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Auf dem Weg in die Kleinstaaterei

Studienkonten sollen das Studium beschleunigen. Diese Modell finden auch mehr und mehr Anklang in sozialdemokratischen regierten Bundesländern. Nach Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen stellt nun auch Bremen sein eigenes Konzept vor - es droht die bildungspolitische Kleinstaaterei.

    Ein Beitrag von Manuel Hartung



    Wer ein Jahr nichts macht, der ist nicht zum Studieren hier. Es würde so laufen, dass wir einen Studenten nach dem ersten Semester anschreiben und ihm sagen, dass wir uns Sorgen machen und dass das Studium möglicherweise gebührenpflichtig wird. Wer sagt, dass er studiert und es nicht tut, wird jemandem gleichgestellt, der eine Reise bucht und sie dann nicht antritt.

    Wer die Reise Studium nicht antritt, soll bis zu 350 Euro zahlen. Das will zumindest Christina Vocke, die Dezernentin für studentische Angelegenheiten an der Bremer Universität. Sie hat ein Konzept für Studienkonten entworfen, das sie vom Wintersemester 2004 an umsetzen will: Dann soll jeder Student sein Studium mit einem leeren Konto beginnen. Je mehr er leistet, desto mehr Credits, also Guthaben, bekommt er auch. Sammelt er zu wenig, gibt's den blauen Brief von der Uni. Damit will die Hochschule nicht etwa an mehr Geld kommen, sondern ihren Studierenden helfen, versichert Christina Vocke.

    Wir wollen Studierenden so frühzeitig Rückmeldung geben, dass sie es in der vorgegebenen Zeit schaffen. Ein Studienkontenmodell ist nicht zu verwechseln mit zusätzlichen Einnahmequellen, sondern soll Studierverhalten steuern Sie sollen Studierenden zügiges, erfolgreiches Studieren ermöglichen. Wir wollen Studierenden helfen, in neun bis zwölf Semestern einen Abschluss zu erzielen.

    Studienkonten sind keine Bremer Erfindung: In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind sie beschlossene Sache. Hier läuft die Abrechnung aber genau umgekehrt: Die Konten sind am Anfang voll - und sie werden im Laufe des Studiums leer. Wer sein Konto überzieht, muss Strafe zahlen. Viel besser, findet Kajo Pieper vom Wissenschaftsministerium in Mainz und nennt ein drastisches Beispiel:

    Eine Studentin wird schwanger, bekommt ein Kind und studiert nebenher weiter. Sie kann in dieser Zeit wenig Leistungsnachweise erwerben. Im rheinland-pfälzischen Modell würde niemand fragen, warum hat diese Studentin so viel weniger Leistungen erworben. In Bremen würde man die Studentin nach einem Semester anschreiben und würde sie fragen: Warum hast Du so wenig erworben, und sie müsste sich rechtfertigen. Ich gehe davon aus, dass individuelle Lebensereignisse die Hochschule nichts angehen, wenn insgesamt der Studienverlauf so ist, dass man fertig werden kann.

    Mit der Bremer Idee wird der Markt der Modelle immer voller - und die Verwirrung immer größer. Manche Bildungspolitiker verlangen Langzeitstudiengebühren, Verwaltungsgebühren, Einschreibegebühren, andere fordern Bildungskredite, nachlaufende oder nachgelagerte Gebühren. Und natürlich heißt es überall, dass ein Student problemlos von Bremen nach Bonn wechseln kann und umgekehrt. Aber selbst Christina Vocke von der Uni Bremen sieht Deutschland auf dem besten Weg in die bildungspolitische Kleinstaaterei.

    Die Gefahr sehe ich auch. Aber der Ball liegt nicht allein bei uns, weil quer durch die Republik jedes Bundesland angefangen hat, Konzepte zu entwickeln und das nicht über die bundesweiten Gremien gelaufen ist. Jetzt zu sagen, wir gleichen uns einfach NRW an, nur weil es das größte Bundesland ist, finde ich nicht so ermutigend.

    Die politische Entscheidung in Bremen soll in den nächsten Monaten fallen. Im rheinland-pfälzischen Wissenschaftsministerium hofft man allerdings, dass die Bremer Landesregierung das Konzept von Christina Vocke ablehnt. Kajo Pieper:

    Es kann ja immer noch passieren, dass die Landesregierung von Bremen sagt, wir schließen uns dem Modell von Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen an. Es ist richtig, dass es keinen Sinn macht, wenn jedes Bundesland ein eigenes Modell von Studienkonten entwickelt.