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Auf dem Weg zur geschlechtergerechten Hochschule

Für Chancengleichheit an den Hochschulen setzen sich in Deutschland seit 1989 die Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten ein. Rund 175 von ihnen treffen sich derzeit in Leipzig. Sie diskutieren darüber, wie sie trotz Hochschulreform, Exzellenzinitiative und zunehmender Konkurrenz unter den Hochschulen besser zusammenarbeiten können.

Von Marion Nagel | 22.09.2009
    "Ich freue mich das so viele den Weg nach Leipzig gefunden haben ... "

    Unzählige Frauen und ein Mann stehen in einer langen Schlange vor der Anmeldung in der 4. Etage des Seminargebäudes. Aus ganz Deutschland sind die Gleichstellungsbeauftragten gekommen. Viele sind das erste Mal in Leipzig und an der Universität, die in diesem Jahr 600 Jahre alt wird. Die Bundeskonferenz steht diesmal ganz im Zeichen der Solidarität, sagt Dr. Edit Kirsch-Auwärter von der Universität Göttingen:

    "Wir müssen in der Vielfalt der Themen den gemeinsamen Nenner finden. Und bei den Unterschieden die jetzt zwischen Hochschulen wachsen und wachsen. So wie die Hochschulpolitik gestaltet ist, ist es auch ein wichtig die Solidarisierung der Gleichstellungsbeauftragten hoch zu halten. Der Austausch, die Analyse der Vorgehensweisen an anderen Hochschulen, was auch in dieser Tagung wichtig ist"

    Vieles hat sich seit der Gründung der Bundeskonferenz geändert, vor allem im Selbstverständnis. Vor 20 Jahren waren die Gleichstellungsbeauftragten vor allem Interessenvertretungen für Frauen, erzählt Dr. Marianne Kriszio von der Humboldt Universität Berlin.

    "Am Anfang war erstmal das Problem ins Bewusstsein zu bringen. Und Transparenz herzustellen, in diese geheiligten Klüngelrunden reingehen. Das die Frauenbeauftragten in Berufungskommission saßen und aufpassen konnten, wie da Auswahlentscheidungen passiert und wie Diskriminierung passierte. Das alleine hat unabhängig von allem anderes etwas bewirkt."

    Bewirkt hat es, dass der Anteil der Professorinnen von damals, der bei gerade einmal fünf Prozent lag, sich mehr als verdreifachte und heute bei 16 Prozent liegt. Trotzdem sind Frauen im universitären Topmanagement nach wie vor nur selten zu finden.

    Die Frage, ob heute noch Gleichstellungsbeauftragte gebraucht werden, sehen Mitarbeiter und Studenten der Universität Leipzig ganz unterschiedlich:

    "Ich glaube schon, dass man das braucht, weil ich der Meinung bin, dass Frauen strukturell diskriminiert werden. Das heißt, dass viele Frauen nicht in Entscheidungspositionen kommen, einfach weil es die Strukturen so vorgeben. Damit meine ich auch bei Professorinnen und Professoren nicht gewünscht ist."

    " Ich denke, man braucht sie überhaupt nicht, weil es so übertrieben wird vor allem in der Hochschule, dass Männer und Frauen gleichgestellt sind. Und dieser unsägliche Feminismus bei dem das "-innen" überall angehängt wird "Studentinnenrat". Das ist einfach nur absolut nervig."

    "Für mich ist immer die Frage, was die bewirken, also ob die wirklich Einfluss nehmen können darauf dass es mehr Akademikerinnen innerhalb der Hochschule gibt oder ob dafür nicht andere Gründe verantwortlich sind, als das die Frauen benachteiligt werden."

    Zum Beispiel fehlen den Frauen oft die richtigen Netzwerke oder sie kämpfen mit einer durchweg männlich codierten Organisationsstruktur. Und die steht vor allem Kindern und Familie entgegen. Weibliche Rollenmodelle, die eine wichtige Vorbildfunktion ausüben könnten, bleiben eine Ausnahme.

    Das ist auch in Sachsen nicht anders. Der Frauenanteil an den Hochschulen liegt bei unter 20 Prozent. Bei den Juniorprofessuren ist Sachsen eines der Schlusslichter im bundesdeutschen Vergleich. An der juristischen Fakultät der Universität Leipzig, die hinter vorgehaltener Hand auch die "Juristenfakultät" genannt wird, gibt es keine einzige Professorin. Wohl auch deshalb hat man in Sachsen im August eine Koordinierungsstelle für Gleichstellung eingerichtet. Sie soll den Informationsfluss an die Beauftragten der Hochschulen verbessern und Weiterbildungen organisieren.

    Seit die Hochschulen durch Rankings, Exellenzinitiative und Hochschulreform miteinander im Wettbewerb stehen, hat sich auch die Wertigkeit der Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten erhöht. Und die Anforderungen an ihre Arbeit haben sich geändert sagt Dr. Kirsch-Auwärter:

    "Zuletzt die Entscheidung der Deutschen Forschungsgemeinschaft aus Gleichstellung ein Kriterium zu machen, um Forschungsgelder zu bewilligen. Das schlägt sich unmittelbar auf Alltag der Gleichstellungsbeauftragten nieder. Und wir hoffen, dass das zu erhöhten Frauenzahlen unter den Professorinnen führt und dem wissenschaftlichen Nachwuchs in den kommenden Jahren."

    Obwohl Frauen in den Führungspositionen der Hochschulen immer noch unterrepräsentiert sind, zieht Dr. Kriszio von der Humboldt Universität eine positive Bilanz der bisherigen Arbeit der Bundeskonferenz:

    "Ich habe noch studiert zu einer Zeit, in der man keine einzige Professorin in seinem Fach an seiner Universität kannte. Das gibt es praktisch heute gar nicht mehr, auch in den Naturwissenschaften. Es ist was in Bewegung gekommen, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit."

    Und wie man diese unterschiedliche Geschwindigkeit zwischen den Hochschulen beeinflussen und angleichen kann diskutieren die Gleichstellungsbeauftragten noch bis Mittwoch.