Donnerstag, 28. März 2024

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Atomkraftwerke
Sechs Stunden für die Sicherheit

Die Bundesregierung befürwortet eine deutliche Ausweitung der Sicherheitszonen im Umfeld deutscher Atomkraftwerke. Im Fall einer Katastrophe sollen innerhalb von sechs Stunden alle Anwohner im Umkreis von fünf Kilometern in Sicherheit gebracht werden.

10.03.2014
    Hinter dem Kirchturm der Gemeinde Philippsburg und zwei roten Dächern von Wohnhäusern erheben sich die beiden Kühltürme des Atomkraftwerks Philippsburg.
    Die Bundesregierung will die Evakuierungszonen bei Atomunfällen neu regeln. (dpa / Uli Deck)
    Bislang umfasste diese sogenannte Zentralzone nur zwei Kilometer. Die daran anschließende Mittelzone soll zudem von zehn auf zwanzig Kilometer Entfernung zum Kraftwerk ausgeweitet werden. "Die Evakuierung ist so zu planen, dass sie in der Mittelzone 24 Stunden nach der Alarmierung der zuständigen Behörden abgeschlossen werden kann“, heißt es in den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission, die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in Berlin vorgestellt hat und nun an die Innenministerkonferenz weiterleiten will.
    Jodtabletten zum Schutz vor Radioaktivität
    Die sogenannte Außenzone, in der im Notfall die Bevölkerung zum Schutz vor Radioaktivität mit Jodtabletten versorgt werden soll, soll laut den Empfehlungen von 50 auf 100 Kilometer erweitert werden. Einbezogen wären damit auch die Millionenstädte Hamburg und München. Jodtabletten sollen in den betroffenen Gebieten an alle Menschen bis zum Alter von 45 Jahren ausgegeben werden. Für Jugendliche sowie für Schwangere ist laut Umweltministerium im Katastrophenfall sogar eine Ausgabe im Umkreis von 200 Kilometern um ein Akw vorgesehen. Die Einnahme von unbelastetem Jod verhindert die Aufnahme von radioaktivem Jod durch die Schilddrüse.
    "Die aktuellen Empfehlungen der Strahlenschutzkommission sind ein geeigneter Ansatz für Notfallplanungen bei Unfällen in Kernkraftwerken“, erklärte Hendricks, die auch auf EU-Ebene eine Harmonisierung der Katastrophenschutzregeln anstrebt. Eine Lehre aus Fukushima sei, "dass Katastrophenschutzplanungen unabhängig von kerntechnischen Eintrittswahrscheinlichkeiten stattfinden müssen".
    Schwere Unfälle berücksichtigen
    Die Ministerin wies darauf hin, dass die neuen Empfehlungen auch "äußerst unwahrscheinliche schwere Unfälle" in Atomkraftwerken berücksichtigten. Dazu zähle auch ein Versagen der sogenannten Containment-Systeme, die bei einer Kernschmelze das Austreten von Radioaktivität verhindern oder zumindest stark verzögern sollen. Ihre Forderung nach europaweit abgestimmten Regeln begründete Hendricks mit Gefahren durch grenznahe Atomkraftwerke in Nachbarländern, wie zum Beispiel in Frankreich.
    Katastrophenschutz liegt in Händen der Länder
    Die Zuständigkeit für den Katastrophenschutz liegt in Deutschland nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. Deren Zustimmung zu den Empfehlungen gilt jedoch als wahrscheinlich. Kürzlich hatte auch die Katastrophenschutz-Kommission des Bundesinnenministeriums eine bessere Vorsorge gegen Atomunfälle gefordert. Atomkraftgegner und Umweltverbände haben mit Blick auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 erneut auf eine Beschleunigung des in Deutschland bis 2022 geplanten Atomausstiegs gedrängt.
    In Fukushima war am 11. März 2011 durch ein Erdbeben und einen Tsunami das Atomkraftwerk so schwer beschädigt worden, dass die Kühlanlagen ausfielen. In mehreren Reaktoren kam es zur Kernschmelze. Große Mengen Radioaktivität traten aus; Zehntausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen.