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Attraktive Karriere?

Nicht jahrelang einem Professor assistieren, keine bibelschwere Habilitationsschrift verfassen, und doch eigenständig forschen und lehren- diese Aussichten lockten die Sprachwissenschaftlerin Ulrike Gut mit 35 Jahren zur Juniorprofessur. Seit Oktober letzten Jahres ist sie am englischen Seminar in Freiburg. Ihre Erwartungen wurden erfüllt:

Von Sandra Helmeke |
    Ja, in vollem Umfang. Ich habe die Freiheit, die ich mir gewünscht habe, kann forschen, was ich möchte. Ich hatte, bevor ich kam, natürlich auch ein Verhandlungsgespräch geführt mit Dekanin und dem Prodekan und hatte schon gesagt, welche Rechte ich mir wünsche, und das wurde mir auch zugesichert.

    Details sind Verhandlungssache - solange die Juniorprofessur nicht im Landesgesetz geregelt ist. So kommt es, das es unter den 12 Freiburger Juniorprofessoren große Unterschiede gibt:

    Unterschiedlich ist das Anstellungsverhältnis; manche sind Beamte auf Zeit, manche sind angestellt. Unterschiedlich ist das Lehrdeputat; manche unterrichten 4, manche 6, manche 8 Stunden, manche noch mehr. Unterschiedlich ist, wie das mit dem Titel gehandhabt wird, darf man sich Professor nennen oder nicht, steht der Titel vor oder hinter dem Namen. Unterschiedlich sind auch so Sachen wie: dürfen Magisterarbeiten betreut werden oder Doktoranten.

    Sie selbst ist Beamtin auf Zeit, muss nur 4 bis 6 Wochen-Stunden lehren, darf Doktoranten betreuen. Den Titel "Juniorprofessor" setzt sie aber noch verschämt in Klammern, hinter ihren Namen.
    Bezahlt wird Ulrike Gut wie eine wissenschaftliche Assistentin. Sie hat keine Sekretärin, eine studentische Hilfskraft hat sie für nächstes Semester allerdings durchgesetzt. Auf die Frage, ob sie von ihren habilitierten Kollegen akzeptiert wird – stockt sie erst und sagt dann:

    Was bei mir ankommt auf jeden Fall: Ja. Also ich hab die gleichen Rechte, ich sitze in den gleichen Gremien. Ich habe nicht das Gefühl, von irgendjemandem von oben herab behandelt zu werden.

    Die meisten Kollegen erkennen Ulrike Guts erfolgreichen Arbeit an. Die 60.000 Euro Startkapital, mit denen jede Juniorprofessur ausgestattet ist, steckte sie in ein phonetisches Labor. Hier können an 10 Computern Sprachaufnahmen digital verarbeitet und untersucht werden. Moderner sprachwissenschaftlicher Unterricht, der bei den Studenten gut ankommt:

    Also ich bin ganz überrascht - das Labor wurde offiziell eröffnet im Mai, und seitdem könnten wir eigentlich dreimal so viel Öffnungszeiten haben. Also es ist ein sehr großer Andrang, unsere Geräte sind praktisch ständig ausgeliehen. Es finden sich auch in den Kursen einige Studierende die jetzt eine Hausarbeit zu dem Thema schreiben, also ich bin ganz begeistert, wie gut die Sache angenommen wird und wie schnell.

    Eigentlich hält sie eine Habilitationsschrift nicht für nötig. Schließlich hat sie seit ihrer Doktorarbeit vor 4 Jahren mit über 30 Artikeln ihre Eignung zur Professur bewiesen. Aber sie will auf Nummer sicher gehen, und doch noch habilitieren, obwohl das nicht im Sinne der Bildungsministerin ist:

    Da die Juniorprofessur noch so neu ist, ist noch nicht unbedingt verankert in den Köpfen der Leute, die in den Berufungskommissionen sitzen. Und ich bin eben in direkter Konkurrenz , wenn ich mich jetzt bewerbe auf eine Professur, mit Leuten die eine Habilitation haben. Und ich gehe auch davon aus, dass die Juniorprofessur geringer eingeschätzt wird. Das heißt, um konkurrenzfähig zu bleiben, schreib ich auch noch ne Habil.

    Einen Kritikpunkt hat Ulrike Gut: Die fehlende Übergangsregelung zwischen Juniorprofessur und Festanstellung. Die Juniorprofessur ist auf sechs Jahre beschränkt – dass sie direkt anschließend einen Lehrstuhl bekommt, hält sie für unwahrscheinlich. Hier sieht sie noch Handlungsbedarf.

    Dass sie nach dem Karlsruher Urteil um ihren Job bangen muss, glaubt sie allerdings nicht. Dafür hält sie das Modell für zu erfolgreich. Auch an unterschiedliche Regelungen in den Ländern glaubt sie nicht:

    Also ich gehe davon aus – aber das ist natürlich nur meine persönliche Meinung – dass auch die Länder, die geklagt haben, die Juniorprofessur im Gesetz haben werden, aber sie werden eben auch die Habil mit drin haben. Während das Hochschulrahmengesetz ja vorgesehen hat, die Habil ganz abzuschaffen. Das wäre ja extrem kurzsichtig, wenn man dem wissenschaftlichen Nachwuchs aus einem Land verbauen würde, in anderen Ländern zu arbeiten, das kann ich mir wirklich nicht vorstellen, dass das passiert.