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Atommüll-Lagerung
Die Nahstellen im Blick

Wie sicher lagert radioaktiver Müll in Deutschland? In der mittelhessischen Gemeinde Ebsdorfergrund auf alle Fälle so, dass Besucher sich ein Bild verschaffen dürfen. Hier werden Roststellen seit bald 40 Jahren beobachtet – und Inhalte gegebenenfalls umgepackt.

Von Ludger Fittkau | 05.02.2015
    Stahlblechfässer mit radioaktivem Abfall lagern im Feststofflager des Kernkraftwerks Brunsbüttel.
    Erhöhte Radioaktivität wurde im stillgelegten Atomkraftwerk Brunsbüttel noch nicht festgestellt. Genauso wenig wie in Hessen, wo rund 40 beschädigte Behältnisse mit radioaktivem Müll lagern. (Vattenfall, dpa picture-alliance)
    Eine verzauberte Winter-Landschaft auf dem Gebiet der Gemeinde Ebsdorfergrund im mittelhessischen Landkreis Marburg-Biedenkopf. Über eine schnee-glatte Forststraße geht es mehrere Kilometer lang immer tiefer in den Wald hinein. Schließlich läuft der Weg auf ein umzäuntes und video-überwachtes Areal zu, in dessen Mitte eine Lagerhalle steht. Die Einfahrt zum Gelände ist geöffnet. Ein Schild trägt die Aufschrift: Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie - Landessammelstelle.
    Kontaminationsgefahr vorhanden
    Dass in dieser schönen Gegend regelmäßig LKW Fässer mit radioaktivem Müll abladen - erfährt der zufällige Wanderer nicht. Besucher, die Bescheid wissen, bekommen von Mitarbeiter Sven Eidam eine Unterweisung, bevor sie in weißem Kittel und mit Strahlenmessgerät an der Brust die Halle betreten dürfen:
    "Grundsätzlich ist es so, da wir den Strahlenschutzbereich betreten, ist eine Kontaminationsgefahr vorhanden. Wenn die Fässer in die Halle eingelagert werden, werden sie zwar auf Kontamination überprüft, aber man kann es nie grundsätzlich ausschließen, dass Kontamination vorhanden ist."
    Langsam öffnet sich eine mächtige Brandschutztür. Dahinter lagern die Fässer mit zumeist schwach-radioaktiven Abfällen aus Medizin, Forschung, Industrie und Gewerbe. Die Halle wirkt aufgeräumt und übersichtlich. Sie ist etwa zur Hälfte mit gelben Fässern gefüllt. Diese sind so gestapelt, dass notfalls jedes Einzelne in Augenschein genommen werden kann. Die sogenannte "Ortsdosisleistung", also die Strahlenbelastung in der Hallenmitte sei gering, versichert der Strahlenschutzbeauftragte Thomas Allinger:
    "Die Ortsdosisleistung hier auf dem Gang an der ungünstigsten Stelle entspricht im Maximum einem Flug nach Gran Canaria und da könnten wir uns hier über eine Stunde aufhalten. Also vergleichen mit der natürlichen Radioaktivität haben wir hier in der Mitte keine Probleme. In den Stapeln achten wir natürlich schon auf Strahlenschutz und optimieren unsere Aufenthaltszeit."
    Angst vor radioaktiver Strahlung
    Seit Mitte der 1960er Jahre gibt es dieses Lager, erklärt Thomas Allinger. Weil es schon damals Ängste vor den radioaktiven Strahlen gab, wurde es im abgelegenen Waldgebiet errichtet. Allinger verlässt den strahlenarmen Bereich in der Hallenmitte und geht sehr nahe an ein Fass, das an einigen Stellen braune Flecken aufweist:
    "Ja, dass wäre jetzt so ein Beispiel eines Fasses, wo man Rostspuren findet. Die Fässer sind an die 40 Jahre alt. In der Struktur sind die durch diese Rostspuren in keiner Weise geschädigt."
    Das ist insbesondere im stillgelegten AKW Brunsbüttel bei Hamburg anders. Dort ist jedes vierte Fass etwa an Nahtstellen geschädigt.
    Um die Unterschiede zu Brunsbüttel zu verdeutlichen, öffnen die Mitarbeiter des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie der Presse ihre Halle mit den Atommüllfässern. Man will zeigen, dass hier alles wohlgeordnet ist und dass undichte Fässer jederzeit in größere Behälter umgepackt werden können, wenn nötig. Rund zehn Mal passierte dies seit Bestehen der Sammelstelle bisher.
    Rostspuren mit Klarsichtfolie abgeklebt
    Doch bevor das geschieht, beobachtet das Team des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie eine Zeit lang, wie sich die Roststellen entwickeln. Davon erhofft man sich Erkenntnisse über das, was im Inneren des Fasses vor sich geht.
    "Wenn man an einer kritischen Stelle eine Rostspur findet, dann wird die natürlich näher untersucht. Und im Zweifelsfall dann abgeklebt mit Klarsichtfolie. Sodass man irgendwelches austretendes Material dann schon optisch sehen würde."
    Die Fässer sollen künftig in der ehemaligen Schachtanlage Konrad bei Salzgitter endgelagert werden. Zumindest dann, wenn sich im Inneren keine chemischen oder biologischen Reaktionen abspielen, die Wärme entwickeln, solange bleiben sie hier und müssen gut beobachtet werden.
    "Fünf, vier, drei, zwei, Eins - kontaminiert."
    Nach dem Rundgang durch die Halle schlägt der Strahlenscanner bei Thomas Allinger mehrfach an. Ein zusätzlicher Geigerzähler wird geholt, die Schuhsohlen genauestens gescannt.
    "Kontrolle abgebrochen - bitte erneut kontrollieren."
    Keine Radioaktivität - sondern elektrostatische Aufladung
    Nach ein paar Minuten ist sich das Team der Landessammelstellesicher: Es ist keine Radioaktivität, sondern eine elektrostatische Aufladung, glaubt Strahlenschutzfachmann Thomas Allinger:
    "Wenn das jetzt eine echte Kontamination wäre, würde ich jetzt die Schuhe ausziehen und die Dekontaminierung und die tatsächlich hier im Gebäude lassen."
    Damit auch die Öffentlichkeit sicher sein kann, dass Radioaktivität tatsächlich im Gebäude bleibt und nicht freigesetzt wird, gibt es im Ebsdorfergrund seit Jahren ein Kontrollgremium, in dem die Vertreter der Kommunen sitzen. Früher hat es auch mal einen regelmäßigen "Tag der Offenen Tür" im Atommüll-Lager gegeben. Doch seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York sei das wieder eingestellt worden - aus Sicherheitsgründen.