"Wenn man den Bürger fragt, will er überhaupt so ein Großprojekt haben, dann sicherlich zu Beginn und nicht am Ende aller Planungsverfahren."
Hans-Joachim Bues, Leiter der Unternehmenskommunikation der Flughafen München GmbH
"Da gibt es enorme Defizite, dass die Hürden für Volksentscheide in einzelnen Bundesländern so hoch sind, dass man nur in extremen Ausnahmesituationen überhaupt dahin kommt, ein Volksbegehren durchzuführen."
Dieter Rucht, Berliner Soziologe.
"Wir brauchen die Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen über die Wirtschaft und die Wissenschaft hinaus, wenn es um Anwendungsperspektiven neuer Technologien geht, dann muss die Gesellschaft als Frühwarnsystem mit an den Tisch."
Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär für Forschung a.D., Mitglied im Deutschen Ethikrat.
"Wie schaffe ich es, die Anwohner, die Betroffenen sowohl von ihrer Information wie von ihrem technischen und politischen Sachverstand auf ein Niveau dieser sogenannten Augenhöhe zu bringen?"
Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin, Direktorin der Akademie für politische Bildung Tutzing.
"Auf Augenhöhe, das heißt, die Bürger müssen sich Gutachter einholen können, die die Argumente aus ihrer Sicht mal darlegen, und diese Gutachter müssen auch bezahlt werden, sei es von der Ratsregierung, sei es von der Stadtverwaltung."
Ursula Ammermann, Stadtplanerin, Geschäftsführerin des Münchener Forums.
Einige Stimmen aus Wirtschaft und Wissenschaft, aus Politik und Zivilgesellschaft, die für eine stärkere Bürgerbeteiligung bei Großprojekten in Deutschland plädieren. Immer mehr Bürger sind unzufrieden mit den üblichen Entscheidungsverfahren. Sie mischen sich schon länger ein, am längsten und heftigsten im Streit um die Atomenergie, seit den 90er Jahren auch in vielen anderen Bereichen, wo es um Fluglärm, Autobahnen, Müllverbrennungsanlagen und andere Bauvorhaben geht. Stuttgart 21 war das spektakulärste Beispiel der jüngsten Vergangenheit. Im Raum München schwelt seit sieben Jahren der Streit um den Bau einer dritten Start- und Landebahn. Beim gesetzlich vorgeschriebenen Planfestellungsverfahren konnten die Anwohner ihre Einwände schriftlich einreichen und bei einer Anhörung vortragen. Hartmut Binner, ein Sprecher des Aktionsbündnisses gegen den Bau, schildert, wie es bei der Anhörung zuging.
"Wir wurden oft regelrecht abgebürstet. Als zum Beispiel ein Fachmann, Professor Dr. Scheuch, ein Schallexperte, von einer Mutter in Freising, die in einem Kindergarten arbeitet, direkt an die Wand gespielt wurde, weil sie sagte, im Planfeststellungsbeschluss ist festgehalten für Attaching, dass die Kinder bei diesem Fluglärm nicht mehr ins Freie dürften, weil das gesundheitsschädlich ist. Und da hat er gesagt, sie sollte sich nicht so aufregen, Kinder sind im Freien sowieso lauter als Flugzeuge."
Bürger fühlen sich nicht ernst genommen. Auch wenn die Flughafengesellschaft bemüht war, die Anwohner frühzeitig mit ihrem Plan bekannt zu machen und sie für das Projekt zu gewinnen. Über die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen wie Raumordnung und Planfeststellungsverfahren hinaus hatte man die Vertreter der betroffenen Gemeinden und Landkreise in einen eigens dafür geschaffenen Nachbarschaftsrat eingeladen hatte, so Hans-Joachim Bues von der Flughafengesellschaft.
"Wir haben dieses Gremium, diesen Nachbarschaftsbeirat als sozusagen nicht öffentliche Veranstaltung konzipiert, in der Befürchtung, dass wenn Medienvertreter anwesend sind oder wenn die Öffentlichkeit da mithören kann, dass wir nur Schaufensterreden hören, so eine Gefahr ist natürlich immer vorhanden, das würde ich möglicherweise heutzutage anders machen, würde Medien zulassen, damit die Diskussion geführt wird und die Daten und die Fakten, die da präsentiert werden, auch an die Öffentlichkeit kommen, weil wir einfach festgestellt haben, dass nach sieben Jahren der eine oder andere gesagt hat, ja ihr müsst eure Nachbarn doch mitnehmen, ihr müsst sie informieren, transparent sein, und offensichtlich ist es uns nicht gelungen, die Existenz dieses Gremiums überhaupt in der Öffentlichkeit zu verankern."
Jetzt ist das Projekt in einer Sackgasse. Die Gegner haben es geschafft in München einen Bürgerentscheid herbeizuführen, der den Bau der dritten Startbahn mehrheitlich ablehnt. Gleichzeitig ist vor dem bayrischen Verwaltungsgericht eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss, der den Bau genehmigt, anhängig. Sollte die Klage abgewiesen werden, wird die Situation noch absurder. Dann könnte der Bau erfolgen, aber die Stadt München, als einer der drei Flughafengesellschafter müsste aufgrund des Bürgerentscheides ihre Zustimmung versagen. Dieser Bürgerentscheid wiederum ist streng juristisch nur für ein Jahr bindend. Was passiert danach? - Eine Situation, die für die Fluggesellschaft nach sieben Jahren Planung ebenso unbefriedigend ist wie für die Anwohner. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht, einig ist man sich nur in der Forderung, dass in solchen Streitfällen eine Bürgerentscheidung frühzeitiger erfolgen müsste.
Das gesetzliche Planfeststellungsverfahren in seiner gegenwärtigen Form reiche nicht mehr aus und sei bürokratisch erstarrt, erklärt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch.
"Es genügt nicht 20.000 Seiten Akten irgendjemandem zu irgendeinem Zeitpunkt an irgendeinem Ort zur Verfügung zu stellen wie es jetzt bei der geplanten dritten Startbahn des Münchener Flughafen war, sondern da muss eine Moderationsleistung stattfinden, im Sinne von Bürgergespräch, wo Beteiligte an einen Tisch kommen, und das war ganz auffällig bei unserer Tagung, dass immer das Wort "Auf Augenhöhe" gefallen ist, es genügt nicht, wenn die Repräsentanten des Staates vorne hin sitzen und erklären im großväterlichen Ton, wie es weiter läuft und wie das Ergebnis sein soll, sondern es muss sich in einem Dialog die Möglichkeit ergeben, unter Umständen auch über Alternativen nachzudenken."
Ministerien haben inzwischen den Bedarf an Transparenz und Information erkannt und deshalb zu Bürgerforen und Bürgerkonferenzen eingeladen, dafür aber PR-Agenturen beauftragt, die im Schnelldurchgang Veranstaltungen abhalten, bunte Flyer verteilen und für Akzeptanzbeschaffung sorgen sollen. So wird man die Unzufriedenheit der Bürger nicht wirklich los. Hanne Wurzel von der Bundeszentrale für Politische Bildung plädiert für einen anderen Weg.
"Was nicht zu vergessen ist, ist der Qualifizierungsaspekt, es geht nicht darum, Akzeptanz zu beschaffen, sondern es geht erst einmal auch darum, Informationen zu geben, Information teilweise auch erst einmal sachgerecht aufzubereiten, Raum für Reflexion zu geben und dann kann der Bürger oder die Bürgerin sich eine Position erarbeiten. Partizipation braucht qualifizierende Begleitung. Und das kann die politische Bildung leisten, und nicht wiederum Agenturen, die eingekauft werden."
Über die Forderungen nach früherer und stärkerer Einbeziehung der Bürger noch hinaus geht der Ruf nach mehr Direkter Demokratie. Insbesondere Stuttgart 21 hat die Diskussion entfacht, ob die repräsentative Demokratie in Deutschland den Bürgern zu wenig unmittelbare Entscheidungsgewalt zugesteht. Hier richtet sich der Blick nicht zufällig auf die Schweiz, das Mutterland der direkten Demokratie, wo es auf allen Ebenen - in den Kommunen, den Kantonen und auf Bundesebene - Bürgerentscheide gibt. Sie entspannen Untersuchungen Schweizer Politologen zufolge das politische Klima, sie nehmen Druck aus dem Kessel. Dieter Rucht:
"Man kann die Schweiz nicht einfach kopieren, - aber man kann sukzessive Instrumente direkter Demokratie ausbauen, das heißt insbesondere dass man für Grundfragen, für politische Weichenstellungen, die Meinung des Volkes nicht nur in Form von Meinungsumfragen zur Kenntnis nimmt, sondern das Volk beteiligt, so wie es auch die Verfassung vorsieht: In Wahlen und Abstimmungen soll die Entscheidung gefällt werden."
In Bundesländern und Kommunen sind verfassungsrechtlich Volksabstimmungen und Bürgerentscheide möglich, aber die Hürden sind sehr hoch. Natürlich braucht der Antrag für solche Verfahren eine entsprechende Mindestzahl an Unterschriften, diskussionswürdig aber ist der vorgeschriebene Prozentsatz an Abstimmungsberechtigten, die zur Urne gehen müssen, damit das Ergebnis gilt. Dieses sogenannte Quorum gibt es in den meisten Bundesländern mit wenigen Ausnahmen.
"In Bayern gibt es beispielsweise überhaupt kein Quorum wie auch in der Schweiz, das heißt diejenigen, die zur Wahl gehen, sind diejenigen, die auch entscheiden, und es wird nicht vorausgesetzt, dass eine bestimmte Menge von Leuten erst einmal zur Wahl gehen muss, damit die Entscheidung als solche Rechtskraft erlangen kann."
Die Diskussion über Direkte Demokratie wird weitergehen. Die Väter des Grundgesetzes hatten nach dem Scheitern der Weimarer Republik dem Volk außerhalb von Wahlen kaum direkte Entscheidungsmacht zugestanden. Nach 65 erfolgreicher Demokratie könnte, so meinen viele, die Bundesrepublik ihren Bürgern mehr zutrauen und das bewährte repräsentative System durch Elemente direkter Demokratie ergänzen. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung:
"Bürger sind keine Gefahr für eine Demokratie und für ein plurales Gemeinwesen, sondern immer eine Chance, die Leute sind heute in einer erwachsenen demokratischen Gesellschaft selbstbewusst, und dieses Selbstbewusstsein ist eine ungeheure demokratische Qualität. Ich finde, das muss der Ausgangspunkt der Überlegung sein und nicht die Angstperspektive."
Hans-Joachim Bues, Leiter der Unternehmenskommunikation der Flughafen München GmbH
"Da gibt es enorme Defizite, dass die Hürden für Volksentscheide in einzelnen Bundesländern so hoch sind, dass man nur in extremen Ausnahmesituationen überhaupt dahin kommt, ein Volksbegehren durchzuführen."
Dieter Rucht, Berliner Soziologe.
"Wir brauchen die Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen über die Wirtschaft und die Wissenschaft hinaus, wenn es um Anwendungsperspektiven neuer Technologien geht, dann muss die Gesellschaft als Frühwarnsystem mit an den Tisch."
Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär für Forschung a.D., Mitglied im Deutschen Ethikrat.
"Wie schaffe ich es, die Anwohner, die Betroffenen sowohl von ihrer Information wie von ihrem technischen und politischen Sachverstand auf ein Niveau dieser sogenannten Augenhöhe zu bringen?"
Ursula Münch, Politikwissenschaftlerin, Direktorin der Akademie für politische Bildung Tutzing.
"Auf Augenhöhe, das heißt, die Bürger müssen sich Gutachter einholen können, die die Argumente aus ihrer Sicht mal darlegen, und diese Gutachter müssen auch bezahlt werden, sei es von der Ratsregierung, sei es von der Stadtverwaltung."
Ursula Ammermann, Stadtplanerin, Geschäftsführerin des Münchener Forums.
Einige Stimmen aus Wirtschaft und Wissenschaft, aus Politik und Zivilgesellschaft, die für eine stärkere Bürgerbeteiligung bei Großprojekten in Deutschland plädieren. Immer mehr Bürger sind unzufrieden mit den üblichen Entscheidungsverfahren. Sie mischen sich schon länger ein, am längsten und heftigsten im Streit um die Atomenergie, seit den 90er Jahren auch in vielen anderen Bereichen, wo es um Fluglärm, Autobahnen, Müllverbrennungsanlagen und andere Bauvorhaben geht. Stuttgart 21 war das spektakulärste Beispiel der jüngsten Vergangenheit. Im Raum München schwelt seit sieben Jahren der Streit um den Bau einer dritten Start- und Landebahn. Beim gesetzlich vorgeschriebenen Planfestellungsverfahren konnten die Anwohner ihre Einwände schriftlich einreichen und bei einer Anhörung vortragen. Hartmut Binner, ein Sprecher des Aktionsbündnisses gegen den Bau, schildert, wie es bei der Anhörung zuging.
"Wir wurden oft regelrecht abgebürstet. Als zum Beispiel ein Fachmann, Professor Dr. Scheuch, ein Schallexperte, von einer Mutter in Freising, die in einem Kindergarten arbeitet, direkt an die Wand gespielt wurde, weil sie sagte, im Planfeststellungsbeschluss ist festgehalten für Attaching, dass die Kinder bei diesem Fluglärm nicht mehr ins Freie dürften, weil das gesundheitsschädlich ist. Und da hat er gesagt, sie sollte sich nicht so aufregen, Kinder sind im Freien sowieso lauter als Flugzeuge."
Bürger fühlen sich nicht ernst genommen. Auch wenn die Flughafengesellschaft bemüht war, die Anwohner frühzeitig mit ihrem Plan bekannt zu machen und sie für das Projekt zu gewinnen. Über die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen wie Raumordnung und Planfeststellungsverfahren hinaus hatte man die Vertreter der betroffenen Gemeinden und Landkreise in einen eigens dafür geschaffenen Nachbarschaftsrat eingeladen hatte, so Hans-Joachim Bues von der Flughafengesellschaft.
"Wir haben dieses Gremium, diesen Nachbarschaftsbeirat als sozusagen nicht öffentliche Veranstaltung konzipiert, in der Befürchtung, dass wenn Medienvertreter anwesend sind oder wenn die Öffentlichkeit da mithören kann, dass wir nur Schaufensterreden hören, so eine Gefahr ist natürlich immer vorhanden, das würde ich möglicherweise heutzutage anders machen, würde Medien zulassen, damit die Diskussion geführt wird und die Daten und die Fakten, die da präsentiert werden, auch an die Öffentlichkeit kommen, weil wir einfach festgestellt haben, dass nach sieben Jahren der eine oder andere gesagt hat, ja ihr müsst eure Nachbarn doch mitnehmen, ihr müsst sie informieren, transparent sein, und offensichtlich ist es uns nicht gelungen, die Existenz dieses Gremiums überhaupt in der Öffentlichkeit zu verankern."
Jetzt ist das Projekt in einer Sackgasse. Die Gegner haben es geschafft in München einen Bürgerentscheid herbeizuführen, der den Bau der dritten Startbahn mehrheitlich ablehnt. Gleichzeitig ist vor dem bayrischen Verwaltungsgericht eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss, der den Bau genehmigt, anhängig. Sollte die Klage abgewiesen werden, wird die Situation noch absurder. Dann könnte der Bau erfolgen, aber die Stadt München, als einer der drei Flughafengesellschafter müsste aufgrund des Bürgerentscheides ihre Zustimmung versagen. Dieser Bürgerentscheid wiederum ist streng juristisch nur für ein Jahr bindend. Was passiert danach? - Eine Situation, die für die Fluggesellschaft nach sieben Jahren Planung ebenso unbefriedigend ist wie für die Anwohner. Ein Kompromiss ist nicht in Sicht, einig ist man sich nur in der Forderung, dass in solchen Streitfällen eine Bürgerentscheidung frühzeitiger erfolgen müsste.
Das gesetzliche Planfeststellungsverfahren in seiner gegenwärtigen Form reiche nicht mehr aus und sei bürokratisch erstarrt, erklärt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch.
"Es genügt nicht 20.000 Seiten Akten irgendjemandem zu irgendeinem Zeitpunkt an irgendeinem Ort zur Verfügung zu stellen wie es jetzt bei der geplanten dritten Startbahn des Münchener Flughafen war, sondern da muss eine Moderationsleistung stattfinden, im Sinne von Bürgergespräch, wo Beteiligte an einen Tisch kommen, und das war ganz auffällig bei unserer Tagung, dass immer das Wort "Auf Augenhöhe" gefallen ist, es genügt nicht, wenn die Repräsentanten des Staates vorne hin sitzen und erklären im großväterlichen Ton, wie es weiter läuft und wie das Ergebnis sein soll, sondern es muss sich in einem Dialog die Möglichkeit ergeben, unter Umständen auch über Alternativen nachzudenken."
Ministerien haben inzwischen den Bedarf an Transparenz und Information erkannt und deshalb zu Bürgerforen und Bürgerkonferenzen eingeladen, dafür aber PR-Agenturen beauftragt, die im Schnelldurchgang Veranstaltungen abhalten, bunte Flyer verteilen und für Akzeptanzbeschaffung sorgen sollen. So wird man die Unzufriedenheit der Bürger nicht wirklich los. Hanne Wurzel von der Bundeszentrale für Politische Bildung plädiert für einen anderen Weg.
"Was nicht zu vergessen ist, ist der Qualifizierungsaspekt, es geht nicht darum, Akzeptanz zu beschaffen, sondern es geht erst einmal auch darum, Informationen zu geben, Information teilweise auch erst einmal sachgerecht aufzubereiten, Raum für Reflexion zu geben und dann kann der Bürger oder die Bürgerin sich eine Position erarbeiten. Partizipation braucht qualifizierende Begleitung. Und das kann die politische Bildung leisten, und nicht wiederum Agenturen, die eingekauft werden."
Über die Forderungen nach früherer und stärkerer Einbeziehung der Bürger noch hinaus geht der Ruf nach mehr Direkter Demokratie. Insbesondere Stuttgart 21 hat die Diskussion entfacht, ob die repräsentative Demokratie in Deutschland den Bürgern zu wenig unmittelbare Entscheidungsgewalt zugesteht. Hier richtet sich der Blick nicht zufällig auf die Schweiz, das Mutterland der direkten Demokratie, wo es auf allen Ebenen - in den Kommunen, den Kantonen und auf Bundesebene - Bürgerentscheide gibt. Sie entspannen Untersuchungen Schweizer Politologen zufolge das politische Klima, sie nehmen Druck aus dem Kessel. Dieter Rucht:
"Man kann die Schweiz nicht einfach kopieren, - aber man kann sukzessive Instrumente direkter Demokratie ausbauen, das heißt insbesondere dass man für Grundfragen, für politische Weichenstellungen, die Meinung des Volkes nicht nur in Form von Meinungsumfragen zur Kenntnis nimmt, sondern das Volk beteiligt, so wie es auch die Verfassung vorsieht: In Wahlen und Abstimmungen soll die Entscheidung gefällt werden."
In Bundesländern und Kommunen sind verfassungsrechtlich Volksabstimmungen und Bürgerentscheide möglich, aber die Hürden sind sehr hoch. Natürlich braucht der Antrag für solche Verfahren eine entsprechende Mindestzahl an Unterschriften, diskussionswürdig aber ist der vorgeschriebene Prozentsatz an Abstimmungsberechtigten, die zur Urne gehen müssen, damit das Ergebnis gilt. Dieses sogenannte Quorum gibt es in den meisten Bundesländern mit wenigen Ausnahmen.
"In Bayern gibt es beispielsweise überhaupt kein Quorum wie auch in der Schweiz, das heißt diejenigen, die zur Wahl gehen, sind diejenigen, die auch entscheiden, und es wird nicht vorausgesetzt, dass eine bestimmte Menge von Leuten erst einmal zur Wahl gehen muss, damit die Entscheidung als solche Rechtskraft erlangen kann."
Die Diskussion über Direkte Demokratie wird weitergehen. Die Väter des Grundgesetzes hatten nach dem Scheitern der Weimarer Republik dem Volk außerhalb von Wahlen kaum direkte Entscheidungsmacht zugestanden. Nach 65 erfolgreicher Demokratie könnte, so meinen viele, die Bundesrepublik ihren Bürgern mehr zutrauen und das bewährte repräsentative System durch Elemente direkter Demokratie ergänzen. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für Politische Bildung:
"Bürger sind keine Gefahr für eine Demokratie und für ein plurales Gemeinwesen, sondern immer eine Chance, die Leute sind heute in einer erwachsenen demokratischen Gesellschaft selbstbewusst, und dieses Selbstbewusstsein ist eine ungeheure demokratische Qualität. Ich finde, das muss der Ausgangspunkt der Überlegung sein und nicht die Angstperspektive."