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Atomkraft ja bitte

"Noch ist Polen nicht verloren" – so beginnt die polnische Nationalhymne. Zurzeit machen sich Atomkraftgegner in Polen damit Mut. Den werden sie brauchen, denn Vertreter aller politischen Parteien in Polen sind sich zumindest in einem Punkt einig: Das Land braucht ein Atomkraftwerk.

Von Henryk Jarczyk | 04.01.2012
    Als in Fukushima gerade die Kernschmelze drohte und weltweit selbst konservative, der Atomkraft nicht wirklich abgeneigte Politiker ein bis dahin für unmöglich gehaltenes Anti-AKW-Konzert anstimmten - gerade in diesem Augenblick, da trat Premier Donald Tusk vor die Presse und verkündete im Brustton der Überzeugung:

    "Wenn jemand keine Atomkraftwerke bauen will, dann ist das sein Problem. Wir indes glauben fest daran, dass Atomkraft eine gute Alternative ist, wenn es um die Energieerzeugung geht.'' "

    Käme das Atomkraftplädoyer vom so häufig verstört wirkenden Oppositionsführer Kaczynski, hätten es vermutlich viele für unwichtig erachtet. Verkündet wurde es aber ausgerechnet vom liberalen Premier Donald Tusk. Jenem Politiker, der sich sonst an den Trends vor allem in Deutschland ziemlich gerne orientiert. Nur in dieser einen Frage, da will er sich offenbar von niemandem dreinreden lassen. Nicht einmal von seinen politischen Freunden in Berlin.

    ""Wenn für Deutschland Atomkraftwerke nicht überlegenswert sind, dann würde ich gerne wissen, welche Energiequelle stattdessen in Frage kommt. Weil Windräder - bei vollem Respekt für grüne Energie - die Lücke in Deutschland nicht füllen können, sollten dort AKWs stillgelegt werden.''"

    Mit dieser Meinung ist Donald Tusk nicht alleine. Zumindest was die politische Bühne anbelangt. Ob Erzkonservative aus dem Kaczynski-Lager, Postkommunisten aus den Reihen der Sozialdemokraten oder Rechtsnationale: Größer könnte die politische Atomlobbykoalition in einem Land nicht ausfallen. Was wiederum den Schluss nahe legt: Sollte es in Polen tatsächlich zum Bau der ersten AKWs kommen - am Widerstand im Parlament dürfte das Vorhaben nicht scheitern. Spätestens in zehn Jahren – so die Devise von Donald Tusk – werde in Polen das erste Atomkraftwerk ans Netz gehen. Und zwar irgendwo an der Küste im Norden des Landes. In einer Region, in der Touristen gerne Urlaub machen. Ob das auch in Zukunft so bleibt? Die Meinungen sind geteilt:

    ""Ich denke, dass die Atomkraftwerke gebaut werden sollten. Wir haben einen Mangel an Energie. Ich bin dafür!"

    "Ich bin sehr dagegen. Atomkraft bedroht unser Leben."

    "Wenn Atomkraft so gut ist, dann frage ich, weshalb andere Länder damit aufhören. Auch Deutschland und Frankreich wollen die Kraftwerke stilllegen."

    "Die sollen es ruhig bauen. Warum nicht. Moderne Technologien können nützlich sein. Und der Strom wird billiger."

    Vor allem das letzte Argument verwendet auch Kommunalpolitiker Henryk Döring gerne und oft. Und was den Tourismus unweit der Küste anbelangt, da - meint der Gemeindevorsteher eines der potenziellen AKW-Standorte - sollte man sich keine übertriebenen Sorgen machen:

    "Wir würden es nicht verstehen, wenn das erste Atomkraftwerk nicht hier entstünde. Natürlich sind die Touristen für uns wichtig, aber ein Atomkraftwerk wird sie nicht abschrecken."

    Ob Henryk Döring recht hat, lässt sich schwer sagen. Nur eines steht fest: In der Nähe seiner Gemeinde sollte schon mal ein Atomkraftwerk entstehen. Vor 27 Jahren war das. Heute erinnert nur noch eine Bauruine daran. Ein Menetekel und bester Beweis für jene, die da "Noch ist Polen nicht verloren" skandieren, wenn es darum geht, der Atomlobby im Land Paroli zu bieten.