Montag, 13. Mai 2024

Archiv


Auf Brautschau

Indem die Zeitschrift "Brigitte" auf professionelle Models verzichtet, signalisiert sie: Wir rücken näher ran an die Alltagswelt unserer Leserinnen. Das ist auch bitter nötig, denn wie in der Print-Branche insgesamt schrumpft auch die Auflage der "Brigitte" und all der anderen Hochglanzmagazine für Frauen.

Von Vera Linß | 10.10.2009
    Werbespot: "Sie interessieren sich für neue Strickmuster und Häkeltips? Dann sollten Sie nicht die neue MADAME kaufen. MADAME im April hat die jungen Löwen von New York, hat die Luxussommermode aus Mailand und Paris und die unbekannten Seiten von Tom Cruise. Aber keine Häkeltips. MADAME hat eben Niveau."

    Sie will geschickt umworben sein, die weibliche Zielgruppe, denn die Konkurrenz ist enorm. Über 80 Frauenzeitschriften kämpfen auf dem deutschen Markt um die Gunst ihrer Leserinnen. Für diese ist das Frauenmagazin so etwas wie die beste Freundin. Das, so hat die Medienwissenschaftlerin Kathrin Müller beobachtet:

    "…ganz klar dazu genutzt wird, sich zu entspannen, weil Frauenzeitschriften sich dadurch auszeichnen, dass sie wenig belastende Themen aufgreifen und im Prinzip der positiven Perspektive in allen ihren Artikeln auch Problemlösungen zuführen und deshalb zum Beispiel abends gut rezipiert werden können, wenn man einfach abschalten möchte und sich nicht mehr mit den Problemen der Welt oder des persönlichen Lebens beschäftigen möchte."

    Doch der altbewährte Mix aus Mode, Kosmetik, Lebenshilfe und Kochrezepten hat es auf dem Markt immer schwerer. Nicht nur die Werbeerlöse sinken. Im ersten Quartal dieses Jahres brachen die Einnahmen in der Branche um 15 Prozent ein. Auch die Auflagen sind rückläufig. Bei der "Brigitte" etwa, der Mutter aller deutschen Frauenzeitschriften, sank sie innerhalb des letzten Jahres um rund 60.000 Stück. Bilden die Glamourblätter die Lebenswirklichkeit von Frauen nicht mehr ab? Margret Lünenbourg, Journalistikprofessorin an der FU Berlin:

    "Medien bilden nie Realität ab, sondern sie zeigen uns, was in der Logik des Mediums als wichtig gilt. Die stellen bestimmte Entwürfe von Wirklichkeit vor. Und Zeitschriften wie die Brigitte und auch andere Frauenzeitschriften stellen Entwürfe von Lebenswirklichkeiten von Frauen dar, die immer kommerziell orientiert sind, weil sie sich maßgeblich über Anzeigen finanzieren. Das muss ein redaktioneller Content sein, der mit Kosmetik und Modeindustrie kompatibel ist."

    Um diesen Spagat zu schaffen, müssen die Redaktionen zunehmend neue Wege gehen. Klar ist: Die vielen Wochenblättchen, die sich alle gegenseitig kopieren, haben wenig Zukunftsperspektive. Aber auch die großen Frauen-Marken wie Brigitte, Freundin oder Cosmopolitan müssen zusätzlichen Mehrwert für ihre Leserinnen schaffen. Dann stehen ihre Überlebenschancen nicht schlecht, meint Margret Lünenbourg:

    "Wir beobachten ja eher in den letzten zehn Jahren, dass sich daneben auch das Modell Männerzeitschrift platziert und auch ausdifferenziert. Das heißt, lebensweltlicher Alltag ist ein Segment, in dem sich publizistische Produkte plazieren lassen. Die großen Generalisten haben Probleme, weil sich Lebensentwürfe immer mehr ausdifferenzieren und darauf auch ein Zeitschriftenmarkt reagieren muss und auch reagiert."

    Die "Brigitte" etwa hat inzwischen zwei Ableger für verschiedene Altersgruppen. Im Trend auch: Zusatzangebote wie Business-Akademien oder Bezahldienste im Internet wie der Diät-Coach oder der Figur-Coach. Dass dies alles unter dem Label Frauenzeitschrift läuft, ist für die Leserinnen besonders wichtig, sagt Kathrin Müller, Medienwissenschaftlerin an der Universität Lüneburg:

    "Sie könnten ja auch andere Medien wählen, um ihre Freizeit zu gestalten oder sich unterhalten zu lassen. Aber Frauenzeitschriften haben besondere Qualitäten und das ist eben genau diese Auseinandersetzung mit dem weiblichen Lebenszusammenhang."

    Auch wenn dies immer wieder belächelt wird. Schließlich sind kommerzielle Frauenzeitschriften nicht der Ort für fundierte Analysen, eher für persönlich-intime, alltäglich-banale Dinge. Die ihre Berechtigung haben, meint Journalistikprofessorin Lünenbourg:

    "Ich finde das sind alles durchaus auch legitime Nutzungsbedürfnisse, da muss man gar nicht diesen normativen Zeigefinger erheben, dass das alles triviales Gewäsch ist. Das brauchen wir alle auch."