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Auf Augenhöhe mit dem Lehrstuhlinhaber

Albrecht Rupprecht, bildungspolitischer Sprecher der Unionsparteien, möchte neben dem Voll- und Juniorprofessor einen neuen Professorentypus einrichten. Ziel sei, dass habilitierte Mitarbeiter künftig wie der Lehrstuhlinhaber als "vollwertige Wissenschaftler und Forscher" tätig sein können.

Albrecht Rupprecht im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Manfred Götzke: Jahr für Jahr schreiben sich mehr Studierende an den Hochschulen ein. Allein 2011 ist die Zahl der Ersties um 16 Prozent gestiegen gegenüber dem Vorjahr, bei den Professorenstellen hat sich dagegen so gut wie nichts verändert. Seminare, die früher selbstverständlich der Professor gehalten hat, geben heute Doktoranden oder Hiwis. Doch das soll sich ändern, wenn es nach der Unionsbundestagsfraktion geht: Sie fordert die Einführung einer dritten Professorenkategorie neben Voll- und Juniorprofessor. Dieser neue Professorentypus soll Nachwuchsforschern neue Perspektiven bieten und auch das Lehrproblem ein bisschen entschärfen. Albert Rupprecht ist bildungspolitischer Sprecher der Unionsbundestagsfraktion. Herr Rupprecht, soll es neben Vollprofessor, dem schlechter dotierten Juniorprofessor bald auch noch einen Professor dritter Klasse geben?

    Albert Rupprecht: Nicht dritter Klasse, sondern letztendlich neue Qualität. Vielleicht zur Einordnung: Wir haben in der Tat im Forschungs-, im Wissenschaftsbereich in Deutschland in den letzten Jahren durchaus Fortschritte, erhebliche Fortschritte erzielt. Wir sind in vielen Bereichen der Forschung wieder zurück an der Weltspitze, aber wir haben durchaus auch strukturelle Probleme nach wie vor. Das sind zum einen, dass wir zu viele Stellen haben, die über die Maßen befristet sind, beim wissenschaftlichen Nachwuchs und zum Zweiten, dass wir nach wie vor zu wenig Forscher, Wissenschaftler im wissenschaftlichen Oberbau haben. Das ist letztendlich darauf zurückzuführen, dass wir die W3-Lehrstuhlinhaber haben, die das über Jahre sind und letztendlich so wie ein Flaschenhals wirken, sodass der wissenschaftliche Nachwuchs nicht in Position kommt.

    Götzke: Worin soll sich denn dieser neue Professorentypus unterscheiden, voll Vollprofessor oder vom Juniorprofessor?

    Rupprecht: Also der kritischste Punkt ist einfach schlichtweg der, dass sie Spitzennachwuchskräfte in der Wissenschaft haben, die habilitiert sind, die ihre Doktorarbeit gemacht haben und letztendlich über Jahre hinweg Zuträger und Assistenten der W3-Lehrstuhlinhaber sind. Und das ist natürlich zu wenig Perspektive, oft zeitlich, meist zeitlich befristet, und deswegen: Die neue Qualität muss schlichtweg gewährleisten, dass das bei Leistungserbringung zeitlich unbefristete Stellen sind, dass man eigene Forschungsaktivitäten haben kann, dass man auch Mitarbeiter hat im Forschungsteam, sodass man im Grunde genommen genauso wie der Lehrstuhlinhaber eigentlich als vollwertiger Wissenschaftler und Forscher tätig sein kann.

    Götzke: Um es noch mal zusammenzufassen: Sie fordern also eine Vollprofessur neben den Lehrstuhlinhabern?

    Rupprecht: Im Grunde genommen ja, das ist im Grunde genommen die Kurzbeschreibung.

    Götzke: In Deutschland studieren ja so viele junge Leute wie noch nie, die Zahl der Professuren ist dabei nicht entsprechend gestiegen - ich hab's ja vorhin schon mal angedeutet -, aber liegt das wirklich daran, dass eine bestimmte Professorenkategorie fehlt oder schlicht das Geld an den Hochschulen?

    Rupprecht: Nee, das Geld fehlt nicht. Ich sage nur eine Zahl: Rein zu Zeiten des Bundes haben wir gegenüber 2005 einen Aufwuchs um 74 Prozent der Mittel, die wir für Wissenschaften, Forschung ausgeben, gemessen an dem Wert für nächstes Jahr, also einen massiven Zuwachs. Es gibt durchaus auch rechtliche viele Möglichkeiten, nur die Kultur, die vor Ort gelebt wird, reicht nicht aus, um dies zu erreichen, was wir als Ziel haben. Und deswegen sage ich an der Stelle: Das, was wir hier fordern inhaltlich, ist natürlich verbunden mit dem, dass wir Geld geben. Bestehendes Geld, das wir ins System reingeben, und wenn vor Ort an den Hochschulen das zu wenig gelebt wird in unserem Sinne, dann müssen wir als Gesetzgeber, als Geldgeber in Zukunft das mit Zielvereinbarungen und mit Verpflichtungen versehen.

    Götzke: Die Summe, die Sie genannt haben, die werden ja im Rahmen der Hochschulpakte gegeben, das sind ja zeitlich befristete, einmalige Projekte, Hochschulen brauchen aber Planungssicherheit.

    Rupprecht: Ja, die Planungssicherheit anders als im Übrigen in fast allen westlichen Industrieländern, wo aufgrund der Finanzkrise massiv in dem Bereich Forschung und Wissenschaft gestrichen wird, streichen wir nicht, sondern ganz im Gegenteil, wir haben einen massiven Zuwachs in Deutschland, was ja auch uns attraktiv macht im internationalen Wettbewerb - deswegen kommen ja auch Wissenschaftler wieder aus den USA zurück, die früher abgewandert sind. In allen Bereichen des Bundeshaushaltes wird gespart, mit Ausnahme Bildung und Forschung, da geben wir zusätzliches Geld aus. Und deswegen gibt es die Mittel für die Hochschulen, nur die Hochschulen müssen es kulturell auch leben.

    Götzke: Sie sagen, die Hochschulen müssen kulturell irgendwas anders leben, aber Sie beschweren sich ja immer, dass zu wenig Geld besteht, deswegen ja auch die Situation, dass viele Verträge nur befristet sind, die Situation, dass Seminare, dass auch andere Veranstaltungen von kostenlosen Privatdozenten gehalten werden.

    Rupprecht: Da muss ich massiv widersprechen. Wir haben in den USA einen erheblich höheren Anteil an Drittmittelfinanzierung, und trotzdem ist es möglich, Langfristverträge oder unbefristete Verträge in größerer Zahl in den USA zu gewährleisten. Wenn die Hochschulen bei uns Projekte drei, vier, fünf Jahre finanziert bekommen, aber nur Einjahresverträge machen, dann ist das vollkommen unverhältnismäßig. Und wir fordern die Hochschulen sehr wohl auf, dass sie die Gelder, die sie von uns bekommen, über die Deutsche Forschungsgesellschaft und andere Kanäle, dass sie die mindestens in dem zeitlichen Rahmen einsetzen und auch Verträge machen, wie die Projekte existieren.

    Götzke: Aber könnte man die Verlässlichkeit nicht noch steigern, indem man den Anteil an ständiger Finanzierung der Hochschulen erhöht und die Projektmittel, die Drittmittel senkt?

    Rupprecht: Also das ist sicherlich eine Frage, an der man drehen kann, ohne Zweifel, ich sag aber nichtsdestotrotz, dass man auch auf Basis der jetzigen Finanzierungsstruktur, auch auf der Basis kann man schon erheblich mehr Verlässlichkeit weitergeben, und zwar Verlässlichkeit, die wir als Financier mit Steuermitteln ermöglichen. Es kommt noch ein Aspekt dazu: Wir haben ja angekündigt, dass wir die Verfassung ändern werden. Bis dato ist es ja in der Tat so, dass auf Basis der jetzigen Verfassung der Bund nur bei zeitlich befristeten Projekten an den Hochschulen mit tätig werden darf. Diese Verfassungsänderung wird im Augenblick vorbereitet, die wollen wir diese Legislatur noch vollziehen, und dann gibt es natürlich auch hier noch mal die Möglichkeit vonseiten des Bundes, auch in die grundsätzliche dauerhafte Struktur stärker mit sich zu engagieren.

    Götzke: Momentan hat der Bund daher relativ wenig zu sagen, die Hochschulgesetze sind Ländersache. Müsste der Bund in Zukunft, wenn das Kooperationsverbot, dass Sie gerade angedeutet haben, wenn das fallend ist, sich dort auch stärker engagieren insofern, als er die Gesetze für die Entfristung, für die Befristung von Verträgen verändert?

    Rupprecht: Wir wollen alle Hochschulautonomie, nur wenn wir feststellen, dass die Hochschulen in ihrer Autonomie die Gestaltung nicht ausreichend nutzen, und zwar die Hochschulführung - letztendlich sind ja die Leidtragenden die Nachwuchswissenschaftler -, dann heißt es in Zukunft auch, wer Geld gibt, schafft ein ganzes Stück auch mit an.

    Götzke: Kurz zum Schluss: Wann könnte dieser neue Professorentypus an die Hochschulen kommen?

    Rupprecht: Aus unserer Sicht so schnell wie möglich.

    Götzke: Das ist eine klare Aussage. Der bildungspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion fordert langfristigere Perspektiven für Nachwuchsforscher. Vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.