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Attacke auf Google

Der britische Physiker und Mathematiker Stephen Wolfram hat diese Woche für große Schlagzeilen gesorgt: Selbst angesehene Zeitungen und Fachmagazine wagten die Behauptung, er arbeite an einer neuartigen Suchmaschine, die in der Lage sei, Google ernsthaft Konkurrenz zu machen.

Von Marcus Schuler | 14.03.2009

    Stephen Wolfram, 49 Jahre, genießt in der Fachwelt hohes Ansehen. Der in den USA lebende Brite ist ein Ausnahmewissenschaftler und nicht gerade dafür bekannt, große Sprüche zu klopfen. Er ging in Eton zur Schule, studierte in Oxford und machte mit 20 seinen Doktor in theoretischer Physik. Bekannt und reich wurde er durch die Software "Mathematica", die 1988 auf den Markt kam. Sie ist bis heute ein Standard-Werkzeug in Mathematik und Naturwissenschaften. Nun soll er also mit einem aus 100 Mitarbeitern bestehenden Team an einer neuartigen Suchmaschine arbeiten. Was aber ist Wolfram Alpha und vor allem was kann es? Der Wiener Wirtschaftsinformatiker und Experte für Semantisches Web Andreas Blumauer beschäftigt sich schon länger mit Anwendungen für das Web 3.0 oder auch semantisches Web genannt.

    "Der User bekommt auf Fragen, die in natürlicher Sprache eingegeben werden können, tatsächlich auch Antworten und diese werden von Wolfram Alpha größtenteils berechnet, das heißt, die Antworten sind nicht als Fakt hinterlegt, zum Beispiel, dass Angela Merkel sieben Jahre älter ist als Barack Obama - sondern das wird aus den Geburtsdaten dieser beiden Politiker berechnet."

    "Computational knowledge engine" - also "rechnende Wissensmaschine" - so bezeichnet Mathematiker Wolfram seine Frage-Antwort-Maschine. Und die kann nur korrekt arbeiten beziehungsweise Antworten ausgeben, wenn die Frage in natürlicher Sprache, zurzeit wohl nur englisch, eingegeben wird. Der Web-Semantic Spezialist Andreas Blumauer:

    "Von Wolfram Alpha wird darüber berichtet, dass gewisse Antworttypen eben auch in Form von grafischen Visualisierungen ausgegeben werden können. Also zum Beispiel eine relativ komplexe Frage, nämlich wie oft am Tag die Zeiger einer Analoguhr exakt an derselben Stelle stehen. Dies könnte Wolfram Alpha entsprechend berechnen und visuell ausgeben. Diese Engines sind in der Lage, nicht einfach nur Listen von Dokumenten auszuspucken ,sondern eben tatsächlich auch komplexe Fragen so zu beantworten, dass sie auch in kurzer Zeit verstanden werden und da werden verschiedene Visualisierungsformen verwendet."

    Nach allem, was man bislang über Wolfram Alpha recherchieren konnte und nach allem, was diejenigen schreiben, die die neue Suchmaschine schon einmal ausprobieren konnten, setzt sich Wolfram Alpha aus drei Teilen zusammen: einer Wissensdatenbank, vergleichbar mit einer großen Enzyklopädie, aus einer Sammlung von Algorithmen und einer Übersetzungsmaschine, die aus Worten und Fragen wieder Rechenaufgaben generiert. Andreas Blumauer:

    "Wolfram Alpha verfügt über eine so genannte Wissensbasis, die besteht im Wesentlichen aus Fakten. Das sind Aussagen, die über die Welt getroffen werden können und mit geeigneten Algorithmen kann Wolfram Alpha dann Antworten auf Fragen bieten, wobei eben die sprachliche Anfrage des Users zunächst einmal in die Modellsprache von Wolfram Alpha übersetzt werden muss und dann werden eben entsprechende Aussagen aus dem Aussagepool gezogen oder berechnet und zusätzlich zapft Wolfram Alpha dann einige aktuelle Nachrichtenquellen an, zum Beispiel Wetterdienste oder Börsenkurse, um somit auch Antworten auf Fragen geben zu können, die sich eher auf aktuelle Ereignisse beziehen."

    Nova Spivack, der die Anwendung schon einmal ausprobieren durfte, schreibt in seinem Weblog, dass die neue Suchmaschine extrem eindrucksvolle und gründliche Antworten liefere. Der Wiener Wirtschaftsinformatiker ist ähnlich begeistert wie Spivak über die neue Suchmaschine. Allerdings warnt er vor all zu viel Euphorie. Als ernsthaften Google-Konkurrent sieht er Wolfram Alpha derzeit noch nicht.

    "Question-Answering-Machines werden in circa fünf bis zehn Prozent aller Anfragen an kommerzielle Suchmaschinen besser beantworten können, man kann sich also ausrechnen, welcher Traffic dadurch entstehen könnte rund um solche Services, allerdings wissen wir längst, dass auch ein entsprechendes Geschäftsmodell entwickelt werden muss und da gibt es ja noch keinerlei Aussagen von Seiten Wolfram, welche Geschäftsmodelle hier angedacht werden. Mit Traffic und öffentlicher Aufmerksamkeit allein kann man noch keine Umsätze generieren."