"Also, ich weiß, welches Pferd bollert, welches Pferd wiehert. Das hört man raus, wenn man die Pferde gut genug kennt, so wie ich."
Karina Grieger arbeitet schon seit fünf Jahren in ihrer Freizeit auf dem Reiterhof Rüenberg. Energisch zieht sie eins der Pferde zur Seite. Überall rennen Kinder aufgeregt hin und her. Die Pferde sollen aufgeteilt werden, und wer wie die elfjährige Franziska Maurer schon zum siebten Mal hier ist, hofft auf sein Lieblingspferd.
"Ja, man kann natürlich einen Wunsch äußern. Aber leider bin ich jetzt für mein Lieblingspferd zu groß geworden. Ich wollte eigentlich die Day reiten, aber jetzt reite ich den Chicco unter der Woche und am Wochenende die Bella."
Unschlüssig gehen noch einige Eltern an den Reitplätzen entlang, den Autoschlüssel schon in der Hand. So mancher lässt sein Kind das erste Mal alleine auf einem Reiterhof.
"Aber ich habe doch den Eindruck, dass der Hof gut organisiert ist, und ich fahre jetzt guten Gewissens wieder nach Aachen."
Bis zu 100 Ferienkinder kann der Reiterhof Rüenberg aufnehmen. Die Kinder schlafen in Mehrbettzimmern. Für Familien gibt es Apartments. Über 60 Pferde warten darauf, geritten zu werden, und in den Ferienzeiten stehen rund zehn Betreuer bereit, um den Kinder beim Umgang mit den Tieren zu helfen. Angefangen hatte alles mit einem kleinen Ponyhof, den die Eltern von Heiderose Niehues führten.
"Die ersten Anfänge waren, dass meine Eltern meiner Schwester und mir ein Pony gekauft haben. Aber wie das dann so geht: Die Mädchen werden größer und haben mehr Jungs im Kopf. Und dann standen die Ponys da zu Hause bei meinen Eltern rum und wurden eben an andere Gäste verliehen. Später, als ich dann wieder nach Hause kam mit Mann und Kindern, haben wir überlegt, wo wir denn bauen könnten."
Das war 1983 und seitdem wird der Hof ständig erweitert; ganz in Eigenregie, denn Heiderose Niehues ist Bauzeichnerin, ihr Mann ist Bauingenieur. Auch ihre Mutter, Oma Teske, 75 Jahre alt, arbeitet noch kräftig mit. Längst sind es nicht mehr nur die Kinder, die von den Reiterferien begeistert sind.
"Früher haben wir das auch nur so gemacht, dass wir reine Ferienkinder genommen haben, die ohne Eltern hier von uns betreut wurden rund um die Uhr. Dass Eltern ihre Kinder begleiten oder Großeltern, da geht der Trend schon hin, dass der Familienurlaub größer wird."
So ist auch Dorothee Stolzenberg durch ihre Tochter wieder zum Reiten gekommen.
"Man hört ja dann irgendwann mit 18, 19 auf, weil man berufstätig ist - und dann kommt man nicht mehr dazu. Und jetzt mit der Kleinen bekommt man wieder einen Zugang."
"Was ist denn das Tolle am Pferd?"
"Dass man einfach draußen ist mit dem Tier, an der frischen Luft ist und nicht alleine Sport macht, sondern was mit dem Tier gemeinsam."
Doch auch wer für Pferde nicht viel übrig hat, genießt den Aufenthalt. Schon auf der Fahrt zum Reiterhof geht es vorbei an Wäldern und Weiden. Schafe grasen gemächlich zwischen Tannenschonungen.
Früh am Morgen liegt ein Nebelschleier über dem nahegelegenen See, und außer der Vögel hört man beim Streifzug durch das Heidegebiet, das sich hinter dem See erstreckt, nichts. Ein Ort der Entspannung.
"Dreiländersee ist ein großes Seengebiet mit einem großen Badesee und noch größerem Sport und Surfsee. Das Venngebiet ist einzigartig hier in der Gegend vor allen Dingen im Frühjahr, wenn die Blüte da ist. Es ist ein großes Heidegelände mit Seen, Sieben Tümpelgebiet. Da gibt es zwei große Aussichtspunkte, von wo aus man das ganze Gebiet überblicken kann."
Benannt ist der Reiterhof nach dem nahegelegenen Rüenberger Wald. Hausherr Josef Niehues hat mit dem Reiten an sich nicht viel am Hut, das überlässt er seiner Frau und seiner Tochter Lena. Mit den Pferden und dem Hof aber kennt er sich aus. Als Bauingenieur hat er gemeinsam mit seiner Frau die Ställe und die Wohnhäuser entworfen. Dabei kam es ihm besonders auf den münsterländischen Charakter der Gebäude an.
"Wir haben uns überlegt, dass wir irgendwas machen, was hier auch zu der Gegend passt - und dazu gehören der rote Backsteinklinker und rotes Dach. Das sieht man hier überall als ursprüngliche Häuser. Gäste, die ich habe, glauben immer, dass das eine Anlage ist, die immer schon gestanden hat und die aus einem Guss ist."
Die Ställe sind kreuzförmig angelegt mit roten Giebeldächern, in denen einige der Ferienwohnungen untergebracht sind. Wer will kann auch im "Heuhotel" direkt über den Pferden schlafen.
Stolz des Hofes sind die Kladruber, eine seltene Pferderasse. Das Gestüt Kladrub in Tschechien ist das älteste Nationalgestüt der Welt und steht sogar als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO.
"In dem ersten Stall steht unser Cyprian, das ist ein gekührter Kladruberhengst, den wir aus Tschechien importiert haben. Von den Kladrubern haben wir noch vier, fünf mehr, einige Stuten und mittlerweile einige Nachzucht, denn wir sind eine der ganz wenigen Züchter in Deutschland überhaupt, die Kladruber züchten."
"Was sind Kladruber, was ist da das Besondere?"
"Der Kladruber ist eines der ältesten in Europa gezüchteten Pferde überhaupt. Das Gestüt Kladrub hinter Prag wurde im 16. Jahrhundert gegründet und züchtete in erster Linie Pferde für den kaiserlichen Hof. Und diese Kladruber waren die unheimlich nervenstarken Pferde, die auch als Kutschpferde benutzt wurden. Also was heutzutage der gepanzerte Mercedes ist, war damals der Kladruber - absolutes Sicherheitspferd."
"Und das ist gut auf einem Reithof mit Kindern?"
"Auf jeden Fall, denn die sind nervenstark. Die sind sehr beliebt. Die werden immer geritten. Die stehen, lassen sich putzen und treten und beißen nicht; absolute brave nervenstarke Pferde."
Cyprian, der weiße Kladruberhengst, wird gerade gestriegelt und verliert dabei ziemlich viele Haare.
"Ich glaube unser Häschen hier wurde schon länger nicht mehr geputzt, deswegen."
Am Ende der langen Gasse mit den Pferdeboxen liegt die Reithalle. Tochter Lena ist Dressurreiterin und ausgebildete Bereiterin. Sie erteilt den Kindern den ersten Unterricht.
Am Eingang steht ungeduldig die nächste Gruppe. Doch bevor es in die Halle geht, müssen die Kinder ihre Pferde reitfertig machen. Die Betreuerinnen helfen ihnen dabei, zu trensen, also das Zaumzeug anzulegen, und zu satteln.
"Man muss drauf achten, dass man an die richtigen Stellen kommt, weil man das Pferd sonst verletzen könnte.”"
""Also als erstes lege ich einfach nur die Zügel um, damit mir das Pferd nicht abhaut. Dann tu ich die Hand auf die Nase, damit der Kopf nicht immer weggeht. Dann kommt das Genickstück hinter die Ohren, damit die Trense überhaupt nicht runterfällt und dann wird einfach nur noch der Kehlriemen festgemacht."
"Und das müssen die alles lernen?"
"Das müssen die noch lernen."
Auch außerhalb der Reitstunden werden die Kinder in Theorie geschult. Schließlich können Anfänger hier schon bald das kleine Hufeisen machen. Dafür müssen sie ihr Pferd satteln und die richtigen Begriffe rund ums Reiten kennen. Fortgeschrittene werden bis zum silbernen Reitabzeichen für das Turnierreiten geprüft.
Die Mädchen hören gespannt zu. Pepsi, ein geflecktes Mischlingspony, lässt alles geduldig über sich ergehen. Es fällt auf, dass Mädchen eindeutig in der Überzahl sind. Leonard Horst ist einer der wenigen Jungen. Auf dem Pferd fühlt er sich stark.
"Man kann es bestimmen, wo es hingeht. Man ist der Boss auf dem Pferd und noch mehr Spaß macht eigentlich das Zusammensein noch mit den anderen Leuten."
Denn auch das gehört zu den Ferien auf dem Reiterhof: Freunde treffen, neue Leute kennenlernen und gemeinsam Spaß haben. Dabei sorgen die Betreuer auch für das Unterhaltungsprogramm wie Ausflüge, Lagerfeuer, Planwagenfahrt, Schnitzeljagd oder Schwimmen.
"Miniplaybackshow am letzten Abend ist ganz wichtig. Und das können wir auch schon nicht mehr aus dem Programm rausnehmen, weil: Die erwarten das einfach von uns."
Langsam geht die Sonne unter hinter dem Rüenberger Wald. Beim Abendbrot wird das weitere Programm besprochen, denn der Tag ist ja noch nicht zu Ende.
"Was macht ihr denn noch?"
"Die haben es mir schon gesagt. Wir gehen heute noch an den See und machen Spiele."
In der Dämmerung zwitschern die Vögel. Ein Fußweg mit weichem Sandboden, den auch die Pferde zum Ausritt benutzten, führt zum Dreiländersee. Doch direkt bis ans Seeufer darf man nicht reiten.
"Wir können ziemlich in der Nähe entlang reiten, aber wir dürfen nicht dran. Der See hat so eine gute Wasserqualität, dass die Stadt unheimlich stolz darauf ist und alles mögliche versucht, Hunde, Tiere und erst recht Pferde davon fern zu halten. Als wir hier anfingen vor 30 Jahren, meine Schwiegermutter, da gab es noch Pläne, dass es eine Pferdetränke gab, eine Pferdefurt und solche Sachen, aber die sind mittlerweile alle aus den Plänen gestrichen, damit der See schön sauber bleibt."
Am nächsten Tag bekomme auch ich meine erste Reitstunde bei Lena Niehues, muss beim Striegeln auf die Wirbel im Pferdefell achten und beim Satteln den Gurt richtig anziehen. Nie hätte ich gedacht, dass ein Pferdebein so schwer sein kann, wenn man es anhebt, um die Hufe auszukratzen.
"Und das Hinterbein muss man ein bisschen zurückziehen, nach hinten rausziehen."
"Mein Gott, die sind aber schwer."
"Sonst ruhig mit dem Knie von hinten stützen."
"Ist das ein schweres Bein."
""Das machen die Kinder sonst auch immer!"
Zum Glück reite ich die Norwegerstute Fauna.
"Die ist ganz lieb, eine ganz ruhige für Anfänger extra auch - sind die aber alle, die Fjordpferde."
Jeder Anfänger beginnt erst einmal im Schritt. Und weil das schon ganz gut klappt, soll Fauna jetzt traben. Den richtigen Rhythmus mit dem Pferd zu finden, ist gar nicht so einfach.
"Hoch, runter, hoch runter - ein bisschen schneller hoch runter. War schon eigentlich recht gut, nur ein bisschen mehr aufstehen. Man muss sich nicht von dem Pferd - das macht ja hopp, hopp, hopp - man muss seinen eigenen Takt finden, nicht sich vom Pferd hochschmeißen lassen."
Für einen Ausritt zum Rüenberger Wald brauche ich wohl noch ein paar Reitstunden. Am Abend jedenfalls weiß ich, was ich getan habe: Der Muskelkater schmerzt. Dabei dachte ich, nur das Pferd hätte sich bewegt.
Wen der Pferdevirus einmal befällt, der kommt so schnell nicht mehr davon los. Tochter Lena wird das Gestüt einmal übernehmen, ihr Bruder das Ingenieurbüro des Vaters. Der Hof bleibt auf jeden Fall - und das freut Josef und Heiderose Niehues - im Familienbesitz. Ein Leben ohne Pferde kann sich Lena Niehues, die noch ihren Meister als Pferdewirtin machen will, auch gar nicht vorstellen.
"Man kann sich einfach nur auf das Pferd konzentrieren und man hat die Gedanken nirgendwo anders. Und es lenkt einfach ab wenn man mal schlecht drauf ist - und das tut gut. Immer. Jeden Tag!"
Link:
www.reiterhof-rueenberg.de
Buchtipp:
Deutsche Reiterliche Vereinigung und Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (Hrsg.): Urlaub im Sattel
Deutschlands schönste Reiterhöfe
DLG und FN Verlag
Karina Grieger arbeitet schon seit fünf Jahren in ihrer Freizeit auf dem Reiterhof Rüenberg. Energisch zieht sie eins der Pferde zur Seite. Überall rennen Kinder aufgeregt hin und her. Die Pferde sollen aufgeteilt werden, und wer wie die elfjährige Franziska Maurer schon zum siebten Mal hier ist, hofft auf sein Lieblingspferd.
"Ja, man kann natürlich einen Wunsch äußern. Aber leider bin ich jetzt für mein Lieblingspferd zu groß geworden. Ich wollte eigentlich die Day reiten, aber jetzt reite ich den Chicco unter der Woche und am Wochenende die Bella."
Unschlüssig gehen noch einige Eltern an den Reitplätzen entlang, den Autoschlüssel schon in der Hand. So mancher lässt sein Kind das erste Mal alleine auf einem Reiterhof.
"Aber ich habe doch den Eindruck, dass der Hof gut organisiert ist, und ich fahre jetzt guten Gewissens wieder nach Aachen."
Bis zu 100 Ferienkinder kann der Reiterhof Rüenberg aufnehmen. Die Kinder schlafen in Mehrbettzimmern. Für Familien gibt es Apartments. Über 60 Pferde warten darauf, geritten zu werden, und in den Ferienzeiten stehen rund zehn Betreuer bereit, um den Kinder beim Umgang mit den Tieren zu helfen. Angefangen hatte alles mit einem kleinen Ponyhof, den die Eltern von Heiderose Niehues führten.
"Die ersten Anfänge waren, dass meine Eltern meiner Schwester und mir ein Pony gekauft haben. Aber wie das dann so geht: Die Mädchen werden größer und haben mehr Jungs im Kopf. Und dann standen die Ponys da zu Hause bei meinen Eltern rum und wurden eben an andere Gäste verliehen. Später, als ich dann wieder nach Hause kam mit Mann und Kindern, haben wir überlegt, wo wir denn bauen könnten."
Das war 1983 und seitdem wird der Hof ständig erweitert; ganz in Eigenregie, denn Heiderose Niehues ist Bauzeichnerin, ihr Mann ist Bauingenieur. Auch ihre Mutter, Oma Teske, 75 Jahre alt, arbeitet noch kräftig mit. Längst sind es nicht mehr nur die Kinder, die von den Reiterferien begeistert sind.
"Früher haben wir das auch nur so gemacht, dass wir reine Ferienkinder genommen haben, die ohne Eltern hier von uns betreut wurden rund um die Uhr. Dass Eltern ihre Kinder begleiten oder Großeltern, da geht der Trend schon hin, dass der Familienurlaub größer wird."
So ist auch Dorothee Stolzenberg durch ihre Tochter wieder zum Reiten gekommen.
"Man hört ja dann irgendwann mit 18, 19 auf, weil man berufstätig ist - und dann kommt man nicht mehr dazu. Und jetzt mit der Kleinen bekommt man wieder einen Zugang."
"Was ist denn das Tolle am Pferd?"
"Dass man einfach draußen ist mit dem Tier, an der frischen Luft ist und nicht alleine Sport macht, sondern was mit dem Tier gemeinsam."
Doch auch wer für Pferde nicht viel übrig hat, genießt den Aufenthalt. Schon auf der Fahrt zum Reiterhof geht es vorbei an Wäldern und Weiden. Schafe grasen gemächlich zwischen Tannenschonungen.
Früh am Morgen liegt ein Nebelschleier über dem nahegelegenen See, und außer der Vögel hört man beim Streifzug durch das Heidegebiet, das sich hinter dem See erstreckt, nichts. Ein Ort der Entspannung.
"Dreiländersee ist ein großes Seengebiet mit einem großen Badesee und noch größerem Sport und Surfsee. Das Venngebiet ist einzigartig hier in der Gegend vor allen Dingen im Frühjahr, wenn die Blüte da ist. Es ist ein großes Heidegelände mit Seen, Sieben Tümpelgebiet. Da gibt es zwei große Aussichtspunkte, von wo aus man das ganze Gebiet überblicken kann."
Benannt ist der Reiterhof nach dem nahegelegenen Rüenberger Wald. Hausherr Josef Niehues hat mit dem Reiten an sich nicht viel am Hut, das überlässt er seiner Frau und seiner Tochter Lena. Mit den Pferden und dem Hof aber kennt er sich aus. Als Bauingenieur hat er gemeinsam mit seiner Frau die Ställe und die Wohnhäuser entworfen. Dabei kam es ihm besonders auf den münsterländischen Charakter der Gebäude an.
"Wir haben uns überlegt, dass wir irgendwas machen, was hier auch zu der Gegend passt - und dazu gehören der rote Backsteinklinker und rotes Dach. Das sieht man hier überall als ursprüngliche Häuser. Gäste, die ich habe, glauben immer, dass das eine Anlage ist, die immer schon gestanden hat und die aus einem Guss ist."
Die Ställe sind kreuzförmig angelegt mit roten Giebeldächern, in denen einige der Ferienwohnungen untergebracht sind. Wer will kann auch im "Heuhotel" direkt über den Pferden schlafen.
Stolz des Hofes sind die Kladruber, eine seltene Pferderasse. Das Gestüt Kladrub in Tschechien ist das älteste Nationalgestüt der Welt und steht sogar als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO.
"In dem ersten Stall steht unser Cyprian, das ist ein gekührter Kladruberhengst, den wir aus Tschechien importiert haben. Von den Kladrubern haben wir noch vier, fünf mehr, einige Stuten und mittlerweile einige Nachzucht, denn wir sind eine der ganz wenigen Züchter in Deutschland überhaupt, die Kladruber züchten."
"Was sind Kladruber, was ist da das Besondere?"
"Der Kladruber ist eines der ältesten in Europa gezüchteten Pferde überhaupt. Das Gestüt Kladrub hinter Prag wurde im 16. Jahrhundert gegründet und züchtete in erster Linie Pferde für den kaiserlichen Hof. Und diese Kladruber waren die unheimlich nervenstarken Pferde, die auch als Kutschpferde benutzt wurden. Also was heutzutage der gepanzerte Mercedes ist, war damals der Kladruber - absolutes Sicherheitspferd."
"Und das ist gut auf einem Reithof mit Kindern?"
"Auf jeden Fall, denn die sind nervenstark. Die sind sehr beliebt. Die werden immer geritten. Die stehen, lassen sich putzen und treten und beißen nicht; absolute brave nervenstarke Pferde."
Cyprian, der weiße Kladruberhengst, wird gerade gestriegelt und verliert dabei ziemlich viele Haare.
"Ich glaube unser Häschen hier wurde schon länger nicht mehr geputzt, deswegen."
Am Ende der langen Gasse mit den Pferdeboxen liegt die Reithalle. Tochter Lena ist Dressurreiterin und ausgebildete Bereiterin. Sie erteilt den Kindern den ersten Unterricht.
Am Eingang steht ungeduldig die nächste Gruppe. Doch bevor es in die Halle geht, müssen die Kinder ihre Pferde reitfertig machen. Die Betreuerinnen helfen ihnen dabei, zu trensen, also das Zaumzeug anzulegen, und zu satteln.
"Man muss drauf achten, dass man an die richtigen Stellen kommt, weil man das Pferd sonst verletzen könnte.”"
""Also als erstes lege ich einfach nur die Zügel um, damit mir das Pferd nicht abhaut. Dann tu ich die Hand auf die Nase, damit der Kopf nicht immer weggeht. Dann kommt das Genickstück hinter die Ohren, damit die Trense überhaupt nicht runterfällt und dann wird einfach nur noch der Kehlriemen festgemacht."
"Und das müssen die alles lernen?"
"Das müssen die noch lernen."
Auch außerhalb der Reitstunden werden die Kinder in Theorie geschult. Schließlich können Anfänger hier schon bald das kleine Hufeisen machen. Dafür müssen sie ihr Pferd satteln und die richtigen Begriffe rund ums Reiten kennen. Fortgeschrittene werden bis zum silbernen Reitabzeichen für das Turnierreiten geprüft.
Die Mädchen hören gespannt zu. Pepsi, ein geflecktes Mischlingspony, lässt alles geduldig über sich ergehen. Es fällt auf, dass Mädchen eindeutig in der Überzahl sind. Leonard Horst ist einer der wenigen Jungen. Auf dem Pferd fühlt er sich stark.
"Man kann es bestimmen, wo es hingeht. Man ist der Boss auf dem Pferd und noch mehr Spaß macht eigentlich das Zusammensein noch mit den anderen Leuten."
Denn auch das gehört zu den Ferien auf dem Reiterhof: Freunde treffen, neue Leute kennenlernen und gemeinsam Spaß haben. Dabei sorgen die Betreuer auch für das Unterhaltungsprogramm wie Ausflüge, Lagerfeuer, Planwagenfahrt, Schnitzeljagd oder Schwimmen.
"Miniplaybackshow am letzten Abend ist ganz wichtig. Und das können wir auch schon nicht mehr aus dem Programm rausnehmen, weil: Die erwarten das einfach von uns."
Langsam geht die Sonne unter hinter dem Rüenberger Wald. Beim Abendbrot wird das weitere Programm besprochen, denn der Tag ist ja noch nicht zu Ende.
"Was macht ihr denn noch?"
"Die haben es mir schon gesagt. Wir gehen heute noch an den See und machen Spiele."
In der Dämmerung zwitschern die Vögel. Ein Fußweg mit weichem Sandboden, den auch die Pferde zum Ausritt benutzten, führt zum Dreiländersee. Doch direkt bis ans Seeufer darf man nicht reiten.
"Wir können ziemlich in der Nähe entlang reiten, aber wir dürfen nicht dran. Der See hat so eine gute Wasserqualität, dass die Stadt unheimlich stolz darauf ist und alles mögliche versucht, Hunde, Tiere und erst recht Pferde davon fern zu halten. Als wir hier anfingen vor 30 Jahren, meine Schwiegermutter, da gab es noch Pläne, dass es eine Pferdetränke gab, eine Pferdefurt und solche Sachen, aber die sind mittlerweile alle aus den Plänen gestrichen, damit der See schön sauber bleibt."
Am nächsten Tag bekomme auch ich meine erste Reitstunde bei Lena Niehues, muss beim Striegeln auf die Wirbel im Pferdefell achten und beim Satteln den Gurt richtig anziehen. Nie hätte ich gedacht, dass ein Pferdebein so schwer sein kann, wenn man es anhebt, um die Hufe auszukratzen.
"Und das Hinterbein muss man ein bisschen zurückziehen, nach hinten rausziehen."
"Mein Gott, die sind aber schwer."
"Sonst ruhig mit dem Knie von hinten stützen."
"Ist das ein schweres Bein."
""Das machen die Kinder sonst auch immer!"
Zum Glück reite ich die Norwegerstute Fauna.
"Die ist ganz lieb, eine ganz ruhige für Anfänger extra auch - sind die aber alle, die Fjordpferde."
Jeder Anfänger beginnt erst einmal im Schritt. Und weil das schon ganz gut klappt, soll Fauna jetzt traben. Den richtigen Rhythmus mit dem Pferd zu finden, ist gar nicht so einfach.
"Hoch, runter, hoch runter - ein bisschen schneller hoch runter. War schon eigentlich recht gut, nur ein bisschen mehr aufstehen. Man muss sich nicht von dem Pferd - das macht ja hopp, hopp, hopp - man muss seinen eigenen Takt finden, nicht sich vom Pferd hochschmeißen lassen."
Für einen Ausritt zum Rüenberger Wald brauche ich wohl noch ein paar Reitstunden. Am Abend jedenfalls weiß ich, was ich getan habe: Der Muskelkater schmerzt. Dabei dachte ich, nur das Pferd hätte sich bewegt.
Wen der Pferdevirus einmal befällt, der kommt so schnell nicht mehr davon los. Tochter Lena wird das Gestüt einmal übernehmen, ihr Bruder das Ingenieurbüro des Vaters. Der Hof bleibt auf jeden Fall - und das freut Josef und Heiderose Niehues - im Familienbesitz. Ein Leben ohne Pferde kann sich Lena Niehues, die noch ihren Meister als Pferdewirtin machen will, auch gar nicht vorstellen.
"Man kann sich einfach nur auf das Pferd konzentrieren und man hat die Gedanken nirgendwo anders. Und es lenkt einfach ab wenn man mal schlecht drauf ist - und das tut gut. Immer. Jeden Tag!"
Link:
www.reiterhof-rueenberg.de
Buchtipp:
Deutsche Reiterliche Vereinigung und Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (Hrsg.): Urlaub im Sattel
Deutschlands schönste Reiterhöfe
DLG und FN Verlag