Stefan Koldehoff: Fast ist man versucht, ihn als das Manifest eines "Angry Young Man" zu lesen. Tatsächlich aber ist er auch das Dokument einer tiefen Resignation. Jener Text des Feuilletonjournalisten Robin Detje, den in dieser Woche der Internetdienst Perlentaucher und die taz veröffentlichen. Detje rechnet mit der deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenlandschaft ab und kündigt, denn nur meckern nützt schließlich nichts, die Gründung eines eigenen Magazins für Politik und Kultur an, Titel: "Abstand". Abstand zum Thema und zu seinen Lesern nämlich, so Detje, fehle dem deutschen Journalismus dringend. Zitat: "Der moderne Redakteur verkauft ein buntes und gefühlvolles Gute-Laune-Paket und muss journalistische Erwägungen hintanstellen. Ein Autor ist ein Werbetexter in eigener Sache." Herr Detje, es geht also im deutschen Blätterwald nur noch ums Rauschen und Verkaufen?
Robin Detje: Es geht sehr stark um Verkauf, es geht deshalb stark um Verkauf, weil die Verlage ganz, ganz konkrete wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, die sie kurzfristig lösen wollen. Das Problem bei der kurzfristigen Lösung, die sie suchen, ist, dass sie langfristig die Qualität ihres gesamten Produktes beschädigen.
Koldehoff: Das bedeutet also tatsächlich, es ist gar nicht mehr wichtig, worüber geschrieben wird, sondern nur noch dass die Artikel schön bunt aufgemacht sind und man hat immer eine Zielgruppe vor Augen?
Detje: Alle Artikel, die ich lese, sind gnadenlos übermoderiert.
Koldehoff: Was heißt das?
Detje: Das heißt, dass ich dem Leser im Artikel dauernd noch mal sage wie locker das ist, noch eine Zwischenüberschrift reinschiebe. Dauernd sage, er muss keine Angst vor dem Text haben und das geht hier alles ganz locker vom Hocker.
Koldehoff: Woran liegt das? Traut man dem Leser nichts mehr zu?
Detje: Ja.
Koldehoff: Warum nicht?
Detje: Weil die Verlage über Marktstudienforschungen und Zielgruppenforschungen verfügen, die sagen, dass die werberelevanten Leser nicht mehr lesen wollen. Für die wollen sie absurder Weise jetzt aber trotzdem Printprodukte produzieren.
Koldehoff: Das heißt also, man richtet sich mit vermeintlichen Angeboten an eine Gruppe von der man eigentlich schon weiß, dass sie gar nicht lesen will. Das kann man sich doch eigentlich sparen?
Detje: Stimmt.
Koldehoff: Nun gab es in letzter Zeit einige ja durchaus ambitionierte Neugründungen im Magazinbereich. Titel wie Dummy oder Cicero oder Monopol. Es gibt ältere Zeitschriften, die durchaus einen Anspruch haben, der Merkur zum Beispiel. Würden Sie die in diese Kritik miteinbeziehen?
Detje: Alle diese Titel finde ich honorig, von Cicero ausgenommen, die versucht genau dieses Prinzip zu bedienen. Cicero halte ich nicht für ein journalistisches Projekt sondern für ein Marketingprojekt per se, in dem also die Aufnahme von Marketingstrategien so weit geht, dass man in einem ganzen Blatt, im journalistischen Inhaltsbereich im Grunde genommen nur Autoren sich selbst vermarkten lässt. Das heißt, jede Cicerotextseite ist eine Selbstvermarktungsseite eines Themas und eines Autors.
Koldehoff: Also Sabine Christiansen in gedruckter Form?
Detje: Richtig.
Koldehoff: Nun schreiben Sie, es gab früher Verlegerpersönlichkeiten. Nennen beispielsweise Gerd Bucerius, den Gründer und langjährigen Leiter der Zeit. Kolportieren die Geschichte, dass er nach seinem Chefredakteur Theo Sommer angeblich mal mit einem Stuhl geworfen hat. Ob es nun stimmt oder nicht. Den als leuchtendes Gegenbeispiel betrachtet, heißt das, dass das, was Sie als Krise des Magazin- oder Zeitungsjournalismus konstatieren, ist gar kein strukturelles sondern eher ein personelles Problem, weil es Figuren wie Bucerius nicht mehr gibt?
Detje: Es gibt keine strukturellen Probleme, die keine personellen sind. Das ist ja ganz klar, die Strukturen werden ja aus Personen zusammengesetzt. Die Strukturen, die wir im Moment haben, setzen sich zusammen aus Personen, die keine Streitkultur mehr haben, wo man auch mal Leser ärgert, wo man auch mal Anzeigenkunden ärgert, sondern eine Kultur eines ganz, ganz platten Marketing, wo man ganz, ganz klar darauf achtet, keinen Fehler zu machen. Wenn man im Journalismus drauf achtet, keinen Fehler zu machen, dann macht man natürlich etwas, was ganz tot ist.
Koldehoff: Das heißt, Sie plädieren für mehr Anecken im Journalismus?
Detje: Garantiert ja.
Koldehoff: Sie sind im Begriff gerade ein eigenes, was wird es sein, ein Magazin, eine Zeitung, welches Format wird es haben? ...
Detje: Ein Monatsmagazin.
Koldehoff: ... zu gründen. "Abstand" soll es heißen. Eine Schattenredaktion arbeitet im Moment an ersten Nullnummern, wie es immer so schön heißt, also an Probeheften. Was wird denn da anders werden?
Detje: Es geht mir darum, von der Unternehmenskultur her einen Raum, einen Verlag zu schaffen, in dem der Qualitätsjournalismus blühen kann. Wenn ich mich umgucke, dann sehe ich überall auf der Straße arbeitslos und unterfordert herumliegen sehr, sehr gut ausgebildete und sehr, sehr gute Journalisten. Ich gucke darauf als verbitterter Journalist selber, ich sitze da auch manchmal unterfordert herum. Aber ich gucke auch als Unternehmer darauf und sage, das, was die da alles können, aber nicht machen ist ein Wert und ich möchte diesen Wert in ein Gefäß gießen und verkaufen. Das heißt, ich glaube, wenn ich ein Magazin schaffe, das wirklich versucht von seiner Struktur her, den Qualitäten des Qualitätsjournalismus zu dienen, dass ich damit besseren Journalismus betreiben kann als das, was man im Moment kaufen kann und dass sich das Lesern übersetzt und dass das Erfolg haben kann.
Koldehoff: Journalisten, die unterfordert auf der Straße herumlungern haben Sie gerade etwa überspitzt gesagt. Gibt es auch die Leser, die unterfordert auf der Straße herumlungern und wird es genug geben, um so ein Magazin am Leben zu halten?
Detje: Es gibt ja immer den Satz von Markwort, "Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken". Das Problem dabei ist, dass das Leserbild, das Markwort hat maschinell erzeugt ist. Ich glaube nicht, dass die Leser da sind, wo Markwort sie vermutet. Jedenfalls nicht die Leser für die Art von Journalismus, die ich machen möchte. Ich glaube, dass im Grunde genommen richtige Menschen, die nicht unbedingt Entscheidereliten in der Großstadt sind, sondern richtige Menschen draußen im Lande längst wissen, dass wir ernste Probleme haben, dass wir ernsthaft darüber reden müssen, dass man richtige Lösungen dafür finden muss und ich glaube, dass da Leser drauf anspringen werden, dass die so etwas sehr gerne lesen werden.
Koldehoff: Überprüfen, ob das funktioniert wird man ab wann können? Wann wird die erste Ausgabe von "Abstand" am Kiosk oder im Abonnement zu haben sein?
Detje: Die Finanzierung steht noch nicht ganz und ich nehme gerne Anrufe entgegen von Menschen, die daran mitarbeiten wollen. Dann wird es ab Herbst losgehen.
Koldehoff: Robin Detje zur Kritik an der deutschen Presselandschaft und zu seiner eigenen Presselandschaftsarchitektur.
Robin Detje: Es geht sehr stark um Verkauf, es geht deshalb stark um Verkauf, weil die Verlage ganz, ganz konkrete wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, die sie kurzfristig lösen wollen. Das Problem bei der kurzfristigen Lösung, die sie suchen, ist, dass sie langfristig die Qualität ihres gesamten Produktes beschädigen.
Koldehoff: Das bedeutet also tatsächlich, es ist gar nicht mehr wichtig, worüber geschrieben wird, sondern nur noch dass die Artikel schön bunt aufgemacht sind und man hat immer eine Zielgruppe vor Augen?
Detje: Alle Artikel, die ich lese, sind gnadenlos übermoderiert.
Koldehoff: Was heißt das?
Detje: Das heißt, dass ich dem Leser im Artikel dauernd noch mal sage wie locker das ist, noch eine Zwischenüberschrift reinschiebe. Dauernd sage, er muss keine Angst vor dem Text haben und das geht hier alles ganz locker vom Hocker.
Koldehoff: Woran liegt das? Traut man dem Leser nichts mehr zu?
Detje: Ja.
Koldehoff: Warum nicht?
Detje: Weil die Verlage über Marktstudienforschungen und Zielgruppenforschungen verfügen, die sagen, dass die werberelevanten Leser nicht mehr lesen wollen. Für die wollen sie absurder Weise jetzt aber trotzdem Printprodukte produzieren.
Koldehoff: Das heißt also, man richtet sich mit vermeintlichen Angeboten an eine Gruppe von der man eigentlich schon weiß, dass sie gar nicht lesen will. Das kann man sich doch eigentlich sparen?
Detje: Stimmt.
Koldehoff: Nun gab es in letzter Zeit einige ja durchaus ambitionierte Neugründungen im Magazinbereich. Titel wie Dummy oder Cicero oder Monopol. Es gibt ältere Zeitschriften, die durchaus einen Anspruch haben, der Merkur zum Beispiel. Würden Sie die in diese Kritik miteinbeziehen?
Detje: Alle diese Titel finde ich honorig, von Cicero ausgenommen, die versucht genau dieses Prinzip zu bedienen. Cicero halte ich nicht für ein journalistisches Projekt sondern für ein Marketingprojekt per se, in dem also die Aufnahme von Marketingstrategien so weit geht, dass man in einem ganzen Blatt, im journalistischen Inhaltsbereich im Grunde genommen nur Autoren sich selbst vermarkten lässt. Das heißt, jede Cicerotextseite ist eine Selbstvermarktungsseite eines Themas und eines Autors.
Koldehoff: Also Sabine Christiansen in gedruckter Form?
Detje: Richtig.
Koldehoff: Nun schreiben Sie, es gab früher Verlegerpersönlichkeiten. Nennen beispielsweise Gerd Bucerius, den Gründer und langjährigen Leiter der Zeit. Kolportieren die Geschichte, dass er nach seinem Chefredakteur Theo Sommer angeblich mal mit einem Stuhl geworfen hat. Ob es nun stimmt oder nicht. Den als leuchtendes Gegenbeispiel betrachtet, heißt das, dass das, was Sie als Krise des Magazin- oder Zeitungsjournalismus konstatieren, ist gar kein strukturelles sondern eher ein personelles Problem, weil es Figuren wie Bucerius nicht mehr gibt?
Detje: Es gibt keine strukturellen Probleme, die keine personellen sind. Das ist ja ganz klar, die Strukturen werden ja aus Personen zusammengesetzt. Die Strukturen, die wir im Moment haben, setzen sich zusammen aus Personen, die keine Streitkultur mehr haben, wo man auch mal Leser ärgert, wo man auch mal Anzeigenkunden ärgert, sondern eine Kultur eines ganz, ganz platten Marketing, wo man ganz, ganz klar darauf achtet, keinen Fehler zu machen. Wenn man im Journalismus drauf achtet, keinen Fehler zu machen, dann macht man natürlich etwas, was ganz tot ist.
Koldehoff: Das heißt, Sie plädieren für mehr Anecken im Journalismus?
Detje: Garantiert ja.
Koldehoff: Sie sind im Begriff gerade ein eigenes, was wird es sein, ein Magazin, eine Zeitung, welches Format wird es haben? ...
Detje: Ein Monatsmagazin.
Koldehoff: ... zu gründen. "Abstand" soll es heißen. Eine Schattenredaktion arbeitet im Moment an ersten Nullnummern, wie es immer so schön heißt, also an Probeheften. Was wird denn da anders werden?
Detje: Es geht mir darum, von der Unternehmenskultur her einen Raum, einen Verlag zu schaffen, in dem der Qualitätsjournalismus blühen kann. Wenn ich mich umgucke, dann sehe ich überall auf der Straße arbeitslos und unterfordert herumliegen sehr, sehr gut ausgebildete und sehr, sehr gute Journalisten. Ich gucke darauf als verbitterter Journalist selber, ich sitze da auch manchmal unterfordert herum. Aber ich gucke auch als Unternehmer darauf und sage, das, was die da alles können, aber nicht machen ist ein Wert und ich möchte diesen Wert in ein Gefäß gießen und verkaufen. Das heißt, ich glaube, wenn ich ein Magazin schaffe, das wirklich versucht von seiner Struktur her, den Qualitäten des Qualitätsjournalismus zu dienen, dass ich damit besseren Journalismus betreiben kann als das, was man im Moment kaufen kann und dass sich das Lesern übersetzt und dass das Erfolg haben kann.
Koldehoff: Journalisten, die unterfordert auf der Straße herumlungern haben Sie gerade etwa überspitzt gesagt. Gibt es auch die Leser, die unterfordert auf der Straße herumlungern und wird es genug geben, um so ein Magazin am Leben zu halten?
Detje: Es gibt ja immer den Satz von Markwort, "Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Leser denken". Das Problem dabei ist, dass das Leserbild, das Markwort hat maschinell erzeugt ist. Ich glaube nicht, dass die Leser da sind, wo Markwort sie vermutet. Jedenfalls nicht die Leser für die Art von Journalismus, die ich machen möchte. Ich glaube, dass im Grunde genommen richtige Menschen, die nicht unbedingt Entscheidereliten in der Großstadt sind, sondern richtige Menschen draußen im Lande längst wissen, dass wir ernste Probleme haben, dass wir ernsthaft darüber reden müssen, dass man richtige Lösungen dafür finden muss und ich glaube, dass da Leser drauf anspringen werden, dass die so etwas sehr gerne lesen werden.
Koldehoff: Überprüfen, ob das funktioniert wird man ab wann können? Wann wird die erste Ausgabe von "Abstand" am Kiosk oder im Abonnement zu haben sein?
Detje: Die Finanzierung steht noch nicht ganz und ich nehme gerne Anrufe entgegen von Menschen, die daran mitarbeiten wollen. Dann wird es ab Herbst losgehen.
Koldehoff: Robin Detje zur Kritik an der deutschen Presselandschaft und zu seiner eigenen Presselandschaftsarchitektur.