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Auf dem Kamelrücken

Hirtenvölker und Nomaden bewahren wichtige tiergenetische Ressourcen. Ihre nur noch lokal lebenden Rassen sind für die Zukunft der Tierproduktion und für Züchtungen von großem Wert. Die Tiere verfügen noch über Eigenschaften wie Genügsamkeit und Strapazierfähigkeit, die hochgezüchtete Rassen oft verloren haben. Besonders für die gentechnische Züchtung sind diese Eigenschaften von starkem Interesse. Gleichzeitig zählen die Hirtenvölker zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen auf der Südhalbkugel. Erstmals haben sich jetzt Vertreter der mobilen Tierhalter zu einem internationalen Treffen in Afrika versammelt. Sie fordern mehr Unterstützung und Anerkennung für ihren Beitrag zur Erhaltung der genetischen Vielfalt bei Nutztieren.

Yvonne Mabille |
    Für den Erhalt der tiergenetischen Vielfalt tun sie sehr viel, aber bei ihren Regierungen genießen sie trotzdem kein besonderes Ansehen - die Nomaden und Hirtenvölker, die mit ihren Rindern und Kamelen mit Ziegen- oder Schafherden in vielen Ländern der Erde die abgelegensten Gebiete besiedeln:

    Hirtenvölker sind ja Leute, die von der Viehzucht abhängen, die Gebiete bewohnen, die sich für den Ackerbau nicht eignen, weil sie entweder zu hoch gelegen sind oder zu trocken sind oder zu heiß sind. Das sind also weite Gebiete des Globus, ungefähr ein Drittel, glaube ich, der Landoberfläche, die sich nur mit Hilfe von mobiler Tierhaltung ausnutzen lassen.

    Ilse Köhler-Rollefson ist Mitbegründerin der Liga für Hirtenvölker. Sie arbeitet seit über zehn Jahren eng mit den Raikas zusammen, den berühmtesten Kamelzüchtern Indiens. Nomadische Viehwirtschaft, sagt Köhler-Roleffson, gelte als rückständig bei modernen Viehzuchtexperten. Darum würden die mobilen Tierhalter nur selten Unterstützung von staatlicher oder wissenschaftlicher Seite erhalten und immer mehr ins Abseits gedrängt. Dabei haben die Tiere der Nomaden oft ganz besondere Qualitäten:

    In Uganda, da gibt es die Bahima-Kultur, die sind die Züchter der Ankole-Rinder. Das sind die Rinder mit diesen ganz riesigen Hörnern. Diese Ankole-Rinder, bei denen ist z.B. auch festgestellt worden, ihr Fleisch hat angeblich sehr niedrigen Cholesteringehalt.

    Die Bahimas sind, wie andere Hirtenvölker, in ihrer Existenz bedroht. Weil ihnen Weiderechte abgesprochen werden und weil moderne Ranches zunehmen, die Fleisch industriell produzieren. Mit der modernen Intensivhaltung können die traditionellen Viehhalter nicht konkurrieren. Gleichzeitig interessieren sich aber moderne Züchter und Geningenieure für die Gene der Lokalrassen. Alles Eigenschaften, die unsere Hochleistungstiere längst verloren haben: Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, Fähigkeit mit knappem Futter und Wasser auszukommen. Oder bestimmten Geschmackseigenschaften. Ilse Köhler-Roleffson:

    Ich kann das berühmte Tuli-Rind anführen, das aus Zimbabwe kommt, das ursprünglich von einer traditionellen Gemeinschaft gezüchtet wurde. Dann wurden Ende der 80er Jahre ein paar Embryonen zur Forschung nach Australien gegeben und die Australier haben damit gezüchtet. Haben dann die Tiere weiter von Australien nach Amerka exportiert und inzwischen ist festgestellt worden, dass die Fleischqualität dieses Rindes ganz hervorragend ist. Es wird sogar als besser angesehen als das von Angus, dem berühmten schottischen Angus-Rind.

    Beim ersten internationalen Treffen von Nomadenvertretern aus drei Kontinenten, das kürzlich in Kenia stattfand, wurde deutlich, wie sehr die Vielfalt der Tierrassen mit der jeweiligen Kultur ihrer Halter verknüpft ist. Ohne die kulturelle Vielfalt, so Köhler-Rollefson, könne auch die tiergenetische Vielfalt nicht weiterbestehen:

    Bei denen ist die ganze Kultur eben auf die Verbindung mit dem Tier eingestellt. Das drückt sich dann daraus aus, dass eigentlich keine sozialen Abläufe möglich sind, ohne dass nicht Tiere darin verwickelt sind.

    Ob Geburt, Heirat oder Tod - Tiere spielen immer eine wichtige Rolle dabei.
    Wenn die Nomaden sesshaft werden müssten, was viele Regierungen anstreben, gingen ihre Rassen und auch das Wissen darüber verloren. Die Hirtenvölker forderten denn auch in Kenia staatliche Unterstützung und Anerkennung ihrer Leistungen beim Erhalt tiergenetischer Ressourcen. Die Abwanderung in die Stadt als Hilfsarbeiter sei keine Perspektive:

    Wenn man nun ne Möglichkeit findet, die Leute in ihren einheimischen Gebieten zu unterstützen, indem man ihnen hilft, aus ihren Tieren mehr Wert rauszuholen, dann löst das ne riesige Palette von Problemen in den Entwicklungsländern.