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Atomkraft in der Kostenfalle, Teil 3
Rückbau und Entsorgung kosten Milliarden

Die Kosten für die Entsorgung von strahlenden Abfällen und den Rückbau von stillgelegten Atommeilern müssen die Betreiber übernehmen. Trotz rechtlich vorgeschriebener Rückstellungen in Milliardenhöhe ist die Finanzierung der Entsorgung jedoch nicht gesichert. Experten fordern zusätzliche Finanzierungsmodelle.

Von Anke Petermann | 11.03.2014
    Vier Jahrzehnte nach Inbetriebnahme sind die Biblis-Blöcke A und B abgeschaltet, Ende vergangenen Jahres reichte der Betreiber RWE den Antrag auf Stilllegung des südhessischen Altmeilers ein. Für das kommende Frühjahr rechnet RWE damit, dass das hessische Umweltministerium als Aufsichtsbehörde den Rückbau genehmigt. Die einen trauern nun um ihre Arbeitsplätze, andere sind erleichtert, wie die Mutter mit Kleinkind: "Für mich war das über die Jahre immer eine Belastung. Ich bin froh, dass es zu Ende ist, beziehungsweise geht. Ich hab mich da schon auch belastet gefühlt, was meine Gesundheit betrifft."
    Betreiber zahlen Rückbau
    Finanziell belastet wird nun der Betreiber, der den Abriss bezahlen muss. Wie viel das kostet, könne RWE erst berechnen, nachdem man die mit der Stilllegung verbundenen Auflagen kenne, sagt ein Unternehmenssprecher. Zwischen einer halben und einer Milliarde Euro schwankten die Kosten für Nachbetrieb und Rückbau eines Atomkraftwerks – je nach Größe, Alter und Betriebsstunden. Im Nachbarland Baden-Württemberg hat EnBW vor fünf Jahren begonnen, das Atomkraftwerk Obrigheim flachzulegen, einen kleineren Reaktor. Exakt vorauskalkulieren lassen sich die Kosten nicht, konstatiert Konzernpressesprecher Ulrich Schröder:
    "Wir haben Kostenschätzungen, wir gehen davon aus, dass der gesamte Rückbau der gesamten Anlage in einem mittleren dreistelligen Millionenbereich liegen wird. Insgesamt hat EnBW ja 6,8 Milliarden zum 31.12.2012 an Kernenergie-Rückstellungen gebildet." Als Teil der handelsrechtlich vorgeschriebenen steuerfreien Rückstellungen in Höhe von 34 Milliarden Euro, die alle vier Energiekonzerne bilden mussten und müssen, um Nachbetrieb und Abriss, aber auch Entsorgung und Endlagerung schwach-, mittel- und hoch radioaktiver Abfälle bezahlen zu können.
    "Diese Rückstellungen werden ja jährlich von unabhängigen Gutachtern überprüft und gegebenenfalls aufgestockt, wie man zum Beispiel gesehen hat nach der Änderung des letzten Atomgesetzes. Das heißt, hier werden dann neue Zuführungen gebildet, wenn die unabhängigen Gutachter zu anderen Ergebnissen kommen."
    Kosten können nur geschätzt werden
    Genügend Geld ist also beiseitegelegt, damit die Verursacher auch Zusatzrisiken wie Asbest-Entsorgung oder die Bergung korrodierter Atommüll-Fässer aus dem stillgelegten Atomkraftwerk Brunsbüttel in Schleswig-Holstein abdecken? Beate Kallenbach-Herbert vom Ökoinstitut Darmstadt: "Es gibt Schätzungen von verschiedenen Gutachtern, die dann auch etwa im Bereich 34 Milliarden Euro plus vielleicht noch einen Sicherheitsaufschlag wegen der Langfristigkeit der Aufgabe kalkulieren. Insofern liegt das nicht ganz so weit von dem, was vonseiten der Betreiber angenommen wird."
    Ein erhebliches Risiko aber bleibe, sollten die Konzerne innerhalb der kommenden Jahrzehnte in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten: "Es ist in der Tat so, dass die Rückstellungen innerhalb der Konzerne gemacht werden. Das heißt, im Falle einer Insolvenz steht das Geld möglicherweise nicht mehr zur Verfügung. Gerade für die sehr langfristige Aufgabe der Endlagerung sollte man insofern wirklich über andere Lösungen nachdenken. Externe Fonds, wie man es auch in anderen Ländern macht, die dann auch von der öffentlichen Hand bewirtschaftet werden und damit das Geld vor Unternehmenspleiten gesichert wäre."
    Eine zweite Asse verhindern
    Das fordern auch die Grünen im Bundestag. Und verlangen, dass sich ein Finanzierungsdebakel wie bei der Sanierung der Asse nicht wiederholt. In das weltweit erste unterirdische Atommülllager dringt Wasser ein, die marode Grube droht einzustürzen. Die dort lagernden Fässer mit schwach- und mittel-radioaktivem Müll aus den Sechziger- und Siebzigerjahren müssen geborgen werden. 120 Millionen Euro stellt der Bund als Eigentümer jährlich für die Sanierung der Asse bereit. Erst in zwei Jahrzehnten kann die Bergung beginnen. Mindestens vier Milliarden Euro Steuergeld dürfte das Katastrophen-Management langfristig kosten, erklärt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl. Ein Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte mit dem Beseitigen strahlender Hinterlassenschaften der Atomindustrie.