Karin Fischer: Wenn es Denkmalschützer und ihre Kollegen, die Archäologen, nicht gäbe, dann wären viele Fundstücke aus alter Zeit nicht ausgegraben, archiviert, erhalten, gesammelt, geschützt und dann auch ausgestellt worden, die uns etwas über unsere Geschichte oder die unserer Urahnen erzählen. In Bonn begibt sich eine völkerkundliche Ausstellung in der Bundeskunsthalle jetzt auf die Spuren der Irokesen, die wir nur zu kennen glauben: als Furcht einflößende Indianer aus dem Western, als unbeugsame Widersacher der ersten Kolonisatoren, als "edle Wilde" in Film und Literatur oder als weise Urheber hipper ökologischer Mantras in den 70er-Jahren. In Wahrheit handelt es sich um fünf oder sechs von Hunderten indigenen Völkern im Inneren des heutigen Nordamerika und Kanada, die im 18. Jahrhundert fast ausgerottet wurden und deren Kultur bis heute zu wenig wertgeschätzt wird – trotz "National Museum of the American Indian" in Washington, das aber die tragische Geschichte der "Indianer" ins Kleingedruckte verdrängt. - Frage an Henriette Pleiger, die Kuratorin und Leiterin der Ausstellung: Welche Aspekte beleuchten Sie nun in der Bonner Schau?
Henriette Pleiger: Wir versuchen, die erste wirklich umfassende, groß angelegte Ausstellung über die Irokesen zu machen. Den Namen Irokesen kennt hier jedes Kind. Wir Deutschen als Indianerbegeisterte haben lange die Stereotypen über Indianer gut gepflegt. Wir wollen einfach einmal schauen, wer sind die Irokesen wirklich, und wir wollen keine Ausstellung machen über sie, sondern mit ihnen. Zusätzlich zu vielen, vielen Leihgaben aus Museen haben wir sehr, sehr viele auch zeitgenössische Arbeit von irokesischen Künstlern und haben auch von irokesischen Wissenschaftlern Unterstützung erhalten.
Fischer: Über 500 Objekte haben Sie zusammengetragen. Welche sind das denn zum Beispiel und was für eine Geschichte erzählen die?
Pleiger: Ein Teil sind sehr heterogene Objekte. Wir haben erstens natürlich wunderbare alte Ethnografika aus verschiedensten Sammlungen. In europäischen Sammlungen, zum Beispiel in St. Petersburg, schlummern wunderbar erhaltene Ethnografika aus dem 18. Jahrhundert, also auch der Zeit der amerikanischen Revolution, die wir in der Ausstellung zeigen. Wir haben zum Beispiel aus Kanada die fantastischen Ölporträts der sogenannten "Four Kings of Canada", eine Delegation von Irokesen, die 1710 in London Furore erregt haben. Das heißt, daran können Sie schon erkennen: Wir haben sowohl Ethnografika als auch wunderbare Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle, aber eben auch ganz pointierte zeitgenössische Kommentare zu all diesen historischen Gegenständen.
Fischer: Wie würden Sie denn die Kultur der Irokesen, wenn man das überhaupt kann, von heute aus beschreiben, in der ja so disparate Dinge wie militärische Kompetenz einerseits, Zusammengehörigkeitsgefühl, aber eben auch der Anpassungsdruck an die Mehrheitsgesellschaft des zum Beispiel 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle gespielt haben?
Pleiger: Die Ausstellung beginnt mit den Ursprüngen und mit einer noch sozusagen heilen Welt, die ganz, ganz schnell zerbrach im Kontakt mit den Europäern, sich ganz stark erstens selbst schnell verändert hat, auch dann von außen mit unterschiedlichen Projektionen belegt wurde, bis heute. Wir sehen in den Irokesen immer noch die Krieger, wir sehen immer noch die edlen Wilden, die Erfinder des Matriarchats zum Beispiel. All dies sind teilweise wirklich hinterfragbare Projektionen und diese Projektionen, diese vorschnellen Urteile versuchen wir, auch zu beleuchten und ein Fünkchen Wahrheit dahinter zu finden.
Fischer: Und was kommt dann hinten raus?
Pleiger: Es kommt eine sehr, sehr pluralistische Gesellschaft letztlich dabei heraus, die heute sehr um Einigkeit bemüht ist. Das ist aber ein sehr, sehr schwieriges Unterfangen, denn die Irokesen selbst sind heute auf Reservationen versprengt, kämpfen immer noch um ihre Landrechte, kämpfen darum, auch wieder sich an Traditionen zu erinnern, sie zurückzugewinnen, überhaupt ihre Sprachen wieder zu rekonstruieren, die im Zuge jahrzehntelanger Missionierung auch in Missionsschulen vergangen wurden. Das heißt, sich selbst ihre eigene Identität, eine Kultur zu rekonstruieren, ist ein höchst mühsames Unterfangen.
Fischer: Um diesen Gedanken gleich aufzugreifen, Frau Pleiger: Wenn in den letzten 40 Jahren sich wieder ein neues Selbstbewusstsein über die eigene kulturelle Identität bei den Irokesen gebildet hat, dann gibt es doch immer dieses Problem: Wie unterscheidet man, wie unterscheidet diese Kultur selbst die originäre Kultur von diesen Bildern und Zuschreibungen, die Sie ja auch genannt haben, und den Zumutungen sozusagen der heutigen touristischen Ausbeutung solcher Bilder?
Pleiger: Auch das ist keine leichte Frage und ich denke, die Stärke dieser Ausstellung ist der Perspektivwechsel, der ständige Perspektivwechsel. Denn natürlich vermarkten die Irokesen selbst auch die Stereotypen, mit denen sie belegt wurden. Also all das werden Sie auch in dieser Ausstellung finden. Es gibt den Versuch, sozusagen auch Wahrheit zu rekonstruieren, aber es gibt diese beiden Seiten, natürlich auch kommerzielle Interessen. Das begann schon im 19. Jahrhundert, als man sich sozusagen versucht hat, an die Mehrheitsgesellschaft zu assimilieren, wie sie sagten. Man hat dann versucht, auch überhaupt eine Beschäftigung zu finden, nachdem man des Landes verlustig gegangen ist. Zum Beispiel war das der Souvenirhandel, und da hat man natürlich sehr massiv auch eigene Traditionen vermarktet, hat sozusagen das viktorianische England mit Perlentäschchen überschwemmt und so weiter. Gleichzeitig ist aber auch da ein Kern eigener Traditionen und auch ein sehr würdevoller Umgang mit eigenen alten Dekortraditionen und Techniken noch enthalten. Man muss diese Dinge vielleicht auch mit mehreren Augen anschauen.
Fischer: Henriette Pleiger war das über die Ausstellung "Auf den Spuren der Irokesen" in der Bundeskunsthalle in Bonn.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Fischer: Über 500 Objekte haben Sie zusammengetragen. Welche sind das denn zum Beispiel und was für eine Geschichte erzählen die?
Pleiger: Ein Teil sind sehr heterogene Objekte. Wir haben erstens natürlich wunderbare alte Ethnografika aus verschiedensten Sammlungen. In europäischen Sammlungen, zum Beispiel in St. Petersburg, schlummern wunderbar erhaltene Ethnografika aus dem 18. Jahrhundert, also auch der Zeit der amerikanischen Revolution, die wir in der Ausstellung zeigen. Wir haben zum Beispiel aus Kanada die fantastischen Ölporträts der sogenannten "Four Kings of Canada", eine Delegation von Irokesen, die 1710 in London Furore erregt haben. Das heißt, daran können Sie schon erkennen: Wir haben sowohl Ethnografika als auch wunderbare Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle, aber eben auch ganz pointierte zeitgenössische Kommentare zu all diesen historischen Gegenständen.
Fischer: Wie würden Sie denn die Kultur der Irokesen, wenn man das überhaupt kann, von heute aus beschreiben, in der ja so disparate Dinge wie militärische Kompetenz einerseits, Zusammengehörigkeitsgefühl, aber eben auch der Anpassungsdruck an die Mehrheitsgesellschaft des zum Beispiel 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle gespielt haben?
Pleiger: Die Ausstellung beginnt mit den Ursprüngen und mit einer noch sozusagen heilen Welt, die ganz, ganz schnell zerbrach im Kontakt mit den Europäern, sich ganz stark erstens selbst schnell verändert hat, auch dann von außen mit unterschiedlichen Projektionen belegt wurde, bis heute. Wir sehen in den Irokesen immer noch die Krieger, wir sehen immer noch die edlen Wilden, die Erfinder des Matriarchats zum Beispiel. All dies sind teilweise wirklich hinterfragbare Projektionen und diese Projektionen, diese vorschnellen Urteile versuchen wir, auch zu beleuchten und ein Fünkchen Wahrheit dahinter zu finden.
Fischer: Und was kommt dann hinten raus?
Pleiger: Es kommt eine sehr, sehr pluralistische Gesellschaft letztlich dabei heraus, die heute sehr um Einigkeit bemüht ist. Das ist aber ein sehr, sehr schwieriges Unterfangen, denn die Irokesen selbst sind heute auf Reservationen versprengt, kämpfen immer noch um ihre Landrechte, kämpfen darum, auch wieder sich an Traditionen zu erinnern, sie zurückzugewinnen, überhaupt ihre Sprachen wieder zu rekonstruieren, die im Zuge jahrzehntelanger Missionierung auch in Missionsschulen vergangen wurden. Das heißt, sich selbst ihre eigene Identität, eine Kultur zu rekonstruieren, ist ein höchst mühsames Unterfangen.
Fischer: Um diesen Gedanken gleich aufzugreifen, Frau Pleiger: Wenn in den letzten 40 Jahren sich wieder ein neues Selbstbewusstsein über die eigene kulturelle Identität bei den Irokesen gebildet hat, dann gibt es doch immer dieses Problem: Wie unterscheidet man, wie unterscheidet diese Kultur selbst die originäre Kultur von diesen Bildern und Zuschreibungen, die Sie ja auch genannt haben, und den Zumutungen sozusagen der heutigen touristischen Ausbeutung solcher Bilder?
Pleiger: Auch das ist keine leichte Frage und ich denke, die Stärke dieser Ausstellung ist der Perspektivwechsel, der ständige Perspektivwechsel. Denn natürlich vermarkten die Irokesen selbst auch die Stereotypen, mit denen sie belegt wurden. Also all das werden Sie auch in dieser Ausstellung finden. Es gibt den Versuch, sozusagen auch Wahrheit zu rekonstruieren, aber es gibt diese beiden Seiten, natürlich auch kommerzielle Interessen. Das begann schon im 19. Jahrhundert, als man sich sozusagen versucht hat, an die Mehrheitsgesellschaft zu assimilieren, wie sie sagten. Man hat dann versucht, auch überhaupt eine Beschäftigung zu finden, nachdem man des Landes verlustig gegangen ist. Zum Beispiel war das der Souvenirhandel, und da hat man natürlich sehr massiv auch eigene Traditionen vermarktet, hat sozusagen das viktorianische England mit Perlentäschchen überschwemmt und so weiter. Gleichzeitig ist aber auch da ein Kern eigener Traditionen und auch ein sehr würdevoller Umgang mit eigenen alten Dekortraditionen und Techniken noch enthalten. Man muss diese Dinge vielleicht auch mit mehreren Augen anschauen.
Fischer: Henriette Pleiger war das über die Ausstellung "Auf den Spuren der Irokesen" in der Bundeskunsthalle in Bonn.
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