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"Auf den ersten Blick erschreckend schlecht!"

Technik. - Mitte Oktober 2009 wurden am Flughafen Frankfurt/Main eine elektronische Einreisekontrolle eingerichtet. Statt kritischer Beamter wachten dort ein halbes Jahr biometrische Kamerasysteme darüber, wer einreisen darf und wer nicht. Wie gut sich diese automatisierte Kontrolle bewährt hat, das war Thema auf der Biometrie-Konferenz Biosig in Darmstadt. Der Wissenschaftsjournalist Ralf Krauter berichtet im Gespräch mit Uli Blumenthal.

    Blumenthal: Herr Krauter, bevor Sie auf die Testergebnisse zu sprechen kommen, erklären Sie doch bitte kurz, was ist das für ein System und wie funktioniert diese Einreisekontrolle.

    Krauter: Herr Blumenthal, das ganze heißt EasyPass, also leichter Pass oder leichtes passieren, das ist doppeldeutig auf Englisch. Und das ist eben eine automatisierte Passkontrolle auf Basis biometrischer Gesichtserkennung. Das Ziel dahinter ist klar: Man will höheren Durchsatz schaffen und damit geringere Wartezeiten für die Reisenden. Und wer in Frankfurt zurzeit am Terminal 1, Flugsteig C., gelandet ist, der hat immer noch die Wahl, sich für eine der derzeit vier EasyPass-Spuren zu entscheiden. Vorausgesetzt wohlgemerkt, er hat einen elektronischen Reisepass, den braucht man. Viele EU Länder stellen den ja mittlerweile aus, in Deutschland zum Beispiel gibt es ihn seit 2007, und da sind ja in den Reisepässen Chips integriert, auf denen dann Lichtbilder und Fingerabdruck digital gespeichert sind, also biometrische Merkmale, die die automatische Identifizierung erlauben. Und diesen elektronischen Pass, den nimmt man dann, läuft zu einem so genannten E-Gate, das ist so eine Art Schleuse, da legt man den Pass drauf, der wird dann gescannt, vor allem das Foto, und das wird dann in einem zweiten Schritt mit einem Live-Bild abgeglichen, das eine spezielle Kamera schießt, nachdem man ein paar Schritte vorwärts gegangen ist, in so eine Schleuse rein, und die andere Tür dieser Schleuse, die öffnet sich eben nur dann, wenn das im Pass gespeicherte Bild mit dem live geschossenen des Reisenden übereinstimmt. Also genau das, was sonst der Grenzbeamte eigentlich tut, wenn Sie ihm Ihren Pass reichen und er Sie anschaut, das leistet hier dieses automatische Erkennungssystem.

    Blumenthal: Ja, der schaut mich an und weiß Bescheid, ob ich der bin, der im Pass steht. Wie ist es mit der Zuverlässigkeit bei diesem System, welche Erfahrungen hat man in dem halben Jahr gemacht?

    Krauter: Die Zuverlässigkeit, die ist auf den ersten Blick erschreckend schlecht. Markus Nuppeney vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das an dem Projekt beteiligt ist, präsentierte gestern in Darmstadt auf der Biometrietagung die Zahlen, und da rieb sich doch mancher die Augen: Rund 38.500 ankommende Passagiere hatten vom vergangenen Oktober bis Mitte März versucht, durch eine dieser vier Easypass-Schleusen zu kommen, gelungen ist es nur 17.500, also etwa 45 Prozent der Reisenden. Will heißen: 55 Prozent hat das System zurückgewiesen, das ist natürlich ziemlich schlecht.

    Blumenthal: Sie würden sagen, das klingt stark ausbaufähig. Ich sage: es ist einfach ein ziemlich mieses Ergebnis. Woran lag es?

    Krauter: Wenn man sich die Gründe der Zurückweisung anschaut, dann relativiert sich die miese Bilanz dann doch etwas: es gibt nämlich teils ganz profane Ursachen, warum Passagiere die Passage verweigert wurde. In knapp 30 Prozent der Fälle konnte der elektronische Pass schlicht nicht ausgelesen werden, weil die Leute nicht wussten, wie sie ihn da drauflegen müssen. Also eigentlich relativ simple Probleme, die es gab. In einem von fünf Fällen immerhin hatten die Passagiere gar keinen elektronischen Pass, erfüllten also gar nicht die Voraussetzungen, durch diese Gates durchzukommen. Von den 17.500, die einen elektronischen Pass hatten und ihn richtig draufgelegt hatten, kamen dann immerhin 15.000 ohne weitere Beanstandung durch. Der Rest erregte dann doch irgendwie das Misstrauen der Maschine, wurde dann noch einmal manuell von Grenzbeamten überprüft. Aber das erst im zweiten Schritt. Bei der eigentlichen biometrischen Gesichtserkennung, wo also Live-Foto und biometrisches Passbild abgeglichen wurden, da war die Erfolgsquote dann doch immerhin gut 85 Prozent.

    Blumenthal: Das klingt sehr viel, aber es ist denn dann auch ausreichend, das das System 15 Prozent nicht erkennen kann?

    Krauter: Also für eine Gesichtserkennung ist das schon relativ gut. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Versuche im Mainzer Hauptbahnhof, zur Fotofahndung. Da wurde ja nur ein Drittel der Passanten erkannt. Unter den kontrollierten Bedingungen jetzt am Flughafen ist man viel besser. Man hat kontrollierte Beleuchtungsverhältnisse, man hat bessere Algorithmen entwickelt, interessant auch: Insgesamt wurden drei verschiedene Algorithmen für den Gesichtsvergleich getestet. Der beste schafft eine Falsch-Ablehnungsrate von 1,1 Prozent. Das heißt: nur einer von 100 Reisenden wurde fälschlicherweise als nicht mit seinem Passfoto übereinstimmend klassifiziert, und das ist natürlich eine sehr geringe Fehlerquote, die das Ganze schon sehr nah an die Praxisreife rücken lässt.

    Blumenthal: Wann wird man in Frankfurt am Main zumindest so einreisen können?

    Krauter: Die Entscheidung, weitere Easypass-Spuren aufzumachen - also das gegenwärtige System ist jetzt vom Pilotbetrieb in den regulären Betrieb übergegangen, es gibt diese vier Spuren - die Entscheidung, weitere Spuren aufzumachen, wie ursprünglich geplant, die steht momentan noch aus. Allerdings die Experten vom BSI, gehen schon davon aus, dass die Technologie ziemlich sicher auch im neuen Terminal 3 zum Einsatz kommen wird, der 2012 wahrscheinlich eröffnet werden soll. Allerdings auch da immer noch optional. Wer also lieber einem Grenzbeamten seinen Pass zeigen will, der wird das auch dort weiter tun können.