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Auf dem Hexenbesen durch die Rote Wüste

Raumfahrt. - Die irdischen Aufklärer kreisen bereits um den Mars, und auch auf seiner Oberfläche mehren sich die Spuren von Robotern. Doch während Satelliten nur das große Ganze abbilden, Rover dagegen auf ein sehr beschränktes Areal festgelegt sind, fehlt bislang eine Methode, um größere Gebiete dennoch detailliert zu untersuchen. Diese Lücke könnte bald ein eigenwilliges Gefährt schließen.

    Per Hexenbesen wollen US-Ingenieure zukünftig den Mars erkunden. Gemeint ist damit allerdings kein mystisch getriebenes Luftvehikel, sondern eine pfiffige Methode, mit der die Natur das irdische Wüstenkraut "Hexenbesen" - englisch Tumbleweed - mobil machte. Kaum ein Western mag auf die spröden Pflanzenknäuel verzichten, die vom Wind getrieben durch alte Geisterstädte rollen und dabei kein Hindernis kennen. Wenig aufwändig, energiesparend und dennoch äußerst mobil - kein Wunder, dass sich NASA-Entwickler diesen Ansatz genauer unter die Lupe nahmen. "Der Tumbleweed Rover würde in erster Linie vom Wind angetrieben werden. Im Gegensatz zu üblichen Fahrzeugen wäre dieser Steppenläufer ausschließlich auf die Mars-Winde angewiesen", erklärt Jeff Antol, Luft- und Raumfahrtingenieur beim Langley-Research Center der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa in Virginia. Zwar ist die Atmosphäre des roten Planeten wesentlich dünner als die irdische, doch hohe Geschwindigkeiten von bis zu 160 Kilometern in der Stunde verleihen dem neugierigen Gummiball dennoch einen beträchtlichen Aktionsradius. Wissenschaftler der Jet Propulsion Laboratories schätzen, dass solche Hightech-Hexenbesen über Tausende Kilometer wegfegen könnten - und damit weiter als jeder Taxi-Roboter.

    Zwei Prototypen werden derzeit in der Antarktis sowie in Grönland erprobt. Dabei übertragen "Tumbleweed 1" und "Tumbleweed 2" ständig telemetrische und Umwelt-Daten sowie ihre exakten Standorte an ihre Schöpfer. Um seine Umgebung zu vermessen, muss der Riesenball nicht einmal anhalten: "Aus der Bewegung sammeln die Rover Informationen über die Oberfläche, die sie passieren", sagt Antol. Beispielsweise könnten so geeignete Landepunkte für nachfolgende Missionen ausgemacht werden. Um aber dereinst wirklich auf Mars umhertoben zu dürfen, muss Tumbleweed zunächst weiter abspecken. So bringt es Tumbleweed 1 auf rund 45 Kilogramm, die noch auf mindestens die Hälfte gestrichen werden müssen. Andererseits sollen Zusatzinstrumente wie ein Bohrer für Bodenproben eingebaut werden. Für eine Probenentnahme würde der Hexenbesen kurzerhand Gas ablassen, um mehr Standfestigkeit zu erreichen. Außerdem könnten mit solchen Analyseeinrichtungen Zwangspausen sinnvoll genutzt werden, wenn Tumbleweed etwa in eine Sackgasse geraten ist oder der Wind aus der falschen Richtung weht. "Überall da, wo der Tumbleweed stoppt, können wir den Mars untersuchen. Wenn der Ball also zum Beispiel in eine Höhle oder vor einen Felsen geweht wird, nutzen wir ihn dann als stationäre Plattform, die weiterhin Daten sammeln kann."

    Überdies ist Tumbleweed sein eigener Airbag, der auch Stürze in tiefere Marsschluchten verkraften soll. In Experimenten verkraftete der Prototyp selbst Aufprallgeschwindigkeiten von rund 100 Kilometern pro Stunde klaglos. Doch der wohl wichtigste Vorteil: Tumbleweed-Rover sind konkurrenzlos günstig. Dazu Jeff Antol: "Sie wären relativ preisgünstig und leicht herzustellen, nicht so kompliziert und anspruchsvoll wie die Rover auf Rädern. Weil sie vom Wind angetrieben werden, können sie einerseits größere Gebiete abdecken und andererseits viele Jahre lang funktionieren." So bestehen gute Chancen, dass 2009 Tumbleweed-Bälle das gerade entdeckte gefrorene Marsmeer erkunden. Und selbst auf Venus, dem Saturn-Mond Io und Triton, ein Begleiter Neptuns, so spekulieren die Entwickler, ließen sich irdische Hexenbesen einsetzen.

    [Quelle: Guido Meyer]