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Auf dem Weg zum Föderalismus?

A man’s a man for A’That …

Wolfgang Labuhn |
    Vergeblich rief Sir David Steel, der Präsident des schottischen Parlaments, den Abgeordneten Colin Fox von der Schottischen Sozialistischen Partei zur Ordnung. Als dieser in der konstituierenden Sitzung des am 1. Mai neugewählten Parlaments den Eid auf Königin Elisabeth ablegen sollte, stimmte er zunächst ein egalitäres Lied des schottischen Nationaldichters Robert Burns an. Robin Harper von den schottischen Grünen bekräftigte, Priorität für seine Fraktion werde haben, dem schottischen Volk zu dienen. Die Sozialisten erhielten sechs, die Grünen fünf der 129 Sitze im schottischen Parlament und waren damit die Gewinner der zweiten Wahlen für die neue Volksvertretung. Die regierende Labour Party hingegen verlor 6 Sitze, auch wenn sie mit 50 Mandaten stärkste Partei bleibt und nun die bisherige Koalition mit den Liberaldemokraten fortsetzen will, die wie bisher 17 Sitze erhielten. Drittstärkste Partei wurden erneut die Konservativen mit – wie bisher – 18 Sitzen. Die längsten Gesichter gab es bei den schottischen Nationalisten, die die Unabhängigkeit Schottlands anstreben. Mit 27 Sitzen stellt die Scottish National Party SNP zwar weiterhin die zweitstärkste Fraktion, verlor aber acht Sitze. Einziger Trost für Angus Robertson, SNP-Abgeordneter im Unterhaus:

    Im neuen schottischen Parlament sind eigentlich mehr Abgordnete, die die schottische Unabhängigkeit unterstützen, als im ersten Parlament.

    Doch der Ausgang der zweiten Wahlen zum schottischen Parlament hat im Grunde das Gegenteil bewiesen. Professor Charlie Jeffery, Leiter des Forschungsprojekts "Devolution und Verfassungswandel” an der Universität Birmingham:

    Die Nationalisten in Schottland haben die Frage der Unabhängigkeit in der Wahlkampagne ziemlich hochgespielt und haben eine Debatte eingeführt,ob es möglich wäre, dass das schottische Parlament ein Referendum zu dieser Frage abhalten könnte. Und da die Nationalisten so schlecht abgeschnitten haben, würde ich sagen, dass die Unabhängigkeitsfrage für die nächsten 10, 15 Jahre tot ist.

    Ein ähnliches Bild ergibt sich in Wales. Hier konnte der alte und neue Chef der Regionalregierung, Rhodri Morgan von der Labour Party, nach den zweiten Wahlen zur walisischen Versammlung hochzufrieden ankündigen:

    Natürlich wird eine der Veränderungen darin bestehen, dass wir nun mit unseren 30 Abgeordneten anstreben, um es simpel auszudrücke, alleine weiterzumachen.

    Denn in Wales gewann die Labour Party zwei Sitze hinzu, kommt damit auf genau die Hälfte der 60 Mandate, kann aber auch ohne absolute Mehrheit regieren, da der Parlamentspräsident, ein walisischer Nationalist, nicht stimmberechtigt ist. Und auch in Wales waren die Nationalisten die großen Verlierer. Plaid Cymru, so der Name ihrer Partei, büßte fünf Sitze ein und verteidigte mit insgesamt 12 Sitzen nur knapp den Platz als zweitstärkste Partei vor den Konservativen, die elf Mandate errangen, zwei mehr als 1999. Die Liberaldemokraten, der Koalitionspartner von Labour in der ersten Regionalregierung, stellen in Cardiff wie bisher sechs Abgeordnete. Für die Labour-Regierung in London scheint damit ein Kalkül ihrer Politik der Devolution, der Übertragung zentraler Regierungskompetenzen auf die Regionen des Vereinigten Königreiches, aufgegangen zu sein. Anthony

    Glees, Politikwissenschaftler an der Brunel-Universität:

    Ich glaube, Tony Blairs Grundkonzept war nicht nur, dass man auf diese Weise die schottischen Nationalisten und die walisischen Nationalisten entmachten würde, sondern dass man – und ich spreche hier von 1997, als Tony Blair zum ersten Mal gewählt wurde – dass man auch die Briten für eine weitere Beteiligung besonders in der Europäischen Union gewinnen würde. Denn Tony Blair hat argumentiert, die Politik, das ist nicht eine Wahl zwischen Schotte sein und Brite sein oder Waliser sein und Brite sein, nicht eine Wahl zwischen Brite sein und Europäer sein, sondern dass man alles zugleich sein kann.

    Zum Devolutionsprogramm der Labour-Regierung zählt auch die Teilautonomie Nordirlands, die freilich im Karfreitagsabkommen mit dem übergeordneten Friedensprojekt verschränkt wurde und angesichts mangelnder Fortschritte bei der Entwaffnung der paramilitärischen Organisationen seit den Wahlen zur Nordirland-Versammlung im Jahre 1998 bereits mehrfach suspendiert worden ist. Auch im Moment wird Nordirland wieder direkt von der britischen Regierung in London verwaltet. Doch in Schottland und Wales hat die Labour-Regierung zweifellos eines ihrer mutigsten Wahlversprechen aus dem Jahre 1997 erfüllt, nachdem zuletzt Anfang 1979 der Versuch der letzten Labour-Regierung vor dem Wahlsieg Margaret Thatchers gescheitert war, bei Volksabstimmungen in Schottland und Wales Mehrheiten für die Bildung regionaler Parlamente zu erhalten. Auf dem ersten Labour-Parteitag nach seiner Regierungsübernahme im Jahre 1997 aber konnte Tony Blair zufrieden konstatieren, dass man nach hundertjährigen Bemühungen das schottische Parlament und die walisische Versammlung realisieren werde:

    … and we will deliver the Scottish Parliament and the Welsh Assembly after 100 years of trying!

    Die Selbstverwaltung für die alten keltischen Nachbarnationen Englands bildet allerdings nur einen Teil eines paradoxen Reformprogramms der Blair-Regierung, nämlich einer ehrgeizigen Verfassungsreform in einem Land ohne geschriebene Verfassung. Zu diesem umfassenden und in seiner Gesamtheit selten gewürdigten Programm zählen ferner die Reform des Oberhauses die Modernisierung der Arbeit des Unterhauses die Kontrolle der Parteienfinanzierung eine Volksabstimmung über das Wahlsystem bei Unterhauswahlen die Verabschiedung eines Gesetzes über Informationsfreiheit eine Reform der Kommunalverwaltung ein Stadtrat und ein direkt gewählter Bürgermeister für Groß- London Volksvertretungen für einige Regionen Englands und die Übernahme der Europäischen Menschenrechtskonvention in britisches Recht. Große Teile dieses Reformprogramms sind bereits realisiert worden, wobei die Devolution nach Meinung von Lord Ralf Dahrendorf, Soziologe und Mitglied des britischen Oberhauses möglicherweise nicht einmal das wichtigste Element bildet:

    Ich halte für die wichtigste Veränderung in der Liste die Tatsache, dass die Menschenrechtskonvention nach all den Jahren jetzt zum Teil des britischen Rechts geworden ist. Das führt zu ganz fundamentalen Veränderungen im Verhältnis von Recht und Politik und bringt Großbritannien, wenn man so will, den kontinentalen Ländern wesentlich näher.

    Denn das in Großbritannien verabschiedete Menschenrechtsgesetz kodifiziert erstmals in der britischen Geschichte einen Katalog von Grundrechten und gibt den Briten die Möglichkeit, ihre Regierung vor einem britischen Gericht anzuklagen, sollte ihr die Verletzung dieser Grundrechte vorgeworfen werden. Die Labour-Verfassungsreformen gehen zu großen Teilen auf Forderungen der britischen Liberaldemokraten und ihrer Vorläuferparteien zurück, die von der Labour Party während der 18jährigen Oppositionszeit zwischen 1979 und 1997 nach und nach übernommen wurden. Ende 1996 setzten Labour und die Liberaldemokraten sogar einen Gemeinsamen Konsultativausschuss für Verfassungsreform ein, der im März 1997 die Ziele beider Parteien formulierte. Große Teile dieses Berichts fanden anschließend Eingang in das Labour-Wahlprogramm, auch wenn die sozialliberale Kooperation in London bald nach Blairs Wahlsieg ein Ende fand. Seitdem ist von einer generellen Wahlrechtsreform nicht mehr die Rede, nachdem die Liberaldemokraten die Abschaffung der Mehrheitswahl gefordert hatten, bei dem die Mandatsvergabe nicht dem Stimmenanteil der Parteien entspricht und damit besonders die kleineren Parteien benachteiligt. Diese Verzerrung des Wählerwillens wurde dann aber seit 1998 in der Gesetzgebung bereinigt, die für die Abhaltung von Regionalwahlen in Schottland, Wales sowie Nordirland und für die Wahlen zum Europäischen Parlament 1999 erforderlich war. Im Gegensatz zu Unterhauswahlen gilt bei diesen Wahlen nun – mit einigen regionalen Besonderheiten – das proportionale Verhältniswahlrecht. Am 11. September 1997 stimmten die Schotten in einer Volksabstimmung der Devolution mit 74,3 Prozent der abgegebenen Stimmen zu. Am Referendum beteiligten sich 60,4 Prozent der Wahlberechtigten. Aus den ersten Wahlen zum neuen schottischen Parlament am 06. Mai 1999 ging die Labour Party als klare Siegerin hervor. Sie gewann 56 der 129 Sitze und ging eine Koalition mit den Liberaldemokraten ein, die 17 Mandate gewonnen hatten. Zweitstärkste Partei wurden die Schottischen Nationalisten mit 35 Sitzen, während die Konservativen auf 18 Sitze kamen. Mit einer feierlichen Zeremonie konstituierte sich das erste schottische Parlament seit 1707 am 12. Mai 1999:

    Dem neuen schottischen Parlament, das Königin Elisabeth die Zweite am 01.Juli 1999 offiziell eröffnete, waren weitreichende Kompetenzen übertragen worden. Während Schottland stets ein eigenständiges Rechts- und Erziehungssystem hatte, kamen nun auch die Zuständigkeit für Bereiche wie Gesundheit, Verkehr, Landwirtschaft und Wohnungspolitik und sogar ein begrenztes Steuererhebungsrecht hinzu. Das schottische Parlament könnte den national gültigen Einkommensteuersatz um bis zu drei Prozent variieren. Davon ist in Edinburgh bisher kein Gebrauch gemacht worden. Dafür setzte man andere Akzente. In Schottland wurden zum Unwillen der Regierung in London die landesweit gültigen Studiengebühren wieder abgeschafft und eine kostenlose Altenpflege eingeführt. Die Labour-geführte Regierung in Schottland realisierte ferner früher als die Regierung Blair Wahlversprechen wie die Abschaffung der Fuchsjagd mit Hunden und die Streichung eines umstrittenen Paragraphen im Kommunalgesetz, der die "Beförderung der Homosexualität” im Schulunterricht untersagte und damit auch Aufklärung über Homosexualität verhinderte. Doch die endlosen Debatten im schottischen Parlament besonders über diese beiden Punkte langweilten die Bürger auch, die sich den nationalen Neuanfang Schottlands anders vorgestellt hatten. Eine Stimme vor den jüngsten Wahlen:

    Sie sollten doch eigentlich all die großen Pläne vorstellen und Schottland revolutionieren, sagt dieser junge Mann in Edinburgh. Aber das ist nicht passiert. Viele Leute sind jetzt enttäuscht und gehen ohne jeden Enthusiasmus zur Wahl.

    Denn die entscheidenden Probleme Schottlands wurden nicht angepackt. Angus Robertson von der Scottish National Party:

    Es war für viele Leute eine Riesenenttäuschung. Es ist tatsächlich der Fall, dass Schottland die niedrigste Wirtschaftswachstumsrate Europas hat. Gut, man hat entscheiden können, aber man hat nicht über die zum Beispiel wichtigsten Wirtschaftsfragen entscheiden können. Diese Befugnisse liegen immer noch in London, beim Londoner Parlament.

    Schottlands Erster Minister, der Labour-Politiker Jack McConnell, räumte angesichts der Stimmenverluste seiner Partei bei den Wahlen am 1. Mai ein, dass Fehler gemacht worden seien. Die Labour Party, so Jack McConnell nach der Wahl, werde nun auf dem aufbauen, was man gut gemacht habe und das ändern, was falsch gelaufen sei:

    The things we’ve done well Labour will build upon. The things that we get wrong we will change.

    Das schottische Parlament wartet unterdessen weiter auf die Fertigstellung seines avantgardistischen Gebäudes gegenüber dem Palast Holyroodhouse in Edinburgh, der Residenz der Königin in Schottland. Die Kosten des Parlamentsneubaus haben sich von ursprünglich veranschlagten 40 Millionen Pfund auf rund 400 Millionen Pfund verzehnfacht – für viele Schotten ein Symbol für den mühsamen nationalen Neubeginn. Auch in der walisischen Hauptstadt Cardiff warten die Abgeordneten der walisischen Versammlung auf ein eigenes Gebäude. An der Bucht von Cardiff ist bisher nur die Baugrube für ein imposantes Bauwerk ausgehoben worden, dessen Bau gestoppt wurde, nachdem die veranschlagten Kosten von 12 auf 47 Millionen Pfund geklettert waren. Ein neues Baukonsortium soll nun den Entwurf des Stararchitekten Richard Rogers fertigstellen. Doch anders

    als in Schottland konnte der Erste Sekretär Rhodri Morgan – so die Amtsbezeichnung des walisischen Regierungschefs – nach der Neuwahl der walisischen Versammlung eine positive Bilanz ziehen. Er sei sehr zufrieden darüber, so Morgan angesichts seines Wahlsieges, wie die Wähler auf Labour, den demokratischen Prozess im allgemeinen und den demokratischen Neubeginn in Wales reagiert haetten:

    I’ve been very pleased with the way the electorate has responded to us and to the democratic process in general, and the new democratic process that has been established in Wales.

    Dabei war der demokratische Neubeginn in Wales anfangs enttäuschend verlaufen. Die Waliser schienen an der angebotenen Teilautonomie ihrer Nation, in der zuletzt 1404 ein eigenständiges Parlament einberufen worden war und die bereits im 16. Jahrhundert politisch, juristisch und administrativ mit England vereinigt worden war, zunächst kaum interessiert zu sein. Bei der Volksabstimmung über die Teilautonomie im Jahre 1997 fand sich bei einer Wahlbeteiligung von 50,1 Prozent nur eine hauchdünne Mehrheit von 50,3 Prozent für die Selbstverwaltung. Aus den ersten Wahlen zur neuen Walisischen Versammlung am 6. Mai 1999 ging Labour mit 28 der 60 Sitze als stärkste Partei vor den walisischen Nationalisten mit 17 Sitzen hervor und entschloss sich zunächst zur Bildung einer Minderheitsregierung unter der Führung eines von Tony Blair favorisierten Politikers, der nicht den Beifall der walisischen Labour Party fand und nach neun turbulenten Regierungsmonaten einem Misstrauensantrag der Nationalisten zum Opfer fiel. Sein Nachfolger Rhodri Morgan, der ursprüngliche Wunschkandidat der walischen Labour-Basis, bildete im Oktober 2000 eine stabile Koalitionsregierung mit den Liberaldemokraten. Obwohl die walisische Versammlung bei

    weitem nicht so viele Kompetenzen erhielt wie das Parlament in Schottland und beispielsweise nicht das Recht auf primäre Gesetzgebung hat, beschlossen die Parlamentarier von der Bevölkerung weithin begrüßte Maßnahmen. So führte Wales als erste britische Region den Posten eines Kommissars für die Rechte von Kindern ein. Kinder unter sieben erhalten in Wales kostenlose Schulmilch, Rentner kostenlose Busfahrkarten. Alte Menschen werden nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus sechs Wochen lang kostenlos daheim gepflegt. Die Rezeptgebühren im staatlichen Gesundheitsdienst wurden für alle Waliser unter 25 und über 60 abgeschafft. Trotz des unterschiedlichen Wählerechos in Schottland und Wales auf die erste Legislaturperiode Labour-geführter Regionalregierungen kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Devolution allgemein akzeptiert wird. Meinungsumfragen haben ergeben, dass in Schottland zwar 30 Prozent der Befragten weiterhin die völlige Unabhängigkeit begrüßen würden, doch 52 Prozent der Befragten sind inzwischen für den teilautonomen Verbleib im Vereinigten Königreich. In Wales sprachen sich sogar nur 12 Prozent der Befragten für die Unabhängigkeit aus, während 61 Prozent mit einer regionalen Selbstverwaltung im britischen Staatsverband bleiben wollen. Fazit: Mit Ausnahme des Sonderfalls Nordirland ist die Blairsche Politik der Devolution geglückt. Denn auch Groß-London hat nun wieder einen demokratisch gewählten Stadtrat, nachdem das entsprechende Vorläuferorgan 1986 von der Thatcher-Regierung abgeschafft und die bezirksübergreifenden Belange der 7-Millionen-Metropole danach von anonymen Regierungsstellen wahrgenommen worden waren. Ironischerweise ist der erste direkt gewählte Bürgermeister Groß-Londons der einstige Vorsitzende des linksorientierten Stadtrats, den Margaret Thatcher abschaffen ließ: Ken Livingstone. Auch Tony Blair hätte den nach wie vor unbequemen, aber bei den Londonern beliebten Livingstone gerne als Bürgermeister verhindert, musst aber erleben, dass Livingstone den offiziellen Labour-Kandidaten mühelos besiegte. Da Livingstone als Labour-Unterhausabgeordneter gegen den offiziellen Labour-Kandidaten angetreten war, wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Inzwischen honoriert allerdings auch die Regierung Blair, dass Livingstone erfolgreich damit begonnen hat, das allgemeine Verkehrschaos auf Londons Straßen zu bekämpfen. Sein größter Erfolg war im Februar dieses Jahres die Einführung einer sogenannten Staugebühr für private Fahrzeuge in der Londoner Innenstadt, die zur Verringerung des Verkehrsvolumens um über 15 Prozent geführt hat und bald in anderen britischen Städten nachgeahmt werden dürfte. London und die teilautonomen Nationen Schottland sowie Wales haben damit für die Regierung Blair geradezu die Funktion "politischer Laboratorien” erhalten, in denen – in lokaler bzw. regionaler Überschaubarkeit – Lösungskonzepte ausprobiert werden können, deren ungeprüfte Einführung im großen England zu riskant wäre. Dabei führt die Devolution keineswegs geradlinig zum Föderalismus und ist auch nicht zwangsläufig ein Konzept für die Ewigkeit. Da sie auf Gesetzen des Londoner Parlaments beruht, dessen Souveränität durch die Abwälzung von Regierungskompetenzen nicht angetastet wird, ist sie theoretisch auch wieder rückholbar durch die Abschaffung oder Suspendierung dieser Gesetze, wie die temporäre Aufhebung der nordirischen Teilautonomie zeigt. Doch im Moment deutet nichts auf eine solche Entwicklung hin, im Gegenteil. Als nächstes sollen auch einige Regionen Englands eigene Parlamente erhalten, während in Kreisen der Konservativen Partei sogar die Bildung eines separaten englischen Parlaments diskutiert wird. Das ist in Blairs Devolutionskonzept zwar nicht vorgesehen, doch allein das bisher Erreichte wirft die Frage auf, ob das bisher eher unitarisch organisierte Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sich nun nicht doch auf dem Weg zum

    Föderalismus befindet. Der Devolutionsexperte Charlie Jeffery bleibt skeptisch:

    Das Vereinigte Königreich war nie zentralistisch im Sinne Frankreichs. Wir waren eher ein Unionsstaat, d.h. ein Staat, der aus unterschiedlichen Nationen zusammengesetzt worden war. Und jeder Staatsteil konnte dabei gewisse Symbole der früheren Unabhängigkeit aufrechterhalten. D.h. wir hatten keine unitarisierte Staatsform, sondern diese ungewöhnliche Unionsstaatsform. Diese Ungewöhnlichkeiten werden jetzt demokratisiert, und in dem Sinne werden wir föderaler. Aber meiner Meinung nach muss ein föderaler Staat, ein Bundesstaat, eine ziemlich ausgearbeitete und präzise Verfassungsordnung haben. Und das haben wir nicht, werden wir nicht haben.

    Anderseits dürften nur wenige Briten heute, nach vier Jahren praktizierter Devolution in Großbritannien, der Bilanz des Politologen Anthony Glees widersprechen:

    Eines ist doch sicher, dass man in der Geschichte über Tony Blair nicht schreiben werden kann, ohne über die Devolution zu sprechen. Er hat das Gesicht von Grßsbritannien grundsätzlich verändert, was wirklich vor 1997 kaum vorstellbar war.