaschädlich. Und jetzt auf einmal hat es eine Renaissance bekommen durch die Aufmerksamkeit des Rates."