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Auf den Spuren des blauen Planeten

Geologie. - Die Bedingungen unter denen sich auf der Erde eine Hydrosphäre, also flüssiges Wasser, bilden konnte, sind nach wie vor nur in groben Zügen bekannt. Wissenschaftler der Universität Bonn haben nun eine Art Sauerstofffahrstuhl entdeckt, mit dessen Hilfe der Sauerstoff, der im Erdmantel gebunden ist, an die Erdoberfläche gelangt und sich dort mit Wasserstoff zu Wasser verbinden kann.

Von Barbara Heimpel | 29.10.2007
    Sanft schlagen die Wellen ans Ufer. Eine leichte Brise weht ans Land. Es riecht nach Salz und Fisch. Zwei Drittel der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt: Ein Gesamtvorrat von 1,4 Milliarden Kubikkilometer. Das ist nicht nur bemerkenswert, sondern auch ziemlich einmalig in unserem Sonnensystem, erklärt Christian Ballhaus vom Mineralogisch-Petrologisches Institut der Universität Bonn:

    "Die Erde hatte immer eine Hydrosphäre gehabt. Sie hat immer eine relativ oxidierte Atmosphäre gehabt. Und das sind die Bedingungen, unter denen Leben entstehen kann."

    Was den Wissenschaftlern nach wie vor Kopfzerbrechen bereitet, ist die Frage, wie sich diese Hydrosphäre gebildet hat und vor allem, warum sie immer noch existiert. Denn auf anderen terrestrische Planeten unseres Sonnensystems ist Wasser offenbar Mangelware.

    "Um das herauszubekommen, haben wir Hochdruckversuche gemacht mit Materialien des oberen Mantels, um festzustellen, wo Sauerstoff gespeichert werden kann. Denn um lebensfreundliche Bedingungen an der Erdoberfläche zu bekommen, brauchen wir Sauerstoff."

    Sauerstoff ist eigentlich genug vorhanden. Immerhin bestehen 50 Prozent der Erde aus Sauerstoff. Das Problem ist nur: Er befindet sich in der Erde – genauer: im Silikatgitter des Erdmantels. Dort ist er fest als Eisenoxid gebunden. Damit er reagieren kann, muss er aber als freier Sauerstoff auf der Erde zur Verfügung stehen, meint Christian Ballhaus:

    "Es nützt uns ja nichts, wenn Sauerstoff in der Tiefe gespeichert wird, aber nicht nach oben kommt."

    Wie er nach oben gelangt, das haben Christian Ballhaus und sein Doktorand Arno Rohrbach nun offenbar herausgefunden. Der Sauerstoff wird in einer Art Fahrstuhl an die Erdoberfläche transportiert. Der Träger: Ein granatähnliches Mineral, das erst ab 250 Kilometer Tiefe vorkommt - der Majorit. Der Mechanismus funktioniert so: Beim Zusammenstoß von zwei Kontinentalplatten kann die eine unter die andere gedrückt werden. Dabei taucht das Mantelmaterial tief ins Erdinnere ab, wo es schmilzt. Der dabei frei werdende Sauerstoff wird in den Majorit eingebaut. Der steigt wieder an die Erdoberfläche, wo er jedoch nicht stabil ist.

    "Wenn Sie dieses Material in niedrigere Druckbereiche nach oben konvektieren – das, was jetzt zum Beispiel in unserer Kaffeetasse passiert – bricht dieses Mineral zusammen und baut dabei den Sauerstoff aus."

    Dieser Prozess ist in der Regel mit allerhand Getöse und manchmal auch folgenschweren Naturkatastrophen verbunden. Denn eine Folge der Mantelkonvektion ist Vulkanismus. Neben dem flüssigen Magma und Gesteinsbrocken gelangen auch vulkanische Gase wie Wasserstoff und Kohlenstoff an die Erdoberfläche. Die Gase kommen in Kontakt mit dem freien Sauerstoff und oxidieren: Aus Wasserstoff wird Wasser, aus Kohlenstoff Kohlendioxid.

    "Und das sind die Gaswolken, die Sie sehen, die aus dem Vulkan aufsteigen."

    ... so Christian Ballhaus. Ohne freien Sauerstoff würden sich die Gase einfach in den Weltraum verflüchtigen. Dieser Materialaustausch funktioniert umso besser, je größer der Planet ist. Denn je größer er ist, desto geringer sein Wärmeverlust, desto stärker sein Magnetfeld, desto höher der Druck in seiner Silikathülle und desto mehr Sauerstoff kann eingebaut und auch wieder abgegeben werden, fasst Christian Ballhaus zusammen:

    "Das könnte implizieren, dass zum Beispiel größere Planeten viel besser dazu geeignet sind, Sauerstoff eben zu speichern. Weil wir auf kleineren Planeten wie Mars und Venus diese Fähigkeit gar nicht unbedingt erreichen."

    Kühlt die Erde ab – und das wird sie irgendwann, davon ist Christian Ballhaus überzeugt – hätte das fatale Folgen: Der äußere, flüssige Erdkern würde sich verfestigen, die Erde damit seismisch inaktiv werden.

    "Das heißt, wir haben dann keine Erbeben mehr. Wir haben keinen Vulkanismus mehr. Wir haben auch kein Magnetfeld mehr. Die Erde verliert ihre Erneuerungskraft, indem kein Material aus größerer Tiefe nach oben kommen kann. Und gleichzeitig, durch den Wegfall eines Magnetfeldes, würden wir wahrscheinlich in kürzester Zeit unsere Atmosphäre verlieren."