Archiv


Atomstrom statt Gas

Angesichts des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine ruft der Koordinator der Union für Energiepolitik, Joachim Pfeiffer, zu einem Umlenken in der deutschen Energiepolitik auf. Langfristig müsse Deutschland die "Abhängigkeit von einzelnen Staaten" reduzieren. Dies könne durch neue Gaslieferanten sowie einen neue Energie-Mix erreicht werden: "Wir sollten dann aber auch die Kernenergie beibehalten", so Pfeiffer.

Joachim Pfeiffer im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Der russische Gashahn bleibt weiter zugedreht, doch immerhin: Sie reden wieder miteinander. In der Nacht gab es direkte Gespräche zwischen Russland und der Ukraine. Die beiden Chefs der beiden Energiekonzerne Gazprom und Naftogaz trafen sich zu Verhandlungen in Moskau - ein Hoffnungsschimmer für die betroffenen Länder in Ost- und Mitteleuropa. Doch das Frieren in diesem bitterkalten Winter geht weiter.

    Nach den Verhandlungen in Moskau stieg also Gazprom-Chef Alexej Miller und sein ukrainischer Kollege in den Flieger in Richtung Brüssel. Dort sollen heute die russisch-ukrainischen Gespräche unter europäischer Vermittlung weitergehen. Die Europäische Union ist tief besorgt über die möglichen Folgen dieses Konfliktes und will deshalb möglichst rasch die Streithähne an einen Tisch bringen.

    Am Telefon begrüße ich jetzt den CDU-Bundestagsabgeordneten Joachim Pfeiffer. Er ist der energiepolitische Koordinator der Union. Guten Tag, Herr Pfeiffer.

    Joachim Pfeiffer: Guten Tag, Herr Heinlein.

    Heinlein: Trotz dieser Gespräche in Brüssel, macht Ihnen dieser Konflikt Sorgen?

    Pfeiffer: Ja. Selbstverständlich ist dieses mit Sorge zu betrachten, wenngleich es natürlich insbesondere für den deutschen Verbraucher, also für den einzelnen Haushalt, also auch die deutsche Wirtschaft, eine positive Nachricht gibt, kurzfristig. Die Gasversorgung in Deutschland ist nicht in Gefahr.

    Wir haben genug Vorräte in den Speichern und genug Lieferungen. Im Moment kommen ja noch zwei Drittel des Gases nicht aus Russland, sondern aus anderen europäischen Quellen, so dass anders als in anderen EU-Ländern - beispielsweise Bulgarien oder in der Slowakei - in Deutschland keine unmittelbaren Versorgungsengpässe zu befürchten sind und gerade bei dieser Wetterlage die Deutschen nicht im Kalten sitzen müssen.

    Heinlein: Keine Versorgungsengpässe derzeit. Wie rasch werden wir denn die Folgen zu spüren bekommen, sollte es tatsächlich zu keiner Lösung kommen?

    Pfeiffer: Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass es zu keiner Lösung kommt. Die Frage ist nur, wann es zu einer Lösung kommt. Wir haben sicher einige Tage oder gar Wochen. Wir haben ja eine Bevorratung von ungefähr drei Monaten in Deutschland, so dass wir da nicht sorgenfrei, aber relativ gelassen auch entgegenblicken können.

    Das heißt aber keinesfalls - und da stimme ich vollkommen zu, was der Kollege aus Brüssel gerade gesagt hat -, langfristig müssen wir hier andere Wege beschreiten. Im Moment haben wir ein Drittel der Gaslieferungen aus Russland in Deutschland. Die Produktionssituation wird sich in den nächsten 20 Jahren in Europa drastisch verändern. In Holland, in Großbritannien wird in der Nordsee die Gasförderung mehr oder weniger auslaufen. Es wird nur noch Norwegen übrig bleiben.

    Das heißt, in 20 Jahren von jetzt gerechnet wird sich das umdrehen. Dann werden zwei Drittel bis 70 Prozent des Gases aus Russland kommen, wenn wir hier nicht gegensteuern. Und deshalb sind wir langfristig sehr gut beraten - und deshalb ist da auch Handlungsbedarf politischer Art gegeben -, dass wir hier energiestrategisch umsteuern und uns nicht in eine einseitige Abhängigkeit von irgendjemand geben und auch nicht von Russland.

    Heinlein: Also welche Lehren sollte die Bundesregierung aus diesem Gasstreit ziehen? Sich nicht zu sehr auf russische Energiequellen verlassen?

    Pfeiffer: Es gilt auf jeden Fall, im Gasbereich zu diversifizieren. Sprich: Wir brauchen alle Pipelines, die nach Europa kommen können. Es bedarf nicht nur einer nationalen Lösung, sondern wir brauchen dort einen europäischen Ansatz. Das heißt, wir brauchen neben der Ostsee-Pipeline auch in Südeuropa zum Beispiel Nabucco. Das ist eine Gas-Pipeline, die über die Türkei dann auch andere Quellen in Aserbeidschan oder im Mittleren und Nahen Osten erschließen kann.

    Wir brauchen also hier Diversifizierung in die Infrastruktur. Wir brauchen das sogenannte LNG. Das ist das Flüssiggas. Das heißt, wie Öl kann das auch mit einem Tanker transportiert werden, um beispielsweise weitere Gasproduzenten und Lieferquellen zu erschließen. Und wir müssen drittens aus meiner Sicht auch die Frage der Biogas-Einspeisung - da haben wir in Deutschland ein Ziel: zehn Prozent bis 2030 - gegebenenfalls sogar noch erhöhen, um hier Versorgungssicherheit im Gasbereich zu bekommen.

    Aber der Gasbereich steht ja auch nicht allein, sondern er muss in ein energiepolitisches Gesamtkonzept eingebettet sein, und dort rate ich uns dringend, das energiepolitische Zieldreieck - eben Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit, Preiswertigkeit - gleichzeitig zu verfolgen und nicht nacheinander.

    Heinlein: Gibt es denn Konsens in der Bundesregierung, bei der Großen Koalition, dieses energiepolitische Umsteuern tatsächlich zu wagen in den kommenden Jahren?

    Pfeiffer: Im Grundsatz gibt es über das Ziel durchaus Konsens, aber über den Weg dahin gibt es unterschiedliche Auffassungen. Wir als Union sind nachhaltig der Meinung, die Lösung liegt hier in einem Mix der Energieträger. Wir müssen einerseits die erneuerbaren Energien massiv ausbauen. Wir können dann beispielsweise im Strombereich 30 Prozent - das ist das Ziel bis 2020 - erreichen.

    Wir sollten dann aber auch die Kernenergie beibehalten. Das ist auch eine heimische Energiequelle. Die produziert auch 30 Prozent des Stromes. Und wenn wir dann noch mit heimischer Braunkohle, die dann mit neuer Technik hoffentlich auch grünen Kohlestrom erzeugt, ab 2020 zehn, 20 Prozent noch beisteuern, dann sind wir im Strombereich weitestgehend unabhängig.

    Und im Wärmebereich, Verkehrsbereich, Transportbereich müssen wir ähnliche Wege einschlagen. Und da gibt es in der Tat noch Dissens, auch was früher die rot-grüne Bundesregierung hier gemacht hat. Die haben quasi den Marsch ins Gas hier vorgeprägt und es zeigt sich ja jetzt: Der ist langfristig auf jeden Fall der falsche Weg.

    Gas ist nicht die einfache Lösung, weil es vermeintlich weniger CO2-Ausstoß beinhaltet und unbegrenzt zur Verfügung steht. Gerade jetzt zeigt sich das. Deshalb sind wir sehr, sehr gut beraten, langfristig unsere Abhängigkeit von einzelnen Staaten dort nicht zu erhöhen, sondern maximal auf dem jetzigen Level zu halten und langfristig zu reduzieren.

    Heinlein: Heute Mittag im Deutschlandfunk der energiepolitische Koordinator der Union, Joachim Pfeiffer. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.

    Pfeiffer: Bitte schön. Auf Wiederhören!