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Auf dem Sprung nach Europa

Medizin. - "H5N1" heißt das Schreckgespenst der Epidemiologen - und es nähert sich Deutschland immer mehr. Denn nach drei Todesfällen im Osten der Türkei ereigneten sich jetzt auch Infektionen in Istanbul. Experten des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin wie Christian Drosten beobachten die Entwicklung genau. Im Gespräch mit Arndt Reuning erläutert er die Situation.

    Arndt Reuning: Herr Dr. Drosten, Sie sind Leiter der Abteilung Virologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Hat sich durch die H5N1-Infektion von Menschen in der Türkei die Bedrohung auch für Europa verschärft?

    Christian Drosten: "Im Prinzip ist die Situation, die dort vorliegt, das was man auch schon seit einiger Zeit in Südostasien gesehen hat. Wenn man einmal zurück geht, hat man etwas ähnliches schon im Jahr 2003 gehabt in den Niederlanden, allerdings da mit einem anderen Virus, H7N7 - ein verwandtes Virus, ebenfalls ein Influenza A-Vogelgrippevirus. Man kann natürlich da auch ein bisschen auf die Erfahrung zurückgreifen. Es hat auch in Holland eine weite Ausbreitung von Fällen gegeben. Das Ganze ging in der Niederrhein-Region auch nach Deutschland herüber und es hat auch dort infizierte Menschen gegeben, es hat auch einen Todesfall gegeben."

    Reuning: Sie erwähnten Asien. Sind wir denn durch die geografische Nähe der Türkei zu Europa besonders betroffen?

    Drosten: "Ja, natürlich - es ist jetzt eine andere Situation als diese große Distanz zu Südostasien. Es ist natürlich erhöhte Wachsamkeit angezeigt. Das, was im Moment eingeleitet wird, ist richtig zu nennen, also dass man den Import kontrolliert, auf Schmuggel von importierten Vögeln achtet und auch Reisewarnungen herausgibt in Hinsicht auf das Verhalten in Reisegebieten."

    Reuning: Noch ist die Vogelgrippe eine Tierseuche, das heißt, sie ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar, und noch ist kein Pandemie-Virus entstanden. Besteht jetzt eine neue Quelle für solch ein eventuelles Pandemie-Virus?

    Drosten: "Man kann ganz prinzipiell sich überlegen, dass je öfter so ein Vogelgrippe-Virus Gelegenheit zum Kontakt mit dem Menschen hat, seine Chancen umso besser stehen, sich zu verändern. Und natürlich ist das jetzt momentan wieder in der Türkei gegeben. Es gibt häufige Attacken eines Vogelgrippe-Virus auf den Menschen und damit immer wieder einen Selektionsdruck auf dieses Virus, sich dem Menschen besser anzupassen."

    Reuning: Welche Maßnahmen gegen die Vogelgrippe sollte man jetzt hier bei uns in Europa, aber auch in der Türkei ergreifen?

    Drosten: "In der Türkei ist es die Isolierung von Beständen, vielleicht auch die Quarantänisierung von ganzen Dörfern. International sind es einfach Maßnahmen, die bereits eingeleitet wurden, wie etwa Importverbote und die Kontrolle von Einfuhr von beispielsweise geschmuggeltem Federvieh."