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Auf den Kompost statt in den Gelben Sack

Seit Jahren gibt es Lebensmittelverpackungen aus kompostierbaren Kunststoffen. Doch im Supermarkt sind sie kaum zu finden. Das könnte sich aber bald ändern, denn ab Anfang Juni brauchen die Verwender solcher Verpackungen keine Gebühren für den Grünen Punkt mehr zu zahlen.

Von Ralf Ahrens |
    Fast jeder Supermarkt hat sie: die Öko-Ecke. Dort werden Karotten und Kartoffeln, Kiwis und Tomaten aus kontrolliert biologischem Anbau angeboten. Doch nicht alles ist dort wirklich "Öko”. Denn biologisch abbaubare, also kompostierbare Folien und Schalen für Obst und Gemüse sind selten, erklärt Harald Käb von der Interessengemeinschaft Biologisch Abbaubare Werkstoffe.

    "Sie existieren schlichtweg kaum im Markt. Wir sind aber sehr zuversichtlich, dass sich das in Kürze ändern wird. "

    Denn jetzt tritt die überarbeitete Verpackungsverordnung in Kraft und gibt den Bio-Verpackungen neuen Schwung am Markt.

    "Da werden Verpackungen, die zertifiziert und kompostierbar sind und aus Biokunststoffen hergestellt sind, sozusagen vom Grünen Punkt ausgenommen bis 2012. Also, eine lange Übergangsfrist. Und das hilft den Produkten, hier auf dem Markt zu kommen. "

    So zahlen Supermärkte dem Dualen System Deutschland, dem DSD, für das Entsorgen jeder einzelnen Verpackung Geld - etwa 0,3 Cent für ein Rosenkohlnetz oder fast zwei Cent für die Folie, die ein Kilogramm Broccoli umgibt. Dieses Geld kann der Handel mit der neuen Verpackungsverordnung einsparen. Klaus Haak vom Edeka Fruchtkontor in Roisdorf bei Bonn nennt ein Beispiel:

    "Diese Schale hier muss ich etwa rechnen im normalen Bereich, dass sie mir zwei Cent Folienkosten verursacht. In dem Bereich kompostierbar ist sie etwa bei 3,5 bis vier Cent pro Packung, die ich anrechnen muss. Ziehe ich die DSD-Gebühr davon ab von ungefähr 1,5 Cent, bin ich eigentlich wieder beim ursprünglichen Preis. "

    Mit anderen Worten: Obwohl Schalen und Folien aus Mais, Kartoffeln oder Zuckerrüben in der Regel drei- bis viermal so teuer sind wie Verpackungen aus Erdöl, brauchen sie die Ware nicht oder doch nur ein wenig zu verteuern. Edeka geht es nicht allein um den Preis:

    "Wir finden, dass das sinnvoll ist gerade bei biologischen Produkten auch eine solche Verpackung mit anzubieten. "

    Es geht also um das umfassendes Konzept, Bioobst und Biogemüse in einer ökologischen Verpackung. Zudem haben solche Verpackungen auch Vorteile für Verbraucher: Sie können etwa mit Kartoffelschalen, geschälten Möhrenresten gefüllt und die Biotonne gegeben werden.
    Zudem werden Bio-Verpackungen langfristig auch preiswerter werden, glaubt Klaus Haak - nämlich dann, wenn auch Obst und Gemüse aus konventionellem Anbau in Tüten verpackt und in Folien eingeschweißt werden, die aus nachwachsenden Rohstoffe wie Mais oder Zuckerrüben hergestellt werden.

    "Weil eine günstigere Verpackung dadurch eigentlich nur durch eine höhere Auflage der entsprechenden Folien passieren kann. Und da ist Bio mit einem Marktanteil von zwei bis drei Prozent einfach noch sehr klein. Und damit sind auch die Chargen für die herstellende Industrie sehr klein. "

    Genau das soll die neue Verpackungsverordnung anregen. Die Industrie reagiert bereits: Im Weserbergland will die Firma Wentus ihren Umsatz mit Verpackungen aus Maisstärke vervierfachen; und die BASF baut eine neue Anlage für einen aus Erdöl hergestellten, aber dennoch kompostierbaren Kunststoff. Diese Firmen seien keine Einzelfälle, meint Harald Käb von der Interessengemeinschaft Biologisch Abbaubare Werkstoffe. Er sieht einen wachsenden Markt. Während 2004 in der EU etwa 50.000 Tonnen Biokunststoffe verwendet wurden, könnten es in fünf Jahren mit 500.000 Tonnen bereits zehnmal soviel sein.

    "Wir stehen im Grunde ganz am Anfang einer kleinen industriellen Revolution. Diese ganze Technologie ist ausgerichtet an dem so genannten Gedanken der Nachhaltigkeit. Das heißt, wir müssen in Zukunft sicherlich mehr Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen, wir müssen weg vom Öl. "