Archiv


Auf dem Weg ins ganz normale Leben

Es scheint ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen zu werden: zwischen Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und seiner Herausforderin Hannelore Kraft (SPD). Beide geben sich bei ihrem Kampf um Wählerstimmen volksnah und bodenständig.

Von Christiane Wirtz und Barbara Schmidt-Mattern |
    Arbeiterführer, Karnevalist - Jürgen Rüttgers hat schon viele Rollen ausprobiert, um mehr Volksnähe auszustrahlen. Im Wahlkampf fordert der CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen nun die Rettung des deutschen Volkslieds. Die alte Hymne "Nehmt Abschied Brüder" hat der Knabe Rüttgers schon bei den Pfadfindern gesungen - doch der Text beschert dem Christdemokraten in diesen Tagen eher Spott als Zuspruch.

    "Die Zukunft liegt in Finsternis und macht das Herz uns schwer."

    Jürgen Rüttgers, der Sohn eines rheinischen Elektrikermeisters, hat ein bisschen Volksnähe dringend nötig. Eigentlich gibt er gern den Intellektuellen, schreibt Bücher und vergräbt sich in Akten. Doch damit gewinnt man keine Wahl, und so will Rüttgers mehr menscheln. Seit Jahren zimmert er verbissen an seinem Image als fürsorglicher Landesvater.

    Rüttgers ist der politische Ziehsohn von Helmut Kohl: Doch sein großes Vorbild ist ein Sozialdemokrat. Johannes Rau, langjähriger Ministerpräsident in NRW. "Bruder Jürgen" aber, wie der Spiegel Rüttgers höhnisch nennt, wirkt anders als der "Bruder Johannes" genannte Rau: hölzern - selbst jetzt im Wahlkampf, wenn er auf seiner sogenannten Zuhörtour von zu Hause erzählt:

    "Der eine Nachbar ist in Rente gegangener Fernfahrer. Der ist sein Leben lang, wie er immer sagt, auf'm Bock gewesen, der hat jetzt ein bisschen die Knie kaputt, also ganz normale Leute. Wenn ich da früher zu Hause bin, dann gehe nicht ins Haus, sondern dann gehe ich zu denen, und dann habe ich meist mehr über die politische Stimmung erfahren, als durch jede andere Umfrage."

    Aus den Umfragen erfährt der promovierte Jurist schon lange nichts Gutes mehr, die schwarz-gelbe Landesregierung muss fürchten, am kommenden Sonntag abgewählt zu werden. Daher zählt jetzt jede Stimme. Dafür braucht es noch mehr Volksnähe: "Ein Abend mit Angelika und Jürgen Rüttgers" heißt die Lösung. Auf einer kleinen Bühne, im Restaurant des Fußballstadions von Leverkusen, steht das Ehepaar vor einer Steinwand aus Papier. Frau Rüttgers mag nicht viel sagen, und wenn doch, unterbricht ihr Gatte sie kurzerhand:

    "Mein Mann lässt sich auf jeden Fall beraten, wenn auch nicht immer von mir. Aber ich gebe auch schon mal meinen Senf dazu."

    "Entschuldigung, ich will mal erzählen, wie das praktisch ist."

    Angelika Rüttgers kommen manchmal "die Tränchen", verriet sie dem Klatschmagazin "Bunte", denn Wahlkampfveranstaltungen seien so emotional. Die First Lady von NRW ist kein Medienprofi und ihrem Mann deshalb vielleicht keine allzu große Hilfe. Doch das sind Kleinigkeiten, verglichen mit den Problemen, die Rüttgers die eigenen Parteigenossen bescheren.

    "Das geschieht der Alten recht. Immer auf die Omme."

    Autor dieser Zeilen ist Boris Berger, bis vor Kurzem Chefstratege in der Düsseldorfer Staatskanzlei und ein enger Vertrauter des Ministerpräsidenten. Die Alte, damit ist Hannelore Kraft gemeint, die SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl.

    Im Bundestagswahlkampf wollte die CDU sie per Video beobachten lassen. Der Plan flog auf, aber er bildete nur den Auftakt zu einer ganzen Serie von Peinlichkeiten, die seit Monaten nicht abreißt. Abwechselnd richteten sich die Blicke auf die Staatskanzlei oder die Parteizentrale: In dieser Woche stand der Verdacht illegaler Parteienfinanzierung im Raum. Zuvor waren doppelt kassierte Krankenkassenbeiträge des Ex-Generalsekretärs Hendrik Wüst bekannt geworden. Auch die von der CDU gestellte Landtagspräsidentin geriet in die Schusslinie - wegen ihrer nicht deklarierten Zusatz-Einkünfte.

    Selbst der Chef blieb nicht verschont. Als im Februar bekannt wurde, dass die CDU Unternehmen gegen Geld Gespräche mit dem Ministerpräsidenten angeboten hat, schlitterte Rüttgers in die bisher schlimmste Affäre seiner politischen Laufbahn.

    "Erstens, ich habe diese Briefe nicht gekannt. Zweitens, es hat auch keine Einzelgespräche gegeben."

    Wie viel Rüttgers tatsächlich gewusst hat, bleibt sein Geheimnis. Der 58-Jährige ist politikerfahren genug, um zu wissen, wie sehr diese Affäre seiner Glaubwürdigkeit schadet. Er selbst bezeichnet sie als großen Fehler, wohl wissend, dass das sorgsam aufgebaute Image vom grundsoliden Landesvater einen Riss bekommen hat. Rüttgers wirkt angeschlagen - bisweilen sogar wehleidig.

    "Das bleibt auch nicht einfach im Anzug stecken. Viele Leute kommen und sagen, was siehst du schmal aus. Das macht einem schon zu schaffen."

    Schlimmer noch: Viele der Informationen, die die Affären auslösten, kamen direkt von der CDU. Und aus dem Leck in der Parteizentrale tropft es weiter: Wenige Tage vor der Wahl gelangen ständig neue interne Dokumente an die Öffentlichkeit. Ein anonymer Informant in den eigenen Reihen füttert die Medien mit vertraulichen Informationen. Von Kontrollverlust ist die Rede. Und das ausgerechnet im engsten Kreis von Jürgen Rüttgers, der für seine Akribie und sein Misstrauen berüchtigt ist.

    In seinen fünf Amtsjahren als Ministerpräsident wurde der Generalsekretär dreimal ausgetauscht, und ebenso oft der Regierungssprecher. Vom ersten Tag an hatte Rüttgers zwischen Freund und Feind unterschieden - jetzt rächen sich offenbar die Feinde. In der früher chronisch zerstrittenen NRW-CDU hat Rüttgers die Reihen in den letzten Jahren zwar weitgehend geschlossen, aber die Distanz ist geblieben. Der Landesverband hat ein gespaltenes Verhältnis zu seinem Vorsitzenden. Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth:

    "Rüttgers wird nicht wirklich in seiner Partei geliebt. Er wird respektiert, weil er als Ministerpräsident fleißig ist, weil er auch sich versucht hat, als Arbeiterführer zu profilieren, als jemand, der die Breite des Volkes auch mit abdeckt, aber geliebt wird er nicht."

    Auch die Beziehungen zu Berlin sind gestört, obwohl oder gerade weil dort - wie in Düsseldorf - eine schwarz-gelbe Koalition regiert. Anfang des Jahres versuchte es Rüttgers mitten im Karneval noch mit Humor.

    "Selbst Berlin an der Spree find' ich nicht so ok."

    Dabei hatte Rüttgers, der sich als das soziale Gewissen der Union versteht, schon am Abend der Bundestagswahl geahnt, dass eine konservativ-liberale Bundesregierung für ihn zur Gefahr werden könnte. Als einer der Ersten tritt er am 27. September 2009 vor die Kameras und spricht eine Warnung aus.

    "Und natürlich werden wir in Nordrhein-Westfalen dafür sorgen, dass es auch im Bund auf derselben Ebene wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit jetzt losgeht in den Koalitionsverhandlungen und dafür garantieren, dass da auch nicht Zumutungen auf die Menschen zukommen, von denen vorher nicht geredet worden ist."

    Die Zumutungen kommen allerdings nicht nur auf die Bürger zu: Vom ersten Tag an herrscht in der Bundesregierung zwischen CDU und FDP Streit und Misstrauen. Die Debatte um Steuersenkungen, Griechenland-Hilfen, Finanztransaktionssteuer, um Kopfpauschale und Laufzeiten für Atomkraftwerke müssen CDU und FDP an Rhein und Ruhr ausbaden. Die Landtagswahl am kommenden Sonntag ist bundesweit der erste und in diesem Jahr auch der einzige Urnengang in Deutschland. Er droht zu einer Testwahl für den Bund zu werden und zu einer Feuerprobe für Rüttgers. Der versucht, die Stimmung zu seinen Gunsten umzudeuten.

    "Wenn die anderen sagen, es sei eine Denkzettelwahl für Berlin, dann sage ich, der Denkzettel bin ich!"

    In der Vergangenheit hat er die Kanzlerin oft gereizt, mit seinen Alleingängen und Versuchen, die Bundespartei links zu überholen - doch jetzt sitzt Rüttgers mit Angela Merkel in einem Boot. Ab sofort gilt für ihn: Bund und Land, Hand in Hand. Mit dem eigenen Koalitionspartner in Düsseldorf, der FDP, geht der Ministerpräsident hingegen weniger freundlich um.

    "Die CDU macht Politik für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen, und nicht nur für zehn Prozent, damit das auch klar ist."

    Dass die FDP der Wunschpartner Nummer eins sei, diesen Eindruck konterkariert die CDU inzwischen fast täglich. Dabei liest sich die Bilanz der schwarz-gelben Landesregierung ganz passabel. Sie hat den Ausstieg aus der Kohleförderung beschlossen, den Unterrichtsausfall halbiert und neue Kindergartenplätze finanziert. Dennoch sind Lehrer, Eltern und Studenten unzufrieden.

    Es gelingt der CDU einfach nicht, das Ruder herumzureißen, zumal ihr in diesem Wahlkampf eine zündende Botschaft fehlt. Und während sich der Vorsprung zur SPD immer weiter verkürzt, spekulieren manche schon über die Zukunft von Jürgen Rüttgers. Als Parteichef, so wird gemunkelt, sei er nicht mehr haltbar, wenn die CDU nicht als Sieger aus der Wahl hervorgeht. Zur Rettung klammert sich der Kandidat nun an seinen wenig beachteten Amtsbonus. Jürgen Rüttgers als Garant für Stabilität. Er habe die Kompetenz und Erfahrung, die seiner Kontrahentin Hannelore Kraft fehle, ist die Botschaft.

    Düsseldorfer Innenstadt, 8 Uhr morgens, ein weißer Bus schleppt sich durch den alltäglichen Berufsverkehr. An einer Scheibe des Fahrzeugs klebt ein Poster, das Konterfei einer blonden Frau, offener Blick, sympathisches Lächeln. Dahinter sitzt sie selbst, Hannelore Kraft, in den Wochen vor der Wahl tourt sie durch Nordrhein-Westfalen.

    Es ist spät geworden am Abend zuvor, die Nacht war kurz, doch es hilft nichts, sie hat Journalisten eingeladen, an diesem Tag mit ihr ins Ruhrgebiet zu reisen. Also ist sie voll da, spricht über die Umfragen, blättert durch die Zeitungen, findet darin ein Porträt ihres Konkurrenten. Auch er, so ist dort zu lesen, war im Land unterwegs, im Zoo war er, in Hamm. Dort ist Jürgen Rüttgers einem Tiger namens Hammlet begegnet. "Sagt mal, der war ja schon wieder im Zoo", ruft Hannelore Kraft, quer durch den Bus, ihren Mitarbeitern zu. "Haben wir da was verpasst?"

    Eine gute Stunde später ist sie selbst von Tieren umgeben. Der Hof Holz, eine integrative Begegnungsstätte, liegt gleich hinter den Fördertürmen in Gelsenkirchen. Vögel gibt es hier, Gänse und Schafe.

    Tiere und Kinder, das zieht im Wahlkampf immer, das gibt schöne Bilder. Hannelore Kraft weiß das genauso gut wie Jürgen Rüttgers. Von Journalisten begleitet präsentieren sich die Spitzenkandidaten in diesen Wochen mittendrin, in dem, was man das ganz normale Leben nennt.

    Hannelore Kraft scheint sich wohl in ihrer Rolle zu fühlen, den Journalisten begegnet sie selbstverständlich und wirkt selbst dann noch entspannt, als ihr, gleich zu Beginn eines langen Tages, das Leberwurstbrot auf den dunkelblauen Anzug fällt. Natürlich mit der Oberseite nach unten. Die Kameramänner bittet sie höflich, aber bestimmt, erst zu drehen, wenn die Lippen geschminkt sind. Das wirkt als sei sie tatsächlich so - als müsse sie sich nicht verstellen. Die Menschen mögen das.

    "Ich glaub, die ist unheimlich überzeugend und authentisch."

    "Sie ist in hohem Maße authentisch. Sie ist eine Politikerin aus dem Ruhrgebiet."

    "Heutzutage sagt man gerne authentisch, aber das ist ziemlich abgeschmackt als Begriff. Aber ich denke, dass sie schon bei allem, was sie an Wahlkampf macht, sich nicht groß verbiegen muss. Sie sagt, was sie denkt, und das kommt auch ganz gut rüber."

    Es ist genau dieses Image, das Hannelore Kraft in diesem Wahlkampf verkörpern will. Es ist ihr größter Vorteil gegenüber einem Konkurrenten, der sich - ins Aktenstudium vertieft - auf Wahlplakaten abbilden lässt. Die Marke "Kraft" dagegen steht für die Tochter einer Arbeiterfamilie, eine Macherin, eine ehrliche Haut. Das personifizierte Ruhrgebiet?

    "Ich rede jedenfalls nicht wie Jürgen von Manger, wie man manchen Artikeln glauben kann. Ich hoffe jedenfalls nicht, dass sie den Eindruck haben. Nein, aber Scherz beiseite. Das Ruhrgebiet ist eine tolle Region. Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets."

    Und wie nötig haben die Sozialdemokraten in NRW eine solche Frau gebraucht. Nach dem Frust, nach der Niederlage vor fünf Jahren, als das bevölkerungsreichste Bundesland verloren ging. Nach 39 Jahren an der Macht. 37,1 Prozent für die SPD, das war damals das ernüchternde Ergebnis. 5,7 Prozent der Wähler waren der Partei - im Vergleich zum Wahlergebnis im Jahr 2000 - abhandengekommen. Zu viele - das fand auch Gerhard Schröder in Berlin und verordnete der ganzen Republik noch am selben Abend Neuwahlen.

    In dieser desaströsen Lage übernahm Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen den Fraktionsvorsitz der SPD, knapp zwei Jahre später auch den Parteivorsitz. Sie habe die SPD in NRW als Insolvenzverwalterin übernommen, sagt Reiner Priggen, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der nordrhein-westfälischen Grünen. Und auch Frank Uferkamp, Landtagskorrespondent der "Westdeutschen Zeitung" in Düsseldorf, weiß um die wichtige Rolle von Hannelore Kraft.

    "Das sieht man ja in fast allen anderen Bundesländern fehlt es der Partei ja absolut an Führungsnachwuchs. Und das ist hier schon, bei den Umfragewerten schon eine gute Leistung - ob sie jetzt Ministerpräsidentin wird oder nicht. Eine gute Leistung, der SPD überhaupt wieder so etwas wie eine Machtperspektive gegeben zu haben. Und das ist schon erstaunlich genug."

    Die gebürtige Mülheimerin studierte Wirtschaft, arbeitete als Unternehmensberaterin und bekam einen Sohn. Inzwischen ist Jan fast erwachsen, er sei selbst in die SPD eingetreten, erzählt die Mutter, und verschone sie auch am späten Abend nicht mit kritischen Fragen.

    Sie spricht viel von ihm in diesen Wochen, von dem jungen Mann in ihrem Küchenkabinett, und sie tut das so überzeugend, dass sich junge Frauen am Ende einer Wahlveranstaltung nach der Telefonnummer des Sohnes erkundigen. Damals, als Jan geboren wurde, wollte Hannelore Kraft weiterarbeiten, fand aber keinen Kitaplatz. Das brachte sie in die Politik.

    "Und über diesen Ärger bin ich in die Politik gekommen. Ich glaube, wie viele, die Politik machen. Ich wollte was verändern. Und ich will auch heute noch, immer noch, die Welt verbessern."

    Was sich sehr schnell verbesserte, war ihr Standing in der Politik. Als Quereinsteigerin machte sie eine Karriere, mit der nur wenige gerechnet hatten. 2000 wurde sie das erste Mal in den Düsseldorfer Landtag gewählt, nur ein Jahr später machte sie Wolfgang Clement zur Europaministerin, wieder ein Jahr später war sie Wissenschaftsministerin.

    Seit sie 2005 den Fraktions- und zwei Jahre später auch den Parteivorsitz übernommen hat, muss die SPD hart an sich arbeiten. Zurück zur Kümmererpartei - das ist die Zielvereinbarung, die die 49-Jährige mit den Genossen geschlossen hat. Eine Strategie, die auch die Bundes-SPD für sich entdeckt hat, seit sie wieder auf der Oppositionsbank sitzt. Wird doch auch Parteichef Sigmar Gabriel nicht müde zu betonen, dass die SPD wieder zurück müsse ins Leben: Dahin, wo es riecht, gelegentlich auch stinkt.

    Bei vielen Menschen an Rhein und Ruhr kommt das an - die SPD im Allgemeinen und Hannelore Kraft im Speziellen als Kümmererin. Laut Politbarometer sprechen sich inzwischen 43 Prozent der Befragten für SIE als Ministerpräsidentin aus. Damit hat die Herausforderin ihren Konkurrenten überholt: 41 Prozent, zwei Prozent weniger, wollen Jürgen Rüttgers im Amt behalten. Durch Hannelore Kraft wirke die SPD wieder vital, sagt Andreas Gora. Er ist Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt in Dortmund, hat die Parteichefin gerade auf einer Wahlkampfveranstaltung erlebt.

    "Also vor einem halben Jahr hätte ich gesagt, das kann nicht gelingen. Mittlerweile bin ich sehr erstaunt, mit welcher Verve dieser Wahlkampf hier stattfindet und wie viele Leute heute bereit sind, sich auch noch mal mit der Partei auseinanderzusetzen. Und insbesondere auch, die Kandidatin zu unterstützen."

    Nach jüngsten Umfragen kommt die CDU in Nordrhein-Westfalen auf Werte zwischen 35 und 38 Prozent. Den Sozialdemokraten sagen die Meinungsforscher Werte zwischen 33 und 37 Prozent voraus. Damit stehen die beiden großen Parteien fast gleichauf. Die SPD ist glücklich über diese Pattsituation, fühlt sich ermutigt auf ihrer Aufholjagd.

    Allerdings: Vor fünf Jahren, bei der Landtagswahl 2005, lag die SPD am Ende auch bei gut 37 Prozent. Damals war diese Zahl ein Desaster, heute ist die gleiche Zahl - als Umfragewert - ein Erfolg. Die SPD ist in ihrem ehemaligen Stammland bescheidener geworden. Und Hannelore Kraft habe aus dem Ergebnis von 2005 gelernt, sagt die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, eine Parteifreundin der Kandidatin.

    "Es war ja auch eine Mahnung der Wählerinnen und Wähler: Ändert euch. Und dieses hat Frau Kraft aufgegriffen und hat gesagt, wir haben Fehler gemacht - aber wir haben verstanden, was die Wählerinnen und Wähler sagen. Und wir werden nach vorne schauen, denn wir wollen, dass dieses Land weiterhin von dem geprägt war, was Johannes Rau aus diesem Land gemacht hat: ein Land, in dem die Menschen füreinander einstehen."

    Die Fehler der anderen will die Spitzenkandidatin nicht wiederholen. Zum Beispiel im Umgang mit dem potenziellen Koalitionspartner - den Grünen. Als die SPD in NRW 1995 ihre absolute Mehrheit verlor, waren die Grünen die Lückenbüßer, die Mehrheitsbeschaffer, keine ernst zu nehmenden Partner. Klaus Matthiesen, Wolfgang Clement, Peer Steinbrück - sie alle ließen das den kleineren Koalitionspartner spüren. Anders Hannelore Kraft, sagt Sylvia Löhrmann. Sie ist Fraktionsvorsitzende der Grünen und kennt die Kandidatin seit vielen Jahren.

    "Und selbst wenn man inhaltlich anderer Meinung ist, kommt man damit besser zurecht. Da ist schon spürbar. Da sind andere Leute dran. Es gibt sicher noch ein paar Clements, die hinter den Büschen sitzen, aber die SPD akzeptiert, dass wir ein Partner auf Augenhöhe sind und dass wir auf Augenhöhe miteinander arbeiten wollen."

    Die Grünen, das wären die Wunschpartner der SPD. Nach jüngsten Umfragen wäre ein solches Bündnis - zu dem sich beide Partner schon vor der Wahl bekennen - denkbar. Aber da die Landtagswahl kein Wunschkonzert ist, bleibt Hannelore Kraft bis zum Schluss vorsichtig, was andere Regierungsoptionen anbelangt. Die Linken, sie nennt sie "nicht regierungsfähig", aber ausschließen will sie ein rot-rot-grünes Bündnis nicht.

    Den Ypsilanti-Fehler will sie auf keinen Fall wiederholen. Da können die Journalisten noch so hartnäckig fragen.

    "Irgendwann, wie oft soll ich es denn noch sagen, ich bleib bei dieser Position, die haben wir seit Wochen und seit Monaten."

    Um eine klare Antwort drückt sie sich - was so gar nicht zu ihrem Image als Macherin passen will, zu einer Frau, die weiß, was sie will.