Radio- und Fernseh-Alltag fast schon seit Menschengedenken: Die Nachrichten enden mit der Wettervorhersage. Manche beginnen heute sogar mit ihr. Die Prognosen sind umfangreicher geworden; Wetterfrösche warnen inzwischen auch vor Wolkenbrüchen und Orkanböen. Doch in Zukunft ist noch viel mehr denkbar …
Also, Kachelmann & Co. könnten zum Beispiel aus dem Hut zaubern eine Vorhersage über drei Tage, wie sich die Ozon-Konzentration in Europa und auch in Deutschland entwickelt. Aber nicht nur die Ozon-Konzentration, sondern zum Beispiel auch die Staubbelastung, die ja auch im Rahmen der europäischen Umweltgesetzgebung sehr intensiv diskutiert wird und die nach wie vor ein Problem darstellt, wenn Sie zum Beispiel an Diesel-Fahrzeuge denken.
Der Kölner Meteorologe Michael Memmesheimer beschreibt, was im Prinzip heute schon möglich wäre. Denn es gibt sie bereits, wenn auch nur als Prototyp im Internet: die "chemische Wettervorhersage". Eine Prognose für einzelne Luftschadstoffe, bis zu 72 Stunden im Voraus. Wer möchte, kann das Vorhersagemodell täglich abrufen, auf der Internetseite des Rheinischen Instituts für Umweltforschung …
Sie können mit dem Modell flächendeckend grundsätzlich für jeden Punkt in Nordrhein-Westfalen oder in Deutschland oder in Europa eine Aussage machen: Wie hoch sind die Benzol-Konzentrationen, wie hoch sind die Stickoxid-Konzentrationen, wie hoch sind die Ozon-Konzentrationen, wie hoch sind die Feinstaub-Konzentrationen. Und wie ist dieser Feinstaub zusammengesetzt.
Einen Wetterfrosch hat das Kölner Institut zwar noch nicht verpflichtet, die Prognosen sind vorerst nur zum Anschauen und nicht zum Anhören. Doch das ließe sich ändern …
Wir könnten das auch den Medien zur Verfügung stellen.
Die chemische Wettervorhersage ist eines der Projekte, die im Rahmen des deutschen Atmosphärenforschungs-Programms vorangetrieben wurden.
Dabei geht es darum, Meteorologie und Luftchemie zu verbinden. Denn im riesigen Reaktor Erdatmosphäre spielt sich zweierlei ab: Spurenstoffe reagieren miteinander, angetrieben durch die Strahlungsenergie der Sonne, und sie werden fortwährend verfrachtet, angetrieben durch den Wind.
Um mehr über die Chemie der Lüfte zu erfahren, steht deutschen Forschern inzwischen sogar ein Großgerät zur Verfügung: eine luftchemische Simulationskammer auf dem Gelände des Forschungszentrums Jülich. Der Physikochemiker Hans-Peter Dorn genießt die Reinst-Raum-Bedingungen der großen Röhre, von denen man hier fast sprechen kann:
In der Atmosphäre laufen ja, wenn Sie am Tage einmal gucken, im Sommer, Millionen chemischer Reaktionen simultan ab. Es wurden viele Jahre Meßkampagnen im Freien durchgeführt. Und da unterliegt man halt permanent dem Transport: Wenn Sie heute ein Experiment machen, können Sie das morgen nicht wiederholen, weil morgen garantiert der Wind aus ’ner anderen Richtung kommt und Sie somit eine völlig andere Quellverteilung haben, eine völlig andere Chemie. Und das alles ist in so einer Simulationskammer eigentlich in den Händen der Experimentatoren.
Millionen Tonnen Schadgase aus Industrie, Haushalten und Verkehr gelangen in die Außenluft. Dennoch reichern sie sich nicht in der Atmosphäre an. Es gibt so etwas wie eine luftchemische Reinigung. In der Jülicher Testkammer konnten Dorn und andere Forscher klären, welche Reaktionen genau ablaufen, wenn zum Beispiel das giftige Kohlenmonoxid aus der Luft eliminiert wird.
Mit solchen Informationen füttern die Kölner Meteorologen dann ihr Rechenmodell für die chemische Wettervorhersage.
In der EU werden die Luftqualitäts-Standards sicher in Zukunft weiter verschärft. Geplant sind striktere Grenzwerte für Diesel-Ruß. Auch das krebserregende Benzol könnte reguliert werden. Da ist es von Nutzen, ein Prognose-Modell wie das Kölner zu haben. Denn damit lässt sich auch die Luftqualität regional überwachen.
Den größten Anwendernutzen sieht Michael Memmesheimer aber nach wie vor beim bodennahen Ozon, dem typischen Sommersmog-Gas:
Wenn die Ozon-Konzentrationen im Sommer rauf gehen, haben wir die höchsten Abrufe auf unserer Seite.
Häufen sich in Zukunft Hitzesommer wie der von 2003, wovon Klimaforscher im Prinzip ausgehen, dann sei zu befürchten, …
… dass dann auch das Ozonproblem doch wieder etwas mehr in den Vordergrund rücken könnte.