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Atomverhandlungen mit dem Iran
"Man dreht sich in gewisser Weise im Kreis"

Eigentlich hätten beide Seiten - der Iran und die westlichen Staaten - ein Interesse an einem Abschluss bei den Atomverhandlungen, sagte der Nahost-Experte Michael Lüders im DLF. Aber es gebe Fragen, die mit Blick auf den Iran den Westen zur Vorsicht mahnten. Auch fordere der Iran einen klaren Fahrplan zur Aufhebung der Sanktionen.

Michael Lüders im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 09.07.2015
    Der Nahost-Experte Michael Lüders.
    Der Nahost-Experte Michael Lüders. (Imago / Viadata)
    Zwei Themen sind laut Michael Lüders für den Iran bei den Verhandlungen problematisch: Zum einen wollten die westlichen Staaten zu jeder Zeit in militärischen Anlagen des Irans Maßnahmen durchführen können und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) unangemeldete Inspektionen vornehmen dürfen. Das lehne der Iran ab, weil er fürchte, dass diese Untersuchungsergebnisse dann möglicherweise in den USA oder Israel bei zuständigen Militärbeobachtern landen würden, so der Nahost-Experte.
    Zum anderen fordere der Iran "einen klaren Fahrplan zur Aufhebung der Sanktionen". Allerdings wolle der Westen erst einmal abwarten, den Vertrag unterzeichnen und beobachten, ob die Iraner sich daraufhin wohlgefällig verhalten, und erst dann die Sanktionen lockern.
    Weitere Funktion der Sanktionen
    "Man dreht sich in gewisser Weise im Kreis" bei den Atomverhandlungen mit dem Iran, sagte Lüders. Das hänge auch damit zusammen, dass es seit 13 Jahren nicht allein um die Atomfrage gehe. Nach allem, was man wisse, sei dies nicht der Fall. Aber die Sanktionen hätten auch die Funktion gehabt, den Iran kleinzuhalten, damit das Land nicht zu mächtig werde. Der Iran sei mittlerweile einer der wichtigsten Akteure im Nahen und Mittleren Osten, und das würden die westlichen Staaten, Israel und Saudi-Arabien im Hinblick auf ein wirtschaftliches Erstarken des Landes mit großer Sorge beobachten.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk-Oliver Heckmann: 13 Jahre ist es jetzt her. Es war im Jahr 2002, als herauskam, der Iran betreibt ein Atomprogramm, und zwar in aller Heimlichkeit. Die Weltgemeinschaft war natürlich alarmiert, denn die Bombe in den Händen der Mullahs, das war so ziemlich das Letzte, was man sich vorstellen wollte. Teheran bestreitet aber, militärische Ziele mit dem Programm zu verfolgen. Die Bemühungen, den Streit darüber beizulegen, die scheiterten bislang.
    In Wien sitzen derzeit die Außenminister der fünf ständigen Mitglieder des UNO-sicherheitsrats und Deutschlands mit der iranischen Seite zusammen. Diese Nacht ist die selbstgesetzte Frist erneut abgelaufen. Doch man will offenbar unbedingt eine Lösung und hat die Frist verlängert. Unser Korrespondent in Wien hat allerdings berichtet, es soll zuletzt laut geworden sein im Verhandlungsraum. - Am Telefon begrüße ich den Nahost-Experten Michael Lüders. Guten Morgen, Herr Lüders!
    Michael Lüders: Schönen guten Morgen, Herr Heckmann. Hallo!
    Heckmann: Wie groß ist aus Ihrer Sicht die Wahrscheinlichkeit, dass die Gespräche platzen?
    Lüders: Die Chancen stehen fifty-fifty. Eigentlich haben beide Seiten ein Interesse daran, dass es jetzt zu einem Abschluss kommt. Aber der Teufel steckt nicht nur im Detail, sondern es gibt grundsätzliche Fragen, die mit Blick auf den Iran den Westen zur Vorsicht mahnen, und aus iranischer Sicht sind es zwei Aspekte, die überhaupt nicht in Frage kommen. Die westlichen Verhandlungsstaaten wollen zum einen jederzeit auch Maßnahmen durchführen können in militärischen Anlagen. Die Internationale Atomenergie-Behörde soll auch dort inspizieren dürfen. Das lehnt der Iran ab, weil dann natürlich diese Untersuchungsergebnisse möglicherweise, so die Sorge in Teheran, sehr schnell in den USA oder in Israel bei den zuständigen Militärbeobachtern landen würden. Und zum anderen will der Iran einen klaren Fahrplan für die Aufhebung der Sanktionen, während der Westen sagt, wir schauen erst einmal, wir machen den Vertrag, sehen, ob ihr, die Iraner, euch wohlgefällig verhaltet, und dann werden wir nach und nach die Sanktionen aufheben.
    "Der Iran ist mittlerweile einer der wichtigsten Akteure im Nahen und Mittleren Osten"
    Heckmann: Das sind die beiden Knackpunkte, um die es offensichtlich immer noch geht: Welche Anlagen dürfen inspiziert werden auf der einen Seite und wann fallen die Sanktionen gegen Iran. Von außen, Herr Lüders, hat man den Eindruck, dass beide Seiten überhaupt nicht weiterkommen.
    Lüders: In der Tat. Man dreht sich in gewisser Weise im Kreis. Das hängt aber auch wesentlich damit zusammen, dass es bei diesen Atomverhandlungen nie, seit 13 Jahren nicht allein um die Atomfrage ging, um die Frage, baut der Iran die Atombombe oder baut er sie nicht. Nach allem was wir wissen ist dies nicht der Fall. Aber die Sanktionen wollten immer mehr, nämlich den Iran klein halten und dafür Sorge tragen, dass dieses Land nicht zu mächtig wird. Der Iran ist mittlerweile einer der wichtigsten Akteure im Nahen und Mittleren Osten und das sehen die westlichen Staaten, Israel und Saudi-Arabien mit großer Sorge. Wenn jetzt die Sanktionen aufgehoben werden sollten gegen den Iran, dann wird dieses Land sehr schnell eine wirtschaftliche Führungsmacht werden, und genau das möchten die Golf-Staaten, möchten Israel, aber auch die Hardliner in den USA verhindern. Es geht also um die Frage, kann man den Iran auch weiterhin eindämmen, will man das überhaupt, oder ist man bereit, mit der iranischen Führung, so schwierig und unangenehm sie im Einzelnen sein mag, künftig zu kooperieren. Diese Frage ist nicht abschließend beantwortet. Hinzu kommt, dass die USA das Problem haben, dass die Sanktionen so einfach nicht aufzuheben sind. Präsident Obama möchte eine Befriedung der Verhältnisse mit dem Iran. Aber will das auch der Kongress, wo die Republikaner die Mehrheit haben? Und die setzen nach wie vor, was den Iran betrifft, auf Konfrontation. Sie träumen immer noch von der Option einer militärischen Lösung, die es aber nicht geben kann, angesichts des ohnehin schon vorhandenen Chaos in der Region.
    "Frankreich setzt immer wieder nach und will neue Bedingungen haben"
    Heckmann: Also ein schwieriges Problem. - Kommen wir trotzdem noch mal zurück auf die Frage, ob militärische Anlagen inspiziert werden sollen oder nicht. Sie haben gerade gesagt, Teheran ist dagegen, nachvollziehbarerweise, weil Informationen dann nach Washington und an die Geheimdienste fließen würden. Aber es ist doch auf der anderen Seite genauso nachvollziehbar, dass die Gruppe der fünf plus eins nicht sagt, okay, diese Anlagen sparen wir aus, gerade vor dem Hintergrund, dass jahrelang heimlich ein Atomprogramm betrieben wurde.
    Lüders: Es gibt ja Atomanlagen, die auch in militärischen Anlagen untergebracht waren, etwa in Parchin, die auch inspiziert worden sind. Es ist nicht die Frage, ob die IAEA das Recht haben soll, dort vorbeizuschauen, wenn ich so sagen darf, sondern es geht um die unangemeldeten Besuche, die der Westen hier vollziehen möchte, und hier haben die Iraner die erwähnte Sorge, dass dann hier militärische Überwachung stattfindet. Das möchte man vermeiden. Es ist aber im Kern so, dass die Verhandlungen der letzten Wochen nicht mehr um diese Fragen wirklich sich drehten, sondern es waren eher die Details, welche Inspektion in welchen Anlagen, wie viel habt ihr angereichert und dergleichen mehr. Und das Ganze wird immer wieder erschwert durch politische neue Forderungen, etwa vonseiten Frankreichs, die unterstreichen, dass diese Atomverhandlungen eben nicht nur um die Atomfrage gehen. Frankreich setzt immer wieder nach und will neue Bedingungen haben, gerade in der Inspektion der Militäranlagen. Warum? Weil Frankreich der wichtigste Rüstungslieferant ist für Saudi-Arabien und für die Vereinigten Arabischen Emirate, neben den USA, und die Franzosen wollen sich auf diese Art und Weise in Riad und in Abu Dhabi als verlässlicher Partner erweisen, denn in den Golf-Staaten hat man große Angst vor einem erstarkenden Iran.
    "Es steht also wirklich völlig Spitz auf Knopf, ob es dieses Abkommen geben wird oder nicht"
    Heckmann: Nichts desto trotz: Sie sagen, Teheran besteht darauf, dass es keine unangemeldeten Besuche in solchen militärischen Anlagen geben soll. Würden Sie denn der 5-plus-1-Gruppe empfehlen, sich darauf einzulassen, nur auf angemeldete Besuche zu setzen?
    Lüders: Ich glaube, dass man dieses Problem lösen kann, indem man beispielsweise den Iranern signalisiert, es gibt bestimmte militärische Anlagen, wo ihr in der Vergangenheit mit nuklearem Material experimentiert habt. Dort wollen wir gegebenenfalls auch ohne Voranmeldung inspizieren können. Und im Gegenzug legen wir euch einen klaren Fahrplan vor für die Aufhebung der Sanktionen. Ich glaube, wenn man ein solches Junktim herstellen würde, wäre die iranische Seite sehr schnell bereit, hier Zugeständnisse zu machen. Aber ich habe den Eindruck, dass die iranische Seite nicht gewillt ist, Zugeständnisse in der Frage der Inspektionen zu machen, ohne dass die 5 plus 1 verhandlungsführenden Staaten gleichzeitig in der Sanktionsfrage ganz klare Vorgaben machen, wann und in welcher Form diese Sanktionen aufgehoben werden. Das ist nämlich bisher im Detail nicht geklärt. Und wie gesagt: Der Kongress in den USA muss zustimmen, dass die Sanktionen der USA aufgehoben werden. Dort haben die Republikaner die Mehrheit. Die werden dem nicht zustimmen. Es steht also wirklich völlig Spitz auf Knopf, ob es dieses Abkommen geben wird oder nicht.
    Heckmann: Und die Iran-Verhandlungen über das dortige Atomprogramm, die derzeit in Wien ablaufen, die gehen in die entscheidende Runde und in die letzte Runde sozusagen. Michael Lüders war das live hier im Deutschlandfunk. Danke Ihnen für Ihre Expertise.
    Lüders: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.