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Auf dem Weg zur Superhefe

Vor über drei Jahren gelang es dem Biotechnologie-Pionier Craig Venter, ein vollständiges Bakterienerbgut synthetisch herzustellen und in Bakterienzellen zu verpflanzen. Andere Wissenschaftler versuchen nun Gleiches mit Hefezellen. Aber das ist deutlich komplizierter.

Von Michael Lange | 23.09.2013
    Hefezellen der Art Saccharomyces Cerevisiae besitzen einen Zellkern mit 16 verschiedenen Chromosomen und zwölf Millionen Erbgutbausteinen. Sie gehören biologisch gesehen zur gleichen Gruppe wie Pflanzen, Tiere und Menschen: den Eukaryonten.

    Jef Boeke, Professor für Molekularbiologie und Genetik der Universität Baltimore, will eine Hefe züchten, deren Erbmaterial künstlich zusammengebaut wurde. Sein eigenes Team war damit überfordert. Deshalb suchte und fand Jef Boeke Kooperationspartner in den USA, England, China und Indien.

    "Beim Bau der Chromosomen sind wir gut vorangekommen. Die Chromosomen drei, sechs und neun sind bald fertig. Anschließend kreuzen wir die Hefestämme, von denen jeder ein anderes synthetisches Chromosom enthält. So entstehen neue Hefestämme, die mehrere synthetische Chromosomen enthalten."

    Die Menge der Erbinformation ist bei Hefen zwölf Mal so groß wie bei dem Bakterien-Genom, das der Biotechnologe Craig Venter vor drei Jahren konstruierte. Auch der Aufbau des Erbmaterials ist deutlich komplizierter als bei Bakterien. Schnell erkannte Jef Boeke, dass sich der Aufwand nur lohnt, wenn er nicht einfach ein natürliches Hefe-Genom nachbaut. Warum etwas herstellen, was die Natur bereits konstruiert hat?

    Stattdessen entsteht nun eine Art Prototyp, der seine Erbinformationen mischen kann. Dazu haben die Forscher ein Enzym namens Rekombinase eingefügt. Das Enzym trennt das Erbmolekül DNA auf und fügt es neu zusammen. Das ist, als ob wir das Hefeerbgut umrühren, erklärt Jef Boeke.

    "Zunächst konstruieren wir ein synthetisches Genom, und dann können wir umrühren. An etwa 5000 Positionen kann das Genom sich neu anordnen. An diesen Stellen werden die Gene neu kombiniert. So entsteht eine extrem große Zahl von genetischen Möglichkeiten."

    Andere Forscher des Konsortiums haben weitere, sehr ambitionierte Pläne mit der Hefe. Tom Ellis vom London Imperial College konstruiert sein Hefechromosom Nummer 11 so, dass die Zellen später eine zusätzliche Aminosäure besitzen. Statt ihre Proteine wie in der Natur üblich aus 20 Aminosäuren aufzubauen, stehen diesen Hefezellen dann 21 Aminosäuren zur Verfügung. Dazu muss Tom Ellis den biologischen Code so neu schreiben, dass die genetischen Buchstaben nicht mehr für 20 Aminosäuren codieren, sondern für 21.

    "Wir konstruieren DNA so um, dass in den Hefezellen Aminosäuren gebildet werden, die es in der Natur nicht gibt. Da Proteine aus Aminosäuren bestehen, erschaffen wir so Proteine, die die Natur nicht kennt. So kann die Hefe zum Beispiel neuartige Antibiotika produzieren, gegen die Bakterien keine Resistenzen entwickeln."

    Die Mycoplasma-Bakterien, denen Craig Venter ein künstliches Genom verpasst hat, fanden bisher in der Biotechnologie keine Anwendung. Das soll bei der Hefe anders werden. Die Forscher des Hefe-Konsortiums planen deshalb von Anfang an die Anwendungsmöglichkeiten mit ein. Sie reichen von Medikamenten über Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetika bis zum sogenannten Biosprit.